Immobilienpreise: Kein Wandel in Sicht?
Die Immobilienpreisentwicklung ist seit vielen Jahren stark überdurchschnittlich – und hat in der Coronakrise noch einmal zugelegt. Die Stimmung in der Branche sei gut, ein Wandel zeichne sich laut Expert:innen aus jetziger Sicht (noch) nicht ab. Trotzdem warnen Stimmen vor einer Überhitzung des Marktes. Wohin entwickelt sich der Markt und welche Objekte sind gefragt?
Ende der 90er Jahre kauft Familie Wimmer (Name von der Redaktion geändert) eine 110 Quadratmeter große Neubau-Eigentumswohnung mit Gartenzugang im Zentrum von Linz. Heutzutage kostet ein vergleichbares Eigenheim in der Gegend mindestens doppelt so viel – wenn nicht deutlich mehr. Kaum andere Preisentwicklungen werden ähnlich oft und emotional diskutiert wie jene von Immobilien. „Wir haben seit 2008 eine stark überdurchschnittliche Preisentwicklung“, sagt Wolfgang Amann vom Institut für Immobilien, Bauen und Wohnen. Die Preissteigerung pro Jahr betrug seitdem ungefähr sechs Prozent, seit der Coronakrise beschleunigte sich die Entwicklung noch – auf bis zu zehn Prozent im ersten Halbjahr 2021.
Einen Trendwandel bei der Preisentwicklung sehe ich derzeit nicht.
Wolfgang Amann geschäftsführender Gesellschafter, Institut für Immobilien Bauen und Wohnen
Hauptgrund dafür ist für Amann das Kapitalmarktumfeld. „Aufgrund des niedrigen Zinsniveaus ist es für Projektentwickler:innen sehr risikoarm, zu bauen, auch ohne die Verwertung bereits in der Tasche zu haben. Auf der Seite der Käufer:innen ist es ähnlich, für Einzelpersonen und Institutionen ist es äußerst günstig, Immobilienkäufe zu finanzieren“, sagt er. Immobilienprojekte werden gerne von Banken finanziert. Dazu kommt: Die meisten alternativen Veranlagungen sind ziemlich unattraktiv oder hochspekulativ. „Mit Kapitalmarktprodukten liegt man bei den Renditen unter der Inflationsrate, die Aktienmärkte sind in Österreich nicht besonders beliebt mit ihrer Volatilität“, erklärt Amann. Aus diesen Gründen fließt derzeit viel Kapital in den Immobilienmarkt, was die Nachfrage weiter befeuert. Einen Trendwandel sieht er aus jetziger Sicht nicht. Auch der Krieg in der Ukraine könnte sich auf die Preissituation auswirken. „Durch den Krieg werden die Karten vermutlich neu gemischt. Wir rechnen mit verstärkter und bleibender Zuwanderung sowie vermehrter Unsicherheit. Beides könnte die Preisentwicklung weiter anfachen“, sagt Amann.
„Investor:innen könnten Preisrückgang aushalten“
Dennoch: 2021 veröffentlichte die Österreichische Nationalbank (OeNB) eine Studie, in der vor einer Überhitzung des Marktes gewarnt wird. Banken würden Kredite zur Finanzierung von Immobilien zu locker vergeben, sowohl die Zahl dieser Kredite als auch die Wohnimmobilienpreise seien in Österreich im Vergleich zu Europa auffällig. Man sehe „Hinweise auf eine zunehmende Überhitzung des Wohnimmobilienmarktes“, die in der Vergangenheit oft zu Wohlstandsverlusten in anderen Ländern geführt hätte. Der Geschäftsführer einer Immobilienagentur, der namentlich nicht genannt werden will, spricht sogar von einer Blase, die irgendwann platzen werde, davor könne die Entwicklung aber noch jahrelang weitergehen. Amann schätzt dieses Risiko hingegen als gering ein. „Wenn es zu einer Krise käme und die Preise tatsächlich sinken würden, dann trifft es in erster Linie die Investor:innen, die einen Preisrückgang auch aushalten“, sagt er. Problematisch werde es, wenn viele Investor:innen mit spekulativer Absicht und hohem Fremdfinanzierungsanteil Immobilien kaufen, die Preise dann deutlich sinken und dadurch auch Banken ins Trudeln geraten. Amann: „Das ist aber sehr unwahrscheinlich.“ Derzeit würden Immobilien hierzulande ohnehin mit relativ hohem Eigenkapitalanteil finanziert. Allerdings: Insgesamt werde derzeit mehr gebaut, als für die Wohnversorgung für die Bevölkerung benötigt wird. „Ein erheblicher Teil der verkauften Wohnungen ist nicht für die Nutzung vorgesehen, sondern für Anleger“, sagt Amann.
