Mit Blick auf das Gesundheits- und Pensionssystem wird die Generation 60+ oft als Kostentreiber für den öffentlichen Finanzhaushalt gesehen. „Diese Sicht zeigt aber ein sehr verzerrtes Bild der Senioren“, sagt Josef Pühringer, Landesobmann des OÖ Seniorenbundes. „Denn die über 60-Jährigen sind ein bedeutender Wirtschaftsfaktor. Und der demografische Wandel hin zu einer alternden Gesellschaft ist eine große Chance für innovative Unternehmen.“
8.858.775 Menschen lebten im Jahr 2019 in Österreich. 2.211.800 Personen davon waren zum Stichtag älter als 60 Jahre. Oder anders ausgedrückt: Ein Viertel der in Österreich lebenden Menschen sind Senioren. Und ja, rein volkswirtschaftlich betrachtet: Das ist ein Kostenfaktor. 56,2 Milliarden Euro wurden im Jahr 2019 an Pensionsleistungen erbracht – das entspricht rund 14 Prozent des österreichischen Bruttoinlandprodukts.
Die Veränderung der Altersstruktur wird die Gesellschaft in den nächsten Jahren vor einige Herausforderungen stellen. „Mittlerweile leben in Österreich mehr Senioren über 65 Jahre als Kinder und junge Erwachsene unter 20 Jahren“, sagt der Landesobmann des OÖ Seniorenbundes, Josef Pühringer. Nicht nur die nachhaltige Finanzierung des Pensionssystems, auch die Sicherung des Gesundheits- und Pflegesystems wird kommende Politikergenerationen beschäftigen. Bis zum Jahr 2050 sollen sich die Kosten in den Bereichen Gesundheit, Pflege und Pensionen von aktuell 22,9 auf 26,5 Prozent des Bruttoinlandprodukts erhöhen.
Nur die halbe Wahrheit
Dass Senioren ein Kostentreiber im öffentlichen Finanzhaushalt sind, ist daher nicht falsch – und dennoch nicht ganz richtig. „Die große Mehrheit der Senioren belagert nicht die Wartezimmer der Ärzte. Sie sitzen auch nicht den ganzen Tag am Seeufer und füttern Enten. Sondern die Mehrheit der Senioren ist eine aktive, mobile und wirtschaftlich starke Gruppe“, betont Pühringer. Um diesen wirtschaftlichen Faktor zu verdeutlichen, hat der OÖ Seniorenbund eine Studie an der Johannes Kepler Universität in Linz in Auftrag gegeben. „Eine Sichtweise, die lediglich die Ausgaben und Kosten in den Mittelpunkt stellt, ist nicht angebracht. Stattdessen sollte man sich den Kopf darüber zerbrechen, wie das vorhandene Potential voll ausgeschöpft werden kann“, so der Landesobmann.
Bewusste Konsumenten mit hoher Kaufkraft
Doch wie groß ist dieses Potential überhaupt? „Besonders deutlich wird die Bedeutung der Senioren bei den monatlichen Haushaltsausgaben. Keine Altersgruppe gibt monatlich mehr Geld aus als die 65- bis 69-Jährigen – gefolgt von den 60- bis 64-Jährigen“, erklärt Wirtschaftsexperte Friedrich Schneider, der die Studie gemeinsam mit Elisabeth Dreer vom Forschungsinstitut für Bankwesen der Johannes Kepler Universität durchgeführt hat. „Pro Haushalt geben die 65- bis 69-Jährigen 2.210 Euro aus“, so Schneider. Im Vergleich dazu liegen die Ausgaben der 35- bis 39-Jährigen bei 1.840 Euro monatlich und die der unter 25-Jährigen bei 1.650 Euro. „Die Generation 60+ erzeugt ein Bruttoinlandprodukt von 56 Milliarden Euro. Das sichert rund 407.000 Vollzeitarbeitsplätze in Österreich und macht die Senioren zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor!“
