Susanne Steckerl mit einem Wort zu beschreiben ist schwierig. Vielseitig trifft’s wahrscheinlich noch am ehesten, schmälert aber trotzdem das breite Spektrum, das die Geschäftsführerin der Agentur für Standort und Wirtschaft zu bieten hat. Nicht nur in dieser Rolle, sondern überhaupt. Wir trafen uns mit der gebürtigen Mühlviertlerin zum Gespräch.
Es hätte alles auch ganz anders für Susanne Steckerl kommen können. Dass der berufliche Weg einmal zur Geschäftsführerin der Agentur für Standort und Wirtschaft in Leonding führt, war nicht absehbar: „Ich vergleiche mein Leben mit meiner Leidenschaft, dem Marathonlauf. Carl Einstein meinte: ‚Man muss das Unmögliche so lange anschauen, bis es eine leichte Angelegenheit wird. Das Wunder ist eine Frage des Trainings.‘ Vom Lehrling in der Buchhaltung über Bildung und Kultur bis in die Wirtschaft war es schon oft ein hartes Training“, sagt die heute 47-Jährige, die auf ihrem Weg immer wieder Menschen begegnet ist, die an ihr Durchhaltevermögen geglaubt haben.
Und das hat Susanne Steckerl erfolgreich aus sich herausgeholt. Die Matura holte sie nach, das Studium ebenso. Im ersten Schritt Lehramt, dann noch Organisationsentwicklung und Changemanagement, und auch der Abschluss in Bildungswissenschaften ging nebenbei mit. Neben Job, Familie und dem Anspruch, für ihren 16-jährigen Sohn da zu sein. Erfahrungen, die sie als junge Führungskraft beim Roten Kreuz, als Vermittlerin in der Kultur, als Pädagogin im Hochschulwesen oder als Gründerin des Kompetenznetzwerks „Funkenflug“ gesammelt hat, machen sie heute zu einer Frau voller Visionen und Möglichkeiten. Und diese nutzt sie für die Aufgabe als Geschäftsführerin der im Frühjahr 2019 gegründeten Agentur für Standort und Wirtschaft in Leonding.
Gegründet wurde die Agentur im Zuge des Visionsprozesses „Leonding 2030“. Was wird es 2030 in Leonding geben, was es heute noch nicht gibt?
STECKERLDas Mobilitätsverhalten und der öffentliche Verkehr werden 2030 ganz starken Einfluss haben, die Leute wollen sich sicher im Alltag bewegen. Die kurzen Wege werden wichtiger. Die geografische Nähe zwischen Arbeitsplatz und Wohnort wird ein Plus. Aufgrund des politischen Schulterschlusses in Leonding wird es meiner Meinung nach auch möglich sein, der Nahmobilität und dem Mobilitäts-Sharing mehr Zuwendung zu schenken. Die „grüne Lunge Leonding“ bleibt erhalten und damit ihre Attraktivität. Die Agentur wird in der Stadt und ihrem Umland Nachhaltigkeitsthemen anregen. Es wird sichtbarer durch die Klima- und Energiemodellregion, die in der Agentur ihre nachhaltigen Projekte umsetzt. Ich sehe in meiner Vision eine „essbare Stadt“, die satt wird, indem öffentlicher Raum zum Pflück-mich und zum Raum der Sinne wird. Dabei baut Leonding die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes mit Plus-Energie-Quartieren aus und wird durch gezielte Stadtplanung noch freundlicher und lebenswerter.
Sie kümmern sich auch um die Positionierung und Vermarktung des Standortes Leonding. Wie nehmen Sie Leonding wahr?
STECKERLDie Stadt Leonding punktet mit der hohen Wirtschaftskraft und ihrem vielfältigen Lebensraum. Die Stadt steht aber vor der Herausforderung der dynamischen Entwicklung. Wir haben in Leonding ein besonders hohes Bevölkerungswachstum, darum ist ein bewusster Umgang mit Flächen in unserer Mittelstadt so wichtig. Mittlerweile leben hier über 30.000 Menschen in einer außergewöhnlichen Diversität. Während im Norden der dörfliche Charakter hervorsticht, gibt es im Süden, rund um die ehemaligen Harter-Plateau-Türme, den höheren Zuzug. In der Stadtentwicklung gilt es nun zu schauen, wie man in Leonding die dörfliche und die städtische Struktur verbinden kann, damit die Lebens- und Arbeitsqualität am Wohnort Leonding erhalten bleibt.
