1945 gründete Günter Fronius in einer Garage im oberösterreichischen Pettenbach ein kleines Unternehmen. Aus der Reparaturwerkstätte für Elektrogeräte wurde der weltweit tätige Technologiekonzern, der Batterieladegeräte, Solarelektronik und Schweißgeräte herstellt. Schweißtechnik-Spartenleiter Harald Scherleitner über die aktuellen Veränderungen durch Industrie 4.0 und was im Familienunternehmen selbst zusammenschweißen soll.
Das Firmengebäude in Wels in unmittelbarer Nähe zum Bahnhof fällt durch eine Mischung zweier Baustile auf: Ein historischer, renovierter Backsteinbau und neue Gebäudeteile, wovon ein Teil der Fassade mit Photovoltaik-Teilen bestückt und ein anderer Teil von verschiedenen Pflanzen bewachsen ist. Die Fronius Gruppe errichtete 2012 den ersten Vertical Garden Österreichs mit rund 7.000 Pflänzchen an ihrem Welser Firmenstandort. Es ist einer von weltweit 24 Standorten mit insgesamt 3.800 Mitarbeitern des oberösterreichischen Familienunternehmens. Am Standort Wels arbeiten rund 350 Mitarbeiter in den Bereichen Marketing und Vertrieb, Corporate Services und auch die Leiter der drei Sparten Batterieladesysteme, Solarelektronik und Schweißtechnik sind dort beheimatet. Letzterer ist auch der Grund für den Besuch am Firmenstandort in Wels: CEO Elisabeth Engelbrechtsmüller-Strauß, die Enkelin des Firmengründers, hat Schweißtechnik-Spartenleiter Harald Scherleitner als Interviewpartner zum Thema Industrie 4.0 bestimmt.
Offen für Neues
Scherleitner kennt die gesamte Firmengruppe gut. Im Sommer 2016 hat Scherleitner nach acht Jahren an der Spitze der Batterieladesystem-Sparte die Leitung der Schweißtechnik übernommen. Der 37-Jährige hat 1994 als Elektromechanik-Lehrling am Firmensitz in Pettenbach im Bezirk Kirchdorf an der Krems bei Fronius angefangen, baute später die Fronius-Tochtergesellschaften in Mexiko und Brasilien mit auf. Die Möglichkeit in der Fronius Gruppe mit einer Lehre Karriere zu machen, nennt Scherleitner auch als wesentlichen Grund, warum sich genug junge Menschen für eine Lehrstelle bewerben würden: „Wir sind in der glücklichen Lage, dass wir wirklich noch auswählen können.“ Aktuell sind 120 Lehrlinge in elf verschiedenen Ausbildungsrichtungen beschäftigt. Die Fronius Gruppe hat eine Matrixorganisation. Die jungen Menschen sollen in ihrer Lehrzeit möglichst die verschiedenen Bereiche des Unternehmens kennenlernen, sind keiner bestimmten Sparte zugeordnet.
Die Zuordnungen zu bestimmten Bereichen gebe es generell immer weniger. Die Digitalisierung erfordert einen ganz anderen Zugang, erklärt Scherleitner: „Wir müssen dauernd mit Veränderungen leben und offen sein für Neues. Wir befinden uns im Zeitalter der komplexen Probleme.“ Um diese lösen zu können, setzt Fronius auf eine stärkere Zusammenarbeit, sowohl nach innen als auch nach außen. „Wir vernetzen uns mit Kunden und Technologiepartnern“, sagt Scherleitner über die Verbindungen außerhalb der Unternehmensgrenzen. Bei dieser rasanten Geschwindigkeit brauche es Offenheit, nur an seinem eigenen Süppchen Interesse zu haben sei zu wenig. Die Unternehmen müssten sich austauschen und deren Expertenwissen für die Lösung der komplexen Probleme zusammenbringen. Die Vernetzung innerhalb des Unternehmens zeige sich bereits durch eine stärkere Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Abteilungen: „Bei einzelnen Projekten gibt es viele Schnittstellen.“ Es gebe Schulungen zum Thema Industrie 4.0 für Fronius-Mitarbeiter innerhalb des Unternehmens und man nehme an Arbeitsgruppen und Konferenzen außerhalb der eigenen Betriebswände teil.
