Hätte sich ein anderer Architekt durchgesetzt, wäre 2003 in Asten ein Gebäude in der Form eines Brotkörbchens oder gar eines Kornspitzes errichtet worden. Nun steht hier aber ein hochmoderner Glaskomplex mit dem passenden Namen „Haus des Brotes“, der für Aufsehen sorgt. Und für die Frage: Was will man mit dieser Architektur eigentlich ausdrücken?
Genau das war die Absicht von Peter Augendopler: „Ich mag alles, was ei- nem zum Nachdenken zwingt!“ Viel Nachdenkzeit braucht es nicht, um zumindest eines festzustellen: In so einem modernen Gebäude muss wohl etwas sehr Innovatives passieren. „So haben wir unser Projekt auch definiert – es sollte ein Innovationszentrum werden. Und es soll einen Rückschluss auf die Leute geben, die darin arbeiten“, sagt Stefan Hutter, studierter Bau- meister und mittlerweile Prokurist für Produktion und Technik bei Backaldrin. Denn es gehe schließlich darum, den jährlich 7000 Kunden, die aus fast 40 Ländern zu Backaldrin für Seminare auf Besuch kommen, einen äußerst positiven Gesamteindruck zu vermitteln. „Wir zeigen diesen Leuten die Neuigkeiten im Sektor Bäckerei, die innovativsten Verfahren, die neuesten Erkenntnisse in der Ernährungslehre – aber es zählt nicht nur die fachliche Kompetenz. Auch das Gebäude muss zeigen, wie wir denken“, erklärt Peter Augendopler seine Entscheidung für diese Form des Gebäudes. Nein, wie ein Kornspitz sieht es definitiv nicht aus. Wohl aber gibt es Gemeinsamkeiten zwischen dem erfolgreichsten Markengebäck Europas und dem Gebäude selbst: Beide sind geschmackvoll und haben ein gut durchdachtes Konzept.
Der Kampf mit den Architekten
Die Idee dazu ist dem Kornspitz-Erfin- der in Holland gekommen. „Holland hat die schönste Industriearchitektur! Die Gebäude dort haben mich zutiefst be- eindruckt – ich hatte dann ein Bild im Kopf, wie ich mir unser neues Gebäu- de vorstelle und das hab ich dann dem Architekten skizziert.“ Ganz einfach war es für Augendopler nicht, die perfekte Lösung zu finden, denn er sagt – wenn auch mit einem Schmunzeln auf den Lippen: „Mein Leben ist ein Kampf ge- gen Architekten.“ Die meisten Archi- tekten seien immer von den Bauherren gebremst und haben deshalb keinen Mut mehr. „Ich will aber einen Archi- tekten, der mich schockiert und geistig überfordert. Ich fühl mich erst dann wohl, wenn ich sagen muss: Sind Sie wahnsinnig, das können wir doch nicht machen!“ Denn er wolle erst einmal se- hen, was überhaupt möglich sei. Dann könne man immer noch Kompromisse eingehen. Mit einer Planungsfirma ist er dann aber doch noch zur richtigen Lösung gekommen. Eine Lösung mit sehr großzügigen Glasflächen.
Natürlich war ihm klar, dass so viel Glas schon alleine wegen der Scheiben- reinigung unvernünftig ist, aber: „Man darf nicht alles der Vernunft unterord- nen. Ich will jeden Tag, wenn ich das Gebäude betrete, denken: Ja, das gefällt mir! Es hat sich nicht nur das Gebäude verändert – vor allem hat es auch uns verändert – diese helle, freundliche Atmosphäre hat eine positive Wirkung auf unsere Stimmung.“
Mut zur Veränderung
Völlig verändert haben sich heuer auch sämtliche Büroräumlichkeiten, denn das Haus des Brotes wurde um einen Baukörper erweitert. Wobei der neue Teil in den alten Teil miteingebunden wurde, damit nicht zu viele einzelne Baukörper entstehen. „Die Kommunikation wird im- mer schneller“, sagt Stefan Hutter. „Alles ist daher offen, mit Glas – man sieht, wer vorbei geht und wer im Haus ist.“ Statt geschlossenen Kästen gibt es jetzt offene Regale. Eine große Veränderung für einige der insgesamt 260 Mitarbeiter am Standort Asten – die sie aber allesamt überraschend positiv angenommen haben. „Ich glaube, dass wir uns mit dem neuen Gebäude von den Arbeitsabläufen her stark verbessert haben. Die Abteilungen sind so gruppiert, wie sie auch miteinander zu tun haben. Wir sehen einander – vieles ist offener und transparenter geworden. Das Ergebnis ist ein schöneres Arbeiten, kürzere Wege, bessere Kommunikation und natürlich ein tolles Ambiente“, bestätigt Prokurist Martin Mayr.
