In allen Standortrankings sinkt Österreich derzeit ab.Wie hoch ist der Handlungsbedarf der Bundespolitik? Wie
wird sich die Lage in den kommenden Monaten verändern? Dazu und zu anderen wichtigen wirtschaftspolitischen Zukunftsthemen haben wir gemeinsam mit dem Beratungsunternehmen Ramsauer & Stürmer 45 Experten befragt. Sie sind Topmanager oder Unternehmer, vorwiegend in sehr großen und internationalen heimischen Unternehmen tätig und sie sprechen eine klare Sprache.
Die Frage zur Lage
Die Agenda Austria ist der erste von Staat, Parteien, Kammern und Interessensverbänden unabhängige Thinktank Österreichs, mit dem Ziel, Österreich in wirtschaftlichen Belangen zu öffnen und Antworten auf die großen Herausforderungen zu liefern. Wir haben ihren Direktor, Franz Schellhorn, mit den Ergebnissen des Trendbarometers konfrontiert.
Nahezu alle Befragten sehen eine relativ hohe Handlungsnotwendigkeit der Bundespolitik im Bezug auf die Konjunktur und die Wirtschaftsfreundlichkeit der regulatorischen Rahmenbedingungen. Überraschen Sie diese deutlichen Ergebnisse?
Nein, die überraschen mich ganz und gar nicht. Der Wirtschaftsstandort fällt seit vielen Jahren zurück, Österreich hat viel von seinem Vorsprung eingebüßt. Besonders auffällig ist, dass unser Produktivitätsvorsprung abgeschmolzen ist. Das Wirtschaftswachstum ist nach einer Phase expansiver Staatsausgaben zum Erliegen gekommen. Dennoch steigen die Staatseinnahmen rasant, was nichts daran ändert, dass der Bundeshaushalt auch heuer wieder im Defizit abschließen wird.
Welche Schritte sollte die Bundespolitik setzen, um die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Österreich zu verbessern, welche regulatorischen Rahmenbedingungen sollten geändert werden? Welche Reformen könnten wirklich greifen und für Veränderungen sorgen?
Mittlerweile ist es schon so, dass jede Reform greifen würde. Egal welche. Weil das Angehen einer Reform zeigt, dass die Regierung ein Problem erkennt und das auch bereit ist, zu lösen. Das hebt die Stimmung. Betätigungsfelder gibt es genug. Am dringlichsten ist aus Sicht der Agenda Austria die Konsolidierung des Haushalts. Österreich sollte es so machen wie Deutschland, das seinen Staatshaushalt über gekürzte Ausgaben sanierte. Zudem sollte das Pensionsalter an die steigende Lebenserwartung angepasst werden. Und drittens braucht es im staatlichen Bildungswesen mehr Wettbewerb. In den egalitären Niederlanden folgt das öffentliche Geld den Kindern, deren Eltern zwischen privaten und öffentlichen Schulen wählen können. Das wäre auch für Österreich ein Modell.
Die Entwicklung der Wirtschaftsfreundlichkeit der regulatorischen Rahmenbedingungen wird ebenfalls sehr negativ gesehen – nur 3 Prozent schätzen sie positiv ein. Warum ist das Vertrauen in die Bundespolitik dermaßen gering?
Das liegt daran, dass mittlerweile viel zu viel reguliert wird. Zu Beginn immer mit gutem Grund, jede einzelne Regulierung wirkt anfangs auch nur wie ein seidener Faden. Mittlerweile haben sich die seidenen Fäden aber zu einem dicken Strick entwickelt. Dieses Land besteht ja vor allem aus Arbeitnehmerschutzbestimmungen und staatlichen Regulierungen.
Trotz der wirtschaftlichen Probleme und der derzeitigen Asyldebatte sehen 98 Prozent der Befragten die Lebensqualität in Österreich positiv oder sehr positiv, gleichzeitig glauben nur wenige an eine negative Entwicklung in dem Bereich. Warum?
Weil die Republik Österreich die negativen Folgen seines schlechten Wirtschaftens mit immer höheren Schulden abdeckt, die günstig zu haben sind. Deshalb spüren die Menschen die Folgen der standortfeindlichen Politik mehrheitlich nicht. All jene, die den Arbeitsplatz verlieren oder keinen neuen finden können, werden die Lebensqualität aber nicht so hoch einschätzen. Die fragt nur kaum jemand.