Das Jahr 2021 erlebte den wärmsten Sommer seit Anbeginn der Aufzeichnungen. Es war geprägt von einem weltweit grassierenden Virus und gipfelte in Oberösterreich in einer Landtagswahl, deren Resultat von der Pandemie mitbestimmt war. Die ersten Sitzungen zeigen noch Entwicklungspotenzial nach oben, was die Zusammenarbeit der Akteur:innen betrifft.
Wie kann es dem neuen Landtag gelingen, zum Wohle der Bevölkerung an einem Strang zu ziehen?
MAX HIEGELSBERGERIndem ich mein Gegenüber nicht als Gegnerin oder Gegner sehe, sondern als Gesprächspartnerin beziehungsweise als Gesprächspartner. Dann kann sich eine wirklich gute Basis für die Zusammenarbeit entwickeln. Es hat auch nichts mit Schwäche zu tun, wenn man andere Meinungen gelten lässt. Hier sehe ich meine Aufgabe als Präsident darin, für den nötigen Ausgleich zwischen den Parteien zu sorgen.
CHRISTIAN DÖRFELEs gibt jetzt im Landtag mehr Meinungen und Angriffsflächen. Es wird mehr diskutiert und das ist gut so. Manche müssen ihre Position noch finden, das merkt man auch. Doch ein Erfolgsbeispiel haben wir schon zu Beginn. Alle Mitglieder des Landtags stimmten einhellig gegen die Aufwertung der Atomkraft seitens der EU. Das ist ein guter Anfang.
Seit 2020 beeinflusst die Coronapandemie die Themen unserer Zeit und sie hat auch im gesellschaftlichen Zusammenleben ihre Spuren hinterlassen. Welche Lehren sollten wir aus dieser Krise ziehen?
MAX HIEGELSBERGERGanz stark aufgebrochen ist das Rechte-und-Pflichten-Thema. Und wie damit umgegangen wird. Vom Demonstrationsrecht etwa wurde stark Gebrauch gemacht, doch jene Mitmenschen, die einfach ihr Leben führen wollen, die Straßen benutzen wollen, um etwa von der Arbeit heimzufahren – die haben auch ihre Rechte. Auch die Kinder in Betreuungseinrichtungen, das Pflegepersonal in Krankenhäusern, jeder Mensch in diesem Land hat das Recht darauf, sich sicher und wohl zu fühlen. Hier müssen wir darauf schauen, dass es Toleranz auf beiden Seiten gibt. Wir alle haben Rechte und Pflichten! Das ist ein wesentlicher Teil der Demokratie.
CHRISTIAN DÖRFELCorona ist im Grunde ein Feldversuch für uns alle. Eines ist klar, es wird immer kontroversielle Themen geben. Das nächste ist der Klimawandel. Auch dieser betrifft alle Menschen. Wir dürfen noch einiges an unserem Zusammenleben verbessern, denn natürlich ist es wichtig, auf sich zu schauen, doch die Solidarität mit den Mitmenschen und deren Wohl gehört auch dazu. Diese Erkenntnis, dass es beides braucht, war in dieser Schärfe noch nie da.
Welche brennenden Themen auf Ihrer Aufgabenliste benötigen diesen neuen Zusammenhalt besonders?
MAX HIEGELSBERGERWir leben in der größten Transformation seit der Erfindung der Dampfmaschine, möchte ich fast sagen. Der Klimawandel, die Dekarbonisierung sowie der Strukturwandel – das sind die Themenfelder, die wir bestmöglich bewältigen und gestalten müssen. Und die werden ohne Solidarität nicht gelingen.
CHRISTIAN DÖRFELDiese Themen wirken auch in Oberösterreich. Man denke nur an die Beziehung zwischen Stadt und Land. Die Stadt erstickt im Verkehr. Gibt es mehr Arbeitsplätze auf dem Land, wird die Stadt entlastet. Gleichzeitig braucht die Stadt das Land als Erholungsraum und Lebensmittelproduzenten. Hier muss sich noch einiges für ein zukunftsfähiges Miteinander verändern, das uns und unserer Jugend überall gute Lebensperspektiven bietet.
Jede Veränderung lebt von den Menschen, die aktiv mitgestalten wollen und sich nicht in die eigenen vier Wände zurückziehen, was gerade in unsicheren Zeiten vermehrt passiert. Was braucht es, um bei der Bevölkerung dieses Feuer der Begeisterung neu zu entfachen? Was kann die Politik dafür tun?
MAX HIEGELSBERGERWir werden verstärkt die persönliche Teilhabe einfacher machen. Die Entscheidungen im Landtag sollen nachvollziehbar sein – sie sind nichts Abgehobenes fernab der Realität. Und wir wollen schon die Jugend für das Mitmachen begeistern. Dazu bieten wir spezielle Angebote im Landtag an.
CHRISTIAN DÖRFELDa sehe ich zwei Auslöser, die wirken. Die Politik muss erstens gute Anreize für die Gemeinden bieten, damit diese ihre zukunftsfitte Veränderung in die Hand nehmen. In meinem Bereich arbeite ich verstärkt an Angeboten für eine moderne Landgemeinde. Von Förderungen für die Ortsbelebung über Prämien für die Entsiegelung und das Fördern von nachhaltigen Projekten bis zur Schaffung von Büroräumen für Homeoffice-Plätze, um nur einige zu nennen. Hier können sich engagierte Gemeinden schon einiges abholen. Und zweitens braucht es auf persönlicher Ebene einen „Switch“, es braucht ein prägendes Erlebnis. Man beginnt, in der Gemeinde mitzuarbeiten, zum Beispiel bei Dorferneuerungsprozessen. Auf einmal trifft man auf Personen, die auch etwas verändern wollen – aber anders! Das ist das erste Aha-Erlebnis. Das zweite Aha-Erlebnis ist, dass trotz der Unterschiedlichkeit etwas Gutes herauskommt, mit dem alle leben können. Wenn man diesen „Switch“ erlebt, hat man Feuer gefangen.
Wie sind Sie zur Politik gekommen? Vom Wunsch nach Verbesserung zur Begeisterung?
MAX HIEGELSBERGERJa, dem kann ich voll zustimmen. So hat es bei mir vor vielen Jahren angefangen. Meine Erfahrungen als Bürgermeister und Landesrat nehme ich in meine neue Position mit.
CHRISTIAN DÖRFELEs besser zu machen für die Menschen. Dieser Antrieb hat sich für mich als Privatperson, als Bürgermeister und auch im Landtag bis heute nicht verändert._
Meine Gemeinde mitgestalten – fünf Zutaten des Gelingens
#1 Analyse: Was möchte ich in meinem Ort anders haben? Ideen finden.
#2Einen Mittelweg anstreben, statt die eigene Meinung „durchdrücken“ zu wollen
#3 Geduldig sein und langfristig denken
#4 Bereit sein, auf einen Teil der Freizeit zu verzichten
#5 Die kleinen und großen Erfolge feiern