Während im oberen Stockwerk Kommunikationsinseln mit farbenfrohen, modernen Sitzmöbeln von bene für Wohlbefinden sorgen, ist es im unteren Stockwerk der Duft nach frischen Backwaren. Hier befinden sich schließlich die Produktionsräumlichkeiten – allesamt am neuesten technischen Stand. „Wir haben Labors zur Qualitätsanalyse, Labors zur Produktentwicklung, sieben Bäckereien und zwei Konditoreien“, erzählt der sympathische Unternehmer, der das Bäckerhandwerk von der Pike auf gelernt hat. „Die Kunden kommen mit ihren Vorstellungen von ei- nem neuen Brot, Gebäck oder Kuchen zu uns – wir durchdenken das Ganze und am Ende entsteht eine neue Rezeptur.“ Die zum Beispiel im hauseigenen Hörsaal, der eine vollwertige Bäckerei enthält, vorgeführt wird. Das Familienunternehmen stellt mehr als 400 Backmittel sowie Backgrundstoffe für Brot, Gebäck und feine Backwaren her. Von der Firmenzentrale in Asten aus werden backaldrin-Produkte in alle Welt exportiert, insgesamt beschäf- tigt das Unternehmen 740 Mitarbeiter weltweit. Warum eigentlich der Standort Oberösterreich? „Das hat sich durch Zu- fall ergeben“, sagt Peter Augendopler. Er stibitzt sich ein Stück Nusskipferl von ei- nem Backblech. „Ja, es gibt viele Sünden hier im Haus“, sagt er und grinst. Nun ja
... man muss seine Produkte schließlich auch einer ständigen persönlichen Qualitätskontrolle unterziehen.
Österreich als Paradies
Während er uns durch die herrlich duftenden Produktionsräume führt, erzählt er von den Anfängen des Familienbetriebes.
„Meine Eltern haben in Wien begonnen, ich war vom ersten Tag an in der Firma dabei. Als der Standort zu klein wurde, haben wir drei Jahre später in Asten diese still gelegte Mühle entdeckt – die konnten wir damals günstig pachten und später kaufen.“ Oberösterreich als Standort passte nicht nur gut, weil die Familie Augendopler seit fast 1.000 Jahren in Oberösterreich ansässig ist, sondern auch weil für Peter Augendopler Oberösterreich im Speziellen und Österreich allgemein das beste Land für Unternehmer sei. „Wir haben besonders viele fleißige, bescheidene und ordentliche Leute hier. Natürlich könnte ich Details wie hohe Lohnnebenkosten beklagen – aber ich bin sehr viel im Aus- land unterwegs und kann daher nur sagen– wenn man das Gesamtpaket sieht, dann sind wir hier im Paradies.“ Günstig sei für ihn der Standort vor allem auch deshalb, weil es hier hochqualitative Agrarstoffe gibt. „Auch wenn sie teurer sind, kaufen wir unsere Rohstoffe lokal. Die Lieferan-
ten gut zu kennen ist für mich die höchste Stufe der Qualitätssicherung.“ Außerdem habe man als Österreicher generell einen Startvorteil. „Österreich ist durch die vie- len Klischees wie Kultur, Musik und sau- bere Natur überall sehr positiv besetzt. Jeder lächelt, wenn man sagt, man sei Österreicher. Und natürlich verbindet man mit Österreich auch hohe Bäckereikultur.“
Eben diese Bäckereikultur kann man im gesamten Gebäude regelrecht erleben. „Ich bin Sammler“, erzählt Peter Augendo- pler und reißt eine braune Kartonschach- tel auf, die eben geliefert wurde. Bedächtig nimmt er einen Zunftkrug heraus. „Sehen Sie das Bild? Das ist das Wappen einer Bäckerzunft.“ Ein weiteres Sammelobjekt also. Denn der Vater des Kornspitzes ist bei fast allen Auktionshäusern Kunde. „Ich bin da durch Zufall hineinge- schlittert. Es ist lange her, da hab ich eine kleine Bäckerfigur aus Porzellan gefun- den. Die hab ich dann zuhause in eine Vit- rine gestellt. Nach drei Jahren hab ich sie mir in Ruhe angeschaut und erkannt, wie schön sie ist. Das ist Kunst! Mittlerweile hab ich alles Mögliche – aber immer mit Bezug zur Bäckerei, Müllerei, Konditorei, Brot und Ackerbau. Außerdem haben wir über 6.000 Bücher zum Thema Brotbä- ckerei und Müllerei“, sagt er stolz. Sogar das zweitälteste Bäckerbuch überhaupt ist in seinem Besitz.
Und so wird schnell klar, dass das Haus des Brotes keineswegs nur ein Firmen- gebäude mit einem markanten Gesicht ist. Sondern vielmehr ein Museum. Ein belebtes Museum, das die Leidenschaft zur Bäckerkunst in vielen verschiedenen Facetten zeigt._