Stefanie Schauer kommt von allen Gründer:innen als Erstes bei unserem Fotoshooting- und Interviewtermin im Designstudio Kühberger & Haas in Steyr an – in einem VW-Bus mit Offisy-Branding und überpünktlich. Die kurze Wartezeit zwischen Interview und Shooting nutzt sie für E-Mails und Telefonate mit Kund:innen. Es ist sofort spürbar, dass man es hier mit einer Person zu tun hat, die durch und durch Unternehmerin ist. „Selbstständigkeit bedeutet für mich, dass ich meinen Traum jeden Tag aufs Neue leben kann“, sagt Schauer, „für mich gibt es nichts Cooleres, als die eigenen Ideen umzusetzen und für Herausforderungen Lösungen zu finden.“
Das erste „Unternehmen“ mit sechs Jahren
Schon seit ihrer frühesten Kindheit ist für Stefanie Schauer, die in einer Unternehmerfamilie aufwächst, klar, dass sie einmal gründen will. Ihre Eltern sind damals im Textilgroßhandel. In Freundschaftsbüchern beantwortet sie die Frage nach dem Berufswunsch mit „Schefin“, später mit „Unternehmerin“. Und tatsächlich beginnt sie schon mit sechs Jahren, erstmals unternehmerisch tätig zu werden. „Ich habe Blumen und Steine verkauft, später war ich mit meiner Schwester gemeinsam total oft auf Flohmärkten, um altes Gewand oder Spielzeug zu Geld zu machen“, erinnert sie sich.
Die logische Studienwahl: Wirtschaftswissenschaften mit einer Spezialisierung auf Gründen an der JKU. Komplett selbstständig wird sie aber erst einige Jahre später. „Ich habe nach dem Studium zuerst in einer Bank gearbeitet und dann mitgeholfen, ein Jobportal aufzubauen“, sagt die 39-Jährige, „nebenbei habe ich eine Werbeagentur gegründet.“ Von dort stammt auch die Idee für ihr heutiges Unternehmen, Offisy – sie merkt, dass viele Kund:innen im medizinischen Dienstleistungsbereich Bedarf an einem Onlinetool zur Praxisorganisation haben. An den Moment, in dem der Entschluss zur Gründung fiel, erinnert sich Schauer noch genau. „Es war einer der ersten Frühlingstage 2014, kurz vor meinem 30. Geburtstag, ich bin frühmorgens durch Sonnenstrahlen geweckt worden und fühlte mich, als wäre ich gerade aus einem Winterschlaf erwacht“, sagt sie. Ihr wird klar: Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, um selbstständig zu werden. Kurz darauf beendet sie ihr Angestelltenverhältnis und gründet Offisy. „Wenn ich mir etwas in den Kopf setze, wird es voll durchgezogen“, sagt sie.
Als eines der ersten Startups entwickelt Offisy eine Software, die sich auf Online-Terminbuchungen konzentriert – vorerst für Masseur:innen, später für Arztpraxen. Schauer findet zwei Co-Founder, einer davon ist FH-Hagenberg-Absolvent und Programmierer, er bringt auch den ersten Mitarbeiter mit, der ebenfalls IT-Experte ist. Zwei Jahre dauert es, bis die Software marktreif ist, dann beginnt Schauer mit der Kaltakquise der Kund:innen. „Ich habe das Telefonbuch aufgeschlagen und potentielle Kund:innen angerufen“, erinnert sie sich. Nach dem achten Telefonat gelingt ihr der erste Geschäftsabschluss. „Da habe ich mir gedacht, lässig, wenn das so weitergeht, dann habe ich nach 100 Telefonaten schon zehn Kund:innen“, sagt sie. Tatsächlich wird die Suche in der Anfangszeit aber deutlich beschwerlicher – erst nach 120 weiteren Anrufen kann sie den nächsten Betrieb überzeugen.