Und der demografische Wandel wird die wirtschaftliche Bedeutung der Senioren weiter verstärken: „Das Nachrücken der jüngeren Generationen in die Altersgruppe der über 60-Jährigen eröffnet völlig neue Chancen für innovative Unternehmen. Die kommenden Generationen wurden anders sozialisiert als die heutigen Senioren. Darüber hinaus ist ihre Kaufkraft noch stärker“, so Pühringer. Vor allem die hohe Reisefreudigkeit der Jungsenioren, das steigende Konsum- und Gesundheitsbewusstsein sowie das höhere Anspruchsniveau an die Lebensqualität bieten zahlreiche Möglichkeiten für die heimische Wirtschaft. „Ganz neue Berufe und Geschäftsfelder können entstehen“, unterstreicht der Landesobmann. „Wenn die IT-Industrie die Generation Ü-60 stärker als Zielgruppe erkennt, kann sie enorm davon profitieren. Denn auch die Senioren müssen IT-fit gemacht werden und digital immer up to date sein, um am gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können. Hier gibt es noch viel ungenutztes Potential.“ Außerdem werden die jungen Senioren immer gesundheitsbewusster: „Nordic Walking, Rad fahren oder wandern – die ‚jungen Alten‘ sind aktiv! Beim gesunden Leben entwickelt sich gerade ein Markt, der zum Wirtschaftswunder werden kann, wenn man ihn nur richtig bedient“, ist Pühringer überzeugt. „Ein Paradebeispiel ist der E-Bike-Handel, der gerade boomt. Einen großen Anteil daran haben die Senioren. Es gibt viele Wirtschaftsfelder, die mit der Vergrößerung der Generation 60+ enorm wachsen können. Diese Chancen müssen genutzt werden!“
Engagement für die Gesellschaft
Die Senioren sind aber nicht nur zahlungskräftige und bewusste Konsumenten, sie übernehmen auch Verantwortung im Ehrenamt – und das bringt Wertschöpfung. „In der Altersgruppe der 60- bis 69-Jährigen sind vier von zehn Senioren in einer gemeinnützigen Organisation tätig. Dieser ehrenamtliche Einsatz ist ein wesentlicher Pfeiler unserer Gesellschaft“, sagt Studienautor Friedrich Schneider. „Auch in der Pflege sind die Senioren unersetzbar. Zwei Drittel der pflegenden Angehörigen in der Familie sind zwischen 60 und 75 Jahren. Mehr als 600 Millionen Stunden an unbezahlter Pflegearbeit leisten die älteren Menschen jährlich. Das entspricht einem Gegenwert von 6,1 Milliarden Euro“, ergänzt Pühringer. „Es sind also nicht die Jungen, die die Alten pflegen. Vielmehr sind es die jungen Alten, die die Hochbetagten pflegen. Es ist höchst an der Zeit, das Bild der Senioren zurechtzurücken! Die Politik muss endlich erkennen, dass die Generation 60+ kein Kostentreiber ist, sondern eine entscheidende Größe – sowohl gesellschaftlich als auch wirtschaftlich.“ Landesgeschäftsführer Franz Ebner ergänzt: „Mit diesen Ergebnissen möchten wir das Bewusstsein schärfen, dass Senioren aktiv zu einer funktionierenden Gesellschaft beitragen.“_
Wir möchten das Bewusstsein schärfen, dass Senioren aktiv zu einer funktionierenden Gesellschaft beitragen.
Franz Ebner
Landesgeschäftsführer, OÖ Seniorenbund
Es gibt viele Wirtschaftsfelder, die mit der Vergrößerung der Generation 60+ enorm wachsen können.
Josef Pühringer
Landesobmann, OÖ Seniorenbund
Der OÖ Seniorenbund in Zahlen
76.000 Mitglieder
16 Millionen Euro Jahresbudget
13 Mitarbeiter und rund 11.000 ehrenamtliche Funktionäre
73 Millionen Euro Marktwert generierte der OÖ Seniorenbund im Jahr 2019, von dem rund 53 Millionen Euro im Inland wertschöpfungswirksam wurden.
9 Millionen Euro fließen durch die Aktivitäten des OÖ Seniorenbundes jährlich in die heimische Wirtschaft.