… fängt bekanntlich das Leben an. Der 68 Jahre junge deutsche Starkoch Alfons Schuhbeck sagte einmal in einer Kochsendung, er sei nicht im Herbst seines Lebens, er komme erst in die Jugend des Alters. Was auf den ersten Blick etwas spitzbübisch wirkt, ist Ausdruck einer sich gewandelten Attitüde. Die „Alten“ sind nicht mehr bloß alt, denn verstaubt und altbacken war gestern.
Die veränderte demografische Struktur bringt eine erweiterte Generation von Pensionisten hervor, die mit einem verstaubten Image nichts mehr am Hut hat. Es wird mit technischen Hilfsmitteln dem drohenden körperlichen Verfall ein Schnippchen geschlagen, gegen den eintretenden Pensionsschock getanzt und ehrenamtlich mitgeholfen, wo Hilfe benötigt wird. Und wenn ab einem gewissen Zeitpunkt die neu entdeckte Lebensvitalität dennoch etwas verblassen sollte, gibt es pflegende Helferlein, die unter die Arme greifen.
Was der Sparstrumpf hergibt
Längst hat die Wirtschaft die Senioren als wichtige Zielgruppe erkannt. „Immer mehr Branchen und Unternehmen realisieren, dass die Senioren in absehbarer Zeit die quantitativ größte Konsumentengruppe sein werden und damit den Geschäftserfolg vieler Firmen beeinflussen können“, so der Oberösterreichische Seniorenbund. Denn bereits jetzt stellt laut Statistik Austria diese Gruppe knapp ein Fünftel der Bevölkerung, in rund 20 Jahren mehr als ein Viertel und somit über 2,5 Millionen Konsumenten. Laut Studien der GfK Austria ist der Sparstrumpf gut gefüllt. So hat rund die Hälfte der Senioren mehr als 300 Euro jeden Monat zur freien Verfügung, fast ein Drittel mehr als 500 Euro und etwa ein Viertel mehr als 700 Euro. Sie erweisen sich als sehr großzügig, wenn es um die finanzielle Unterstützung ihrer Kinder und Enkelkinder geht. So unterstützen 57 Prozent der Senioren ihre Kinder und Enkelkinder mit finanziellen Mitteln. Monatlich geben sie im Durchschnitt rund 230 Euro weiter, das sind 3,18 Milliarden Euro im Jahr. Sie investieren aber auch in sich selbst, beispielsweise, um sich ein Stück Lebensqualität zu erhalten. So greift der vitale Senior von heute gerne mal zum Hörgerät, das längst nicht mehr gesellschaftlich stigmatisiert ist. Im Gegenteil: das Hörgerät von heute ist oftmals eine kleine, coole Spezialanfertigung, die angenehm zu tragen ist. „Der Trend geht zu immer kleineren und diskreteren Hörgeräten. Hier hat die Forschung in den letzten Jahren und Jahrzehnten enorme Fortschritte gemacht“, so Lukas Schinko, Vorstandsvorsitzender von Neuroth Hörgeräte. Die Verkaufsschlager sind dabei in erster Linie Hörgeräte und Gehörschutzprodukte sowie Zubehör, zum Beispiel zum Telefonieren oder Fernsehen. Neuroth hat den Wirtschaftsfaktor Senioren längst erkannt: „Gutes Hören ist an sich keine Frage des Alters. Die Gruppe der Senioren wird aber immer größer, ihr Anteil in unserem Kundenstamm beträgt etwa 90 Prozent. Die Bedeutung als Kundengruppe steigt stetig, das Potential ist sehr groß“, sagt Schinko.
Rüstig übers Tanzparkett
Hat man sich wieder ein Stück Lebensqualität zurückgeholt, will auch der Körper in Schuss gehalten werden. Wo wäre man dafür besser aufgehoben als beim Seniorentanz? Hier hat man nicht nur ein körperliches, sondern auch ein geistiges Work-Out. „Unser Hauptaugenmerk liegt bei Personen zwischen 50 und 70 Jahren. Es geht aber darum, wie ich mit dem Alterungsprozess umgehe. Im Judo etwa kann ich auch mit 18 Jahren bereits Senior sein“, sagt die Vorsitzende des Seniorentanzes, Gabriele Wießner. Takt für Takt will man Vitalität und Lebensfreude vermitteln und auch gegen einen drohenden Pensionsschock antanzen. Neben Lebensfreude wolle man eine gewisse Struktur im Alltag zurückgeben. Somit wird das „Tanzen ab der Lebensmitte“ zum unverzichtbaren gesellschaftlichen Faktor, nämlich gegen die Vereinsamung und für soziale Inklusion und Kompatibilität. Auch die gesundheitliche Prävention ist nicht außer Acht zu lassen: Je länger die Älteren fit und vital sind, desto länger können sie alleine zu Hause bleiben und desto weniger Pflege brauchen sie, was im Umkehrschluss den Sozialversicherungsträgern wiederum Geld spart. Das beweist auch die älteste Teilnehmerin, die mit 92 Jahren rüstig über das Tanzparkett schwingt. Über 20.000 Menschen in 1.000 Tanzgruppen nutzen jährlich in Österreich dieses Angebot. Für die Tanzleiter selbst ist es mehr als ehrenamtliche Aufgabe zu betrachten: „Die Tanzleiteraus- und fortbildung ist nicht billig. Viele machen keinen Gewinn damit, sondern weisen eine ausgeglichene Einnahmen-Ausgaben-Rechnung vor“, so Wießner. Betrachtet man die Zahlen einer Befragung über freiwilliges Engagement in Österreich vom Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, fällt ins Auge, dass mehr als jeder zweite 50- bis 69-Jährige ehrenamtlich tätig ist. Laut der GfK sind die Pensionisten der größte Freiwilligendienst des Landes. Bevorzugt wird eine freiwillige Tätigkeit, die mit Menschen zu tun hat, also Betreuung von Kindern, Opfern von Naturkatastrophen oder von Menschen mit Beeinträchtigungen.
