Page 78 - DIE MACHER_Sommer 2022_Druck_converted
P. 78

„Bitte fischt im



      ganzen Teich der


      Arbeitssuchenden“






          34.000 offene Stellen und 24.000 Arbeitslose. „Diese Situation gab‘s noch nie“, sagt
          AMS-Oberösterreich-Geschäftsführer Gerhard Straßer über die aktuelle Lage des
          oberösterreichischen Arbeitsmarktes. Was bedeutet das nun für den ohnehin schon großen
          Wettbewerb um Arbeitskräfte, was genau erwarten sich Arbeitssuchende eigentlich und
          wohin entwickelt sich der Arbeitsmarkt in dieser weltpolitisch unsicheren Lage?

                           3,6 Prozent – mit dieser Arbeitslosenquote   ist jeder Betrieb gefordert, dass er irgendwie das Per-
                           verfügt Oberösterreich per Definition      sonal bekommt, das er sucht, und überlegt sich be-
                           aktuell über Vollbeschäftigung. Sie        sonders gute Arbeitszeiten, gute Lohn- und Wohn-
                           können sich also zurücklehnen, oder?       möglichkeiten und dergleichen. Der  Wettbewerb
                           Gerhard Straßer: Wir haben auf jeden Fall die Situ-  geht ja über die Bundesländer- und auch über die
                           ation, dass wir in Oberösterreich die beste Arbeits-  Staatsgrenzen hinweg. Wenn ich jetzt nach Tsche-
                           losenquote aller Bundesländer haben und das ist   chien, Ungarn und Slowenien schaue: Die haben
                           schon etwas Besonderes. Das liegt zum einen daran,   niedrigere Arbeitslosenquoten als wir in gesamt Ös-
                           dass wir die stabile Industrie haben, und zum an-  terreich. Das heißt, dort gibt es nicht mehr viel zu
                           deren, dass wir eine ganz breite Wirtschaftsaufstel-  fischen. Der Wettbewerb unter den Regionen spielt
                           lung haben – dieser Branchenmix hilft uns natürlich   eine ganz große Rolle und setzt sich über die soge-
                           auch dabei, durch Krisenzeiten möglichst unbescha-  nannte Rot-Weiß-Rot-Karte, die gerade thematisiert
                           det durchzumarschieren. Dass wir 24.000 Arbeits-  wird, weiter fort, weil es dadurch leichter möglich
                           lose 34.000 offene Stellen anbieten können, ist auf   sein soll, Arbeitskräfte auch von außerhalb der EU
                           den ersten Blick nur erfreulich …          nach Österreich zu holen. Aber da sind wir nicht die
                                                                      Einzigen, die fischen.
                           Und auf den zweiten Blick?
                           Gerhard Straßer: Auf den zweiten Blick wird na-  Was genau erwarten sich denn die
                           türlich klar, dass der Wettbewerb um Arbeitskräf-  Arbeitssuchenden von einem Job,
                           te voll am Laufen ist. Die Betriebe konkurrieren   damit sie möglichst auch längerfristig
                           untereinander sehr intensiv, wir haben aber auch   glücklich damit sind?
                           den  Wettbewerb unter den Branchen. Das heißt,   Gerhard Straßer: Da hat sich in der letzten Zeit sehr
        Text  Susanna Winkelhofer  Niedriglohnbranchen und Branchen mit schlechten   viel verändert! War früher das Gehalt das Um und
                           Arbeitsbedingungen haben da einen Nachteil. Hin-  Auf, sind nun ganz andere Faktoren wichtig – etwa
        Foto  Volker Weihbold
         Illu  Gettyimages  zu kommt der Wettbewerb unter den Regionen. Da   flexible Arbeitszeiten, 30-Stunden-Woche, Homeof-

                           78
   73   74   75   76   77   78   79   80   81   82   83