Arbeit im Team
Es ändere sich auch die Führung der Mitarbeiter, die Hierarchien werden flacher: „Man kann als Führungskraft nicht mehr alles wissen. Für die komplexer gewordenen Themen brauchen wir mehr Spezialwissen und es ist meine Aufgabe, die perfekten Rahmenbedingungen für die einzelnen Experten zu schaffen.“ Die Führungskräfte müssten bereit sein zu sagen, dass es eine gewisse Unsicherheit bezüglich der Zukunft gibt und man nicht genau weiß, wie diese ausschaut. Offenheit gegenüber Neuem müsse auch bedeuten, von anderen lernen zu wollen und gemeinsam etwas auszuprobieren. „Es ist grundsätzlich unsere Philosophie, in Teams zu arbeiten, weil dabei auch andere Lösungen herauskommen“, so Scherleitner. Industrie 4.0 oder auch Schweißtechnik 4.0 sei die Verallgemeinerung des Begriffs Teamarbeit für die Schweißtechnik-Sparte bei Fronius. Es gehe dabei aber nicht nur um die Zusammenarbeit zwischen Mensch und Mensch, sondern auch um die Interaktion von Mensch und Maschine sowie Maschine und Maschine. Bei den technischen Entwicklungen für die Zusammenarbeit der verschiedenen Teams ist Fronius unterschiedlich weit. Für die Interaktion von Mensch und Maschine ist die gemeinsame Sprache die Ausgangsbasis: „Bei unseren aktuellen Schweißgeräten ermöglicht eine grafische Benutzeroberfläche die Darstellung von 33 Sprachen.“ Für die Verbindung mit anderen Maschinen in Produktionshallen verfügen die Schweißgeräte über zehn verschiedene Sprachen.
Vor neun Jahren, im Jahr 2008, begann Fronius mit der Entwicklung der neuesten Schweißtechnologien. „Wir haben frühzeitig erkannt, dass sich die Welt ändert und die technischen Möglichkeiten geschaffen werden müssen, dass unsere Schweißgeräte, die simpel ausgedrückt mittlerweile Computer sind, mit anderen Akteuren in der Produktion kommunizieren können“, so Scherleitner. Fronius ist mit seinen Schweißgeräten laut eigenen Angaben weltweiter Innovationsführer und in Bezug auf den Umsatz Marktführer in Europa. Insgesamt decke der Technologiekonzern weltweit die größten und wichtigsten Regionen bereits gut ab. Im vergangenem Jahr wurde eine neue Tochtergesellschaft für die Schweißtechnik in Japan gegründet, in einigen Jahren sollen die anderen Sparten nachziehen. Noch sehr viel Luft nach oben sieht Scherleitner bei der Internationalisierung in Amerika, wo Fronius noch recht geringe Marktanteile habe.
Individuelle Kundenansprache
Neben den technischen Entwicklungen werden im Zuge von Industrie 4.0 die Kundenbeziehungen ausgebaut. „Es gibt eine enorme Informationsverfügbarkeit – ein Übermaß an Infos. Wir wollen unsere Kunden individuell, genau nach ihren Bedürfnissen, ansprechen.“ Es werden bereits Daten von den Schweißgeräten gesammelt, die entweder von Fronius oder vom Endkunden selbst gespeichert werden: „Je größer das Unternehmen ist, desto eher hat es die Haltung, die Daten nicht herzugeben.“ Bis zum autonomen Schweißen, wo beim Schweißprozess keine Menschen mehr notwendig sind, werde es laut Scherleitner noch rund zehn bis fünfzehn Jahre dauern. Zum Bild der menschenleeren Fabrik, das beim Thema Industrie 4.0 in vielen Köpfen mitschwingt, werde es aber trotzdem nicht kommen: „Bei einem Schweißprozess werden immer Menschen benötigt werden – etwa zum Nachfüllen des Materials. Das Ziel ist nicht, so wenig Menschen wie möglich zu beschäftigen, sondern den Schweißprozess kontrollierbar zu machen und fehlerfreies Schweißen mit dem Idealfall von einer 0-prozentigen Fehlerrate zu ermöglichen.“_
"Führungskräfte müssen bereit sein zu sagen, dass es eine gewisse Unsicherheit bezüglich der Zukunft gibt und man nicht genau weiß, wie diese ausschaut."
Harald ScherleitnerLeiter, Sparte Schweißtechnik der Fronius Gruppe
Fronius Gruppe
SitzPettenbach im Bezirk Kirchdorf an der Krems
Geschäftstätigkeit3 Sparten: Perfect Charging (Batterieladesysteme), Solar Energy (Solarelektronik), Perfect Welding (Schweißtechnik), in einigen Bereichen Weltmarktführer
Mitarbeiterweltweit 3.800, davon 2.400 in Pettenbach, Sattledt, Steinhaus, Wels und Thalheim. Insgesamt 24 Standorte weltweit, davon 4 Produktionsstandorte (OÖ: Sattledt, Pettenbach, Steinhaus, Tschechien: Krumau).
Umsatz511 Millionen Euro – mit dem Ursprungsgeschäft der Batterieladegeräte werden nur mehr fünf Prozent des Gruppenumsatzes gemacht, mit der Solarelektronik 40 Prozent, dem Bereich Schweißtechnik 55 Prozent.
Exportquote90 Prozent