Betreuung daheim
So fleißig die Senioren auch mithelfen, irgendwann ist der emsigste Pensionist selbst auf Hilfe und Betreuung angewiesen. Dann kommt die Personenbetreuung der Wirtschaftskammer ins Spiel. Jahrzehntelang gab es nur zwei Alternativen: Betreuung durch die Familie oder der – oftmals als Abschiebung interpretierte – Gang ins Seniorenheim. „In den letzten Jahren ist das Angebot der 24-Stunden-Betreuung hinzugekommen. Dadurch lässt sich das geregelte Leben daheim aufrechterhalten“, so der Geschäftsführer der Sparte Personenbetreuung der WKOÖ, Bernd Eckmayr. Die 24-Stunden-Betreuung steht in der Regel am Ende der Betreuungskette, davor gibt es noch jede Menge „kleinerer“ Angebote, die von Kurzzeitpflege über Heimhilfe bis hin zum mobilen Pflegedienst reichen. Dazu Eckmayr: „Irgendwann kommt jedoch der Punkt, wo man eine 24-Stunden-Betreuung braucht. Die ist für den Staat insgesamt günstiger, als wenn Senioren schon relativ jung in ein Heim müssen.“ Je nach Pflegebedürftigkeit gibt es dafür staatliche Förderungen, für die 24-Stunden-Betreuung durch eine selbstständige Betreuungskraft maximal 550 Euro im Monat. „Es ist für viele, aber nicht für alle leistbar. Leistbar ist es dann, wenn ich eine Familie habe, die mich finanziell und materiell unterstützt“, so Eckmayr. Somit fließt ein guter Teil der vorangegangenen finanziellen Großzügigkeit, welche die Senioren ihren Kindern und Enkeln entgegengebracht haben, am Ende auch wieder zurück. Eine wirtschaftliche Rentabilität auf sozialer Basis sozusagen. Die WKOÖ Personenbetreuung ist in diesem Zusammenhang die Interessensvertretung sowohl der Personenbetreuer als auch der dahinterstehenden Organisation der 24-Stunden-Betreuung. „Unser Job ist es, alles zu organisieren, durch Musterverträge abzusichern und zu schauen, dass es gut und seriös abläuft. Der Erfolg dieses Modells ist riesig, wir haben nach wie vor jährliche Steigerungsraten von zehn bis 20 Prozent“, so Eckmayr. Besonders wichtig seien die „Soft Facts“, weil es wünschenswert wäre, wenn man in seiner gewohnten Umgebung bleiben kann. Zudem solle man sich möglichst bald Gedanken über die geeignete Form der Pflege und seine Wohnarrangements machen, solange man diese noch nicht braucht. Und der Gedanke daran noch nicht negativ stigmatisiert ist, denn: „Es ist schön, wenn ich selber noch in der Lage bin, mitreden zu können und ich meine eigenen Ideen und Vorstellungen miteinbringen kann.“ Darunter falle beispielsweise auch ein zeitgerechtes Einrichten der Wohnung mit individuellen Lösungen, wo man notfalls auch mit dem Rollstuhl ungehindert in die Küche und ins Bad fahren könne. Etwa 5.000 Menschen nehmen das Angebot der 24-Stunden-Pflege in Oberösterreich derzeit in Anspruch. Da sich die Personenbetreuer in der Regel 14-tätig abwechseln, kommt man somit auf 10.000 Personenbetreuer. Diese sind zu 95 Prozent selbstständig tätig, bei Steigerungsraten in den letzten fünf Jahren von zehn bis 20 Prozent. Der Preis sei sehr individuell: „Der hängt davon ab, wie hoch die Betreuungsbedürftigkeit tatsächlich ist. Ob es eine einfache Haushaltshilfe ist, die beim Kochen und Anziehen hilft oder ob es eine hochqualifizierte Pflegeleistung ist“, sagt Eckmayr.
Best ager, best consumer
„Den“ Senior gibt es so gar nicht, nur unterschiedliche
Interpretationen: Der Seniorenbund etwa unterscheidet vier Typen: den Flotten 2.0, den Etablierten, den Engagierten und Häuslichen. Eckmayr (WKOÖ) erklärt, der Begriff sei häufig sogar diskriminierend, denn heute würden sich viele 60-Jährige wie 40 fühlen und viele 80-Jährige wie 60. Wießner (Seniorentanz Österreich) meint: „Senior geht ab 50 Jahre aufwärts. Es geht jedoch darum, wie ich persönlich das Alter annehme, ich würde mich nicht am Begriff aufhängen.“
Laut Bevölkerungsprognose 2016 der Statistik Austria werden in Österreich bis 2040 über 2,5 Millionen Menschen über 65 Jahren leben, das ist mehr als ein Viertel der Gesamtbevölkerung. Zudem ist im Zeitraum der letzten 45 Jahre (1970 bis 2015) die Anzahl der Pensionsbezieher von etwa 1,3 Millionen auf über 2,3 Millionen in 2015 angestiegen, bei einer durchschnittlichen Pension von 1.100 Euro (Männer: 1.440 Euro, Frauen 886 Euro). In Deutschland und der Schweiz ist die Situation ähnlich. In der Bundesrepublik sind 33 Millionen Menschen älter als 50 Jahre, Tendenz