Plötzlich alleine
Gerade als die ersten Kund:innen gewonnen werden und das Produkt am Markt ist, kommt es zu einem gewaltigen Rückschlag. Zuerst verlässt der technische Co-Founder das Unternehmen. Schauer: „Für mich war das ein riesiger Schockmoment, weil der technische IT-Hintergrund logischerweise ein wichtiger Bestandteil eines Softwareunternehmens ist.“ Auch die zweite Co-Founderin geht wenig später. Schauer verliert ihre beiden Mitgründer:innen zu einem Zeitpunkt, als das Unternehmen noch von Förderungen und Geld abhängig ist, das sie aus der Werbeagentur zieht. „Ich habe mich schon gefragt, wie das alles weiter funktionieren kann“, erinnert sie sich. Doch Schauer lässt sich nicht unterkriegen. „Ich habe als Kind bei meinen Eltern zwei Konkurse miterlebt, ich weiß, dass man wieder aufstehen kann, wenn man fällt – und nicht aufgeben darf“, sagt sie. Auch ihr Mann ist ein wichtiger Rückhalt. „Er hat mir ziemliche Sicherheit gegeben, ich bin seit 15 Jahren mit ihm zusammen. Er hat erkannt, dass ich als Unternehmerin glücklich bin“, sagt sie. Die Gründerin sucht das Gespräch mit ihrem ersten
Mitarbeiter, den der Co-Founder angeworben hatte, und will wissen, ob er sich zutraut, die Reise der technischen Entwicklung vorerst alleine weiterzugehen. „Zum Glück hat er mir versichert, dass er sich das zutraut und voll hinter dem Unternehmen steht“, erzählt sie. Er ist bis heute im Unternehmen – die Gründerin bezeichnet ihn als den zweitwichtigsten Mann in ihrem Leben. „Wir haben eine lange Vertrauensbasis, mit ihm sollte ich es mir lieber nicht verscherzen“, sagt Schauer und lacht. Der Gründerin gelingt es, Offisy am Markt zu etablieren. „Ich habe mich phasenweise gefragt, wie ich im nächsten Monat die Mitarbeitergehälter zahlen soll, aber das hat schnell aufgehört – weil ich gemerkt habe, dass regelmäßig neue Aufträge hereinkommen.“
Von Masseur:innen zu Privatkrankenhäusern
Heute ist Offisy längst erfolgreich, das Unternehmen mit Sitz in Leonding verwaltet die Software von Arztpraxen, Ordinationen und Masseur:innen im ganzen Land und hat mittlerweile mehr als 5.000 Kund:innen. Das jährliche Wachstum des Betriebs beträgt in etwa zehn Prozent. Das System, das zuerst für Ein-Personen-Massagebetriebe ausgelegt war, wurde so lange verbessert, dass es mittlerweile auch für Privatkrankenhäuser einsetzbar ist. Im Gegensatz zum Mitbewerb bietet die Software Kooperationsmöglichkeiten, mit denen sich mehrere Praxen zusammenschließen können, um dann etwa von gemeinsamen Assistent:innen verwaltet zu werden. Eine weitere Stärke sei der sehr persönliche Umgang mit Kund:innen, der für die IT-Branche eher unüblich ist. „Wir kümmern uns, soweit es die Entfernung zulässt, um persönliche Einschulungstermine und beraten gerne.“
Die langfristigen Ziele der Unternehmerin sind ambitioniert: „Wenn das Thema Ordinationseröffnung oder Praxisgründung im Raum steht, soll immer der Name Offisy fallen“, sagt Schauer. Man wolle den organisatorischen Aufwand der Kund:innen weiterhin vereinfachen, damit diese ihrer Passion nachgehen können – der Behandlung. Ihre eigene Passion, das Gründen, kann Schauer auch anderen nur nahelegen. „Wenn du eine Idee hast und daran glaubst, dann tu es einfach“, sagt sie._