Mietpreise steigen weniger schnell
Wie wirkt sich die steigende Preisentwicklung auf die Mieter:innen aus? Die Mieten steigen in einem deutlich geringeren Ausmaß als die Eigentumspreise – derzeit und vermutlich in Zukunft weiterhin knapp über den Inflationsraten. Hinsichtlich der Bauträger habe Österreich – und besonders Oberösterreich – mit dem System des gemeinnützigen Wohnbaus ein sehr gut funktionierendes System. Gemeinnützige Bauvereinigungen sind mittlerweile wesentliche Player am Markt. „Wohnbauförderungen und der gemeinnützige Wohnbau in Oberösterreich sind ganz eindeutig ein Best-Practice-Beispiel, wofür wir international beneidet werden“, sagt Amann. Im Koalitionsvertrag der neuen Regierung in Deutschland wird angepeilt, das österreichische System wiedereinzuführen – für den Experten ein klares Zeichen dafür, dass man hierzulande am richtigen Weg ist.
Durch unsere Maßnahmen im Bereich der Wohnbauförderung liegt Oberösterreich bei der Nettomiete um etwa 7 % unter dem bundesweiten Durchschnitt.
Manfred Haimbuchner Wohnbaulandesrat, Oberösterreich
Für Oberösterreichs Wohnbaulandesrat Manfred Haimbuchner ist die Schaffung von leistbarem Wohnraum „eine der wichtigsten Aufgaben in der Politik“. In den vergangenen Jahren sei es trotz der steigenden Immobilien- und Baukosten durch ein hohes Maß an Bedarfsdeckung durch sozialen Wohnbau gelungen, die Mietpreise insgesamt im Rahmen zu halten. „Durch die Maßnahmen, die wir im Bereich der Wohnbauförderung treffen, liegt Oberösterreich bei der Nettomiete um etwa sieben Prozent unter dem bundesweiten Durchschnitt“, sagt Haimbuchner. Als die wichtigsten Maßnahmen der vergangenen Jahre sieht er neben der „kontinuierlichen Schaffung neuen leistbaren Wohnraums“ auch die Sanierungsoffensive.
Als weitere Schwerpunkte nennt Haimbuchner Nachhaltigkeit und ökologische Verträglichkeit. „Zusätzlich haben wir in den letzten zwei Jahren mit dem Wohnungssicherungspaket für Leistungsträger viel Druck von den Oberösterreicherinnen und Oberösterreichern genommen.“ Steigende Grundkosten und die erhöhten Energie- und Brennstoffpreise seien globale Probleme, die nur auf überregionaler Ebene zu lösen seien. „Es ist jedoch unsere Aufgabe, die Auswirkungen dieser Probleme auf unsere Landsleute abzufedern, dafür muss man finanzielle Mittel in die Hand nehmen, zielführende Ideen in die Praxis umsetzen und gut mit der heimischen Bauwirtschaft zusammenarbeiten“, sagt Haimbuchner.
Dort sei die Stimmung angesichts der laufenden Geschäfte sehr gut, so Amann. „Es gibt zwar Beschwerden, dass die Rohstoffpreise durch die Decke gehen, angesichts der Preisentwicklung bei Wohnungen ist es aber dennoch möglich, profitable Projekte umzusetzen“, sagt Amann. Aber auch die Baubranche habe mit einem Fachkräftemangel zu kämpfen. „Es wird tendenziell schwieriger, Mitarbeiter:innen und Subunternehmen aus dem benachbarten Ausland nach Österreich zu bringen, da auch auf deren Heimatmärkten die Konjunktur gut läuft“, erklärt der Experte. Manche würden es dann vorziehen, in der Heimat einen Job anzunehmen.
Wer nicht muss, verkauft derzeit auch nicht.
Jürgen Schannen Geschäftsführer, Atelier76
Eine gute Stimmung in der Branche können die beiden Immobilienexperten Jürgen Schannen und Michael Schwarzl von Atelier76 bestätigen – zumindest wenn es um bestimmte Objekte geht. „Stark nachgefragt sind Immobilien in guten Lagen, kleine Anlegerwohnungen, die sich ideal zur Vermietung eignen, und Immobilien im Speckgürtel größerer Städte“, sagt Schannen. „Schlecht gehen Lagen an stark befahrenen Straßen, abgelegenen Orten ohne öffentliche Verkehrsanbindung sowie Objekte ohne Freiflächen – abgesehen von historischen Altbauwohnungen im Stadtkern“, ergänzt Schwarzl. Das Tätigkeitsfeld von Atelier76
geht über die klassische Maklertätigkeit hinaus – die beiden Gründer sind auch Baumeister, Projektentwickler, Techniker und Gutachter. Grundsätzlich sei spürbar, dass sich die Finanzierungsrichtlinien deutlich verschärft haben und die Gehälter der Kaufinteressierten nicht mit der Preissteigerung Schritt halten konnten. Schwarzl: „Besonders im niedrigen bis mittleren Preissegment haben die Interessierten oft Probleme, die für eine Finanzierung benötigten Eigenmittel aufbringen zu können.“ Aufgrund der hohen Sanierungskosten im Altbestand und des starken Mieterschutzes in Österreich beobachten die beiden Experten, dass sich viele Eigentümer:innen die Vermietung „nicht mehr antun“ wollen und ihre Wohnung lieber leer stehen lassen. „Es wäre notwendig, das Mietrecht zu reformieren und für die Eigentümer:innen auch Anreize zu schaffen, Altobjekte zu sanieren und dem Markt wieder zur Verfügung zu stellen“, sagt Schwarzl.
Die Gehälter der Kaufinteressierten können mit der Preisentwicklung nicht mehr mithalten.
Michael Schwarzl Geschäftsführer, Atelier76
„Dynamik am Markt wird wieder zunehmen“
Auch für Schannen und Schwarzl ist eine Preissenkung derzeit kurzfristig kaum realistisch. „Nicht nur die Materialpreise sind aufgrund von Corona sowie kriegsbedingten Lieferschwierigkeiten derzeit sehr hoch, auch Energiepreise für Strom und Gas bewegen sich auf sehr hohem Niveau“, erklärt Schannen. Dazu kommen Indexierungen bei Löhnen und Gehältern, immer höhere technische und energetische Anforderungen und Normen. Zusätzlich sei der Markt an guten Immobilien nahezu leer gekauft, was diese noch teurer mache. „Wer nicht muss, verkauft derzeit auch nicht“, sagt Schannen. Die beiden Experten erwarten aber, dass der Markt wieder an Dynamik zunimmt, wenn sowohl Private als auch Unternehmen nicht benötigte Grundstücke und Nebenwohnsitze aus verschiedensten Gründen wieder verkaufen. Schwarzl: „Niedrigere Preise sehen wir aber dennoch nur in B-Lagen sowie bei Immobilien, deren Grundrisse nicht mehr zeitgemäß sind oder die über keine Freiflächen oder brauchbare Infrastruktur im Nahbereich verfügen.“_
„Rundum-sorglos-Paket für beide Seiten“
Was braucht es für den Job als Immobilienmakler:in ?
Das wollten wir von Michaela Jahn und Daniel Kerschbaumer von Next Immobilien https://www.nextimmobilien.at/ wissen.
Die Immobilienpreise steigen, Immobilien sind begehrte Investitionsobjekte – eigentlich die ideale Zeit für Ihr Business, oder?
Daniel KerschbaumerEs gibt zwei Seiten der Medaillie: Die Immobilienpreise steigen zwar, die Kaufkraft der Menschen steigt aber nicht automatisch mit. Wenig Angebot und eine hohe Nachfrage ist auch nicht ideal, weil wir dann weniger Objekte vermitteln können.
Auf welche Fähigkeiten kommt es an?
Michaela JahnWichtig ist Extrovertiertheit und Kontakt-freude, andererseits aber auch großes rechtliches Wissen was Mietverträge und rechtliche Verpflichtungen anbelangt. Wir bilden uns jeden Dienstag weiter und besprechen rechtliche Neuerungen im gesamten Team.
Daniel KerschbaumerDen Erfolg eines Maklers misst man an den wiederkehrenden Kund:innen – wir haben 98 bis 99 Prozent wiederkehrende Kunden:innen. Wenn sie zufrieden sind, weil man Vollgas gegeben hat, und die Kunden sich das nächste Mal wieder für uns entscheiden, dann ist das die beste Bestätigung für unsere Arbeit.
Wie sieht die Vorbereitung auf einen Termin aus?
Michaela JahnZu jedem Objekt haben wir eine Checkliste mit etwa 80 Fragen, die akribisch abgearbeitet wird, erst dann wird die Immobilie zur Vermarktung aufgenommen. Wenn wir in Kontakt mit Kauf- Mietinteressierten sind, dann sehen wir es als unsere Pflicht an alles zum Objekt zu wissen – das ist unsere Dienstleistung.
Welche Leistungen werden noch geboten?
Daniel KerschbaumerFür die Kunden klären wir alles ab: Vom Wohnungseigentusmvertrag über Nutzwertgutachten, Plänen bis hin zu Energieausweisen falls nötig. Wichtig ist uns ein Rundherum-Sorglos-Paket sowohl für Verkäufer/Vermieter als auch Käufer/Mieter. Eine ordentliche Aufbereitung des Objekts inklusiver professioneller Fotos ist das A und O.
Wie sehen die besonderen Erfolgsmomente im Beruf aus?
Daniel KerschbaumerEs gibt Objekte, an denen arbeitet man monatelang, wo man Problemstellungen akribisch abarbeiten muss. Wenn man dann die Lösung findet, die für beide Seiten ideal passt, ist das natürlich Weltklasse.
Michaela JahnVor Kurzem haben wir eine Wohnung an eine Kundin übergeben, die davor im Frauenhaus war – es ist ihre erste eigene Wohnung. Wenn man weiß, dass man mithelfen konnte, damit ein neues passendes Zuhause gefunden wird, sind das besonders schöne und glückliche Momente.