Page 51 - KarriereMACHER_Herbst 2021
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Gastronom Lukas Nagl über
strukturelle Probleme bei
der Lehrlingsausbildung.
Viele Ausgelernte
bleiben nicht im Beruf,
weil sie merken, dass
ihre Ausbildung für die
Arbeit als vollwertiger
Koch nicht reicht.
ARBEITEN IN DER Traunseehotels
Lukas Nagl
Gastronom,
GASTRO – TRAUM
ODER ALBTRAUM?
Waren Fachkräfte in der Gastronomie schon früher schwierig zu finden, scheint es momentan
ein Ding der Unmöglichkeit zu sein. Die Schuld daran geben viele den schwierigen
Arbeitsbedingungen in der Branche. Wir sprechen mit Lukas Nagl vom Restaurant Bootshaus
darüber, ob die moderne Gastronomie dieses schlechte Image verdient hat.
Nach der Krise ist in der Krise, könnte das Motto schung der Wirtschaft haben schon 2019 30 Pro-
in der Gastronomie lauten. Nach dem vergange- zent all jener, die eine Lehre in der Branche been-
nen Jahr wären viele Betriebe jetzt wieder bereit, det haben, keine Lehrabschlussprüfung abgelegt.
durchzustarten. Das Problem: Mitarbeiter sind „Viele Ausgelernte bleiben nicht im Beruf, weil
kaum zu nden. Kritiker geben den schlechten sie merken, dass ihre Ausbildung für die Arbeit als
Arbeitsbedingungen in der Branche die Schuld. vollwertiger Koch nicht reicht“, so Nagl.
„Ich selbst habe nicht die klassische Lehre ge-
macht, sondern an der Tourismusschule in Bad UNTERSCHIEDE ZWISCHEN
Ischl maturiert. Welche Probleme es im Arbeits- DEN BETRIEBEN
alltag gibt, habe ich erst später mitbekommen“,
erzählt Lukas Nagl. Der 33-Jährige leitet die Gas- Das sei aber nicht in allen Betrieben der Fall. „Ich
tronomie der Traunseehotels und steht selbst in der und viele meiner Kollegen bemühen sich sehr“, so
Küche des Vier-Hauben-Restaurants Bootshaus. Nagl. Außerdem müsse das Niveau in der Lehr-
lingsausbildung gehoben werden. „Es müssten
Davor sammelte er als Jungkoch in Toprestau- Pro s mit an den Tisch geholt werden, die ein
rants im In- und Ausland Erfahrungen – und realistisches Bild der Situation in der Branche
kann die Klagen über schwierige Bedingungen einbringen.“
verstehen. „Da habe ich schon einiges erlebt. Na-
türlich ist eine Küche stressig – da muss man sich Manche Betriebe bräuchten mehr Unterstützung
unterordnen können. Aber das geht auch ohne bei der Lehrlingsausbildung. Nagl schlägt zum
herumzuschreien“, so Nagl. Beispiel Austauschprogramme nach dem Vorbild
des Erasmusprogramms für Studierende vor –
STOLPERSTEIN LEHRE die Lehrlinge sollen in anderen Betrieben im
In- und Ausland Erfahrung sammeln. Und wie
Auch die Lehrlingsausbildung an sich sei ein Pro- erkennen Bewerber und angehende Lehrlinge
blem. „In vielen Betrieben müssen die Lehrlinge einen guten Arbeitsplatz? „Ich würde zu einem
alleine arbeiten – sie werden an eine Station in Probearbeitstag raten“, so Nagl. „Da ist schon die
der Küche gestellt und sich selbst überlassen. Sie Frage, ob das überhaupt möglich ist – daran lässt
müssten aber mit Pro s lernen.“ In vielen Kü- sich erkennen, ob sich jemand Gedanken über
chen fehle es an pädagogischer Kompetenz: „Die die Unternehmenskultur gemacht hat, und man
Lehrlinge sind am Anfang vierzehn oder fünfzehn bekommt einen ersten Einblick. Letztlich geht
Jahre alt. Das sind junge Menschen, denen man es in der Gastrobranche nämlich um dasselbe
diesen Beruf schmackhaft machen oder eben ver- wie in allen anderen Bereichen: Dass innerhalb
sauen kann.“ Diese Verhältnisse könnten auch des Betriebs die richtigen Strukturen vorhanden
die vielen Lehrabbrecher erklären. Laut einem sind, damit die Mitarbeiter sich wohl fühlen Text Valentin Bayer
Forschungsbericht des Instituts für Bildungsfor- können.“_ Foto Lukas Kirchgasser
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