Was zum dörflichen Charakter passt: Leonding ist die einzige Stadt in Österreich mit über 15.000 Einwohnern, die kein Gymnasium hat. Zu Ihrem Aufgabengebiet gehört auch das Thema Bildung. Gibt es hier Pläne?
STECKERLIn der Stadt leben Eltern, denen die schulische und soziale Entwicklung ihrer Kinder wichtig ist. Sie wollen das Beste für ihr Kind. Es gibt wirklich sehr gute Mittelschulen in Leonding, trotzdem bevorzugen viele Eltern einen anderen Bildungsweg, wie Gymnasium oder Privatschule, für den Nachwuchs. Fast 60 Prozent der Volksschüler gehen nach der vierten Klasse in umliegende Schulen, die außerhalb Leondings liegen. Das ist für die Stadt ein trauriges Bild, weil dadurch auch ein Teil der Stadtidentität verloren geht, wenn die jungen Leondinger ihren beruflichen Werdegang nicht in Leonding absolvieren, sondern abwandern. Das ist der Grund, warum wir uns bei der Bildungsdirektion um einen Schulstandort eines Gymnasiums beworben haben. Die Entscheidung ist bisher noch nicht gefallen.
Und geht hoffentlich positiv aus?
STECKERLWir haben gute Vorarbeit geleistet. Die Schülerstromanalysen zeigen, dass ein Gymnasium dringend für die gesamte Region Linz-Land notwendig ist. Die bestehende HTL ist ein wichtiger Bildungsträger, mit dem wir die guten Synergien teilen wollen, um das Gymnasium in einer neuen Schulform aufstellen zu können.
Die neue Schule soll neben den wichtigen MINT-Anforderungen vor allem aber die Empathiefähigkeit der Kinder stärken und Neugierde auf Bildung wecken. Wie soll das gelingen?
STECKERLJe hochtechnologisierter unsere Gesellschaft wird, umso mehr verlieren wir an Em-pathiefähigkeit. Darum müssen wir bei der Entwicklung unserer Kinder besonders sorgsam und behutsam umgehen. Um uns mit dem Thema Bildung breit aufzustellen, hatten wir schon Expertenrunden mit JKU-Rektor Meinhard Lukas, Genetiker Markus Hengstschläger oder Gründer Florian Gschwandtner. Gerade durch die digitale Transformation kommt es zu Schwachstellen in der Persönlichkeitsentwicklung der Kinder, deshalb braucht es mehr Begegnung und Berührung, auch im Sinne von handwerklichem Tun. Lernen mit Hirn, Herz und Hand wird in der Schule ein zentrales Thema sein. Letztendlich ist die schulische Entwicklung ja viel mehr, als nur Mädchen für die Technik zu begeistern. Mathematik und Technik sollen über praxisnahe Projekte spielerisch gemeinsam erlernt werden. Lust auf Lernen kann nur über neue Narrative geweckt werden, wenn Kinder gemeinsam und nicht als Einzelkämpfer Ziele erreichen. Den Ruf unserer Gesellschaft nach Singularität wollen wir in unserem Bildungsauftrag nicht verstärken. Dann könnte sich die gesellschaftliche Frage, warum so wenig Mädchen für die Technik zu begeistern sind, ein Stück weit auflösen._
Lust auf Lernen kann nur über neue Narrative geweckt werden.
Susanne Steckerl
Geschäftsführerin bei der Agentur für Standort und Wirtschaft Leonding
# Nachgefragt
Mein größtes Talent_ ist, Menschen zu verbinden.
Das würde ich gerne wirklich gut können_ Die Liebe zu den Zahlen würde ich gerne verstärken.
Dieses Feuer brennt in mir_ Die unbändige Leidenschaft des Entdeckens.
Visionen sind für mich_ so wie die österreichische Philosophin Lisz Hirn meint: „Noch schöner als Visionen zu haben ist, sie zu verwirklichen.“.
Kraft tanke ich_ in der Natur, auf den Bergen, beim Yoga. Aber in erster Linie mit meinen Liebsten und Freunden.