Abhängig davon, wie ein Bürgermeister seine Verantwortung auslegt, kann das Amt sehr unterschiedlich aussehen. Was verstehen Sie als Ihre Aufgabe?
MAHREin Bürgermeister ist bis zu einem gewissen Grad für alle Angelegenheiten in seiner Gemeinde verantwortlich. Natürlich delegiert man manches, zum Beispiel an politische Referenten, aber wer wie ich oft sehr genaue Vorstellungen hat, muss immer den Überblick behalten. Ich bin seit 2013 Bürgermeister von Marchtrenk. Damals habe ich eine Stadt vorgefunden, die zwar regional gut verankert war, die aber ihre Potentiale noch nicht ausgeschöpft hat. Meine Hauptaufgabe sehe ich darin, diese Chancen zu erkennen und zur Entfaltung zu bringen. Da haben wir schon in den ersten Jahren meiner Amtszeit wichtige Schritte gesetzt und auf diesen Erfolgen bauen wir immer weiter auf.
Welche waren diese wichtigen Schritte?
MAHRIch habe zum Beispiel das Standortmarketing eingeführt, das eine wichtige Schnittstelle zwischen Wirtschaft und Politik ist. Das funktioniert sehr gut, wir schaffen viele Jobs – der Spitzenwert im Jahr 2015 waren 1.000 neue Arbeitsplätze. Die Kommunalsteuer hat sich seit meinem Amtsantritt verdoppelt, also dürfte auch die Zahl der Arbeitsplätze ungefähr doppelt so hoch sein. Außerdem haben wir unsere Ressourcen im Bereich Bauen und Planen ermittelt und begonnen, wichtige Projekte umzusetzen. Zum Beispiel haben wir endlich ein Kulturzentrum gebaut, über das davor 30 Jahre lang gestritten wurde. Unsere Kindergärten und Horte bauen wir nachhaltig in Vollholzbauweise. Ganz wichtig ist es mir persönlich aber, nahe an den Bürgern zu bleiben, und das ist, denke ich, auch sehr gut gelungen. In diesem Bereich setzen wir sehr viele Aktivitäten.
Wie halten Sie den Kontakt zu den Menschen in der Stadt?
MAHREs ist sehr wichtig, ins Gespräch zu kommen und keine Scheu vor Kritik zu haben. Wenn man da genau zuhört, kann man sehr viel verbessern. Ich habe zum Beispiel heuer Sandspielzeug persönlich an 612 Familien in der Gemeinde verteilt. Im Lockdown konnte man bei mir Kartenspiel-Sets bestellen, die ich dann persönlich auf dem Rad zugestellt habe. An einem Wochenende sind da über 100 Kilometer zusammengekommen. Einerseits schätzen die Bürger diesen Einsatz sehr, andererseits kommt man bei solchen Gelegenheiten ins Gespräch und ich erfahre, was die Menschen bewegt.
Was macht in Ihren Augen die Gemeinde Marchtrenk aus?
MAHRIch glaube, mittlerweile haben wir einen gewissen Stolz entwickelt. Früher wurden wir im Spott „Parkplatz von Wels“ genannt. Mittlerweile machen wir aber vieles besser als größere Gemeinden, wobei wir die übersichtlichen Strukturen, aber auch das Engagement vieler Initiativen nützen. Es gelingt uns sehr gut, die positiven Entwicklungen der Stadt sichtbar zu gestalten. Aufgrund der attraktiven Lage und der vielen Arbeitsplätze lassen sich sehr viele Menschen in Marchtrenk nieder. Damit der Zusammenhalt in der Gemeinde erhalten bleibt, organisieren wir Straßenfeste und andere Aktionen. Wir versuchen, uns den dörflichen Charakter – dass man einander kennt und wertschätzt – auch mit 15.000 Einwohnern zu erhalten.
Um diesen Zusammenhalt zu fördern, setzt Marchtrenk auch auf ungewöhnliche Maßnahmen.
MAHRJa, wir gehen da gerne neue Wege. Jeder Bürger kann zum Beispiel beantragen, dass an einem bestimmten Ort eine Sitzbank aufgestellt wird. Diese Bänke – mittlerweile 130 – sind dann tatsächlich Treffpunkte für Nachbarschaften, an denen die Menschen miteinander ins Gespräch kommen. Ich bin als Jugendreferent in die Politik gekommen, das prägt mich bis heute. Dort habe ich gelernt, bei der Planung eines Spielplatzes immer die Kinder miteinzubeziehen, ob sie etwa lieber eine Rutsche oder ein Trampolin hätten. Das macht nicht nur kurzfristig Freude, die Kinder schätzen den Spielplatz auch mehr und vermüllen ihn nicht. Durch die Möglichkeit, zu partizipieren, steigt auch der Identifikationsfaktor und die Wertschätzung. Das gilt im Kindergarten genauso wie in der restlichen Gemeinde.
Wo sehen Sie die Stadt Marchtrenk in zehn Jahren?
MAHRIch sehe die Stadt in zehn Jahren – als Pensionist dann – mit einer eigenen Identität, die sie davor nicht hatte. Früher waren wir eine Gemeinde zwischen Linz und Wels, heute sehen wir uns als pulsierende Stadt zwischen Salzburg und Wien. Es werden weitere Arbeitsplätze dazukommen, die im besten Fall mit dem Fahrrad, zu Fuß oder mit alternativen Mobilitätsformen zu erreichen sind. Diese Weichen sind bereits gestellt, kommendes Jahr wird eine der ersten Wasserstofftankstellen Österreichs in Marchtrenk errichtet, auch die Gemeinde steigt auf Elektro- und Wasserstofffahrzeuge um. Nicht zuletzt dank unserem Standortmarketing werden wir eine pulsierende Innenstadt mit Fußgängerzonen und Schanigärten haben. Das bringt zwar mehr Verkehr, aber auch Lebensgefühl in die Stadt. Wir sind schon weit gekommen, aber es muss immer weitergehen. Stillstand hat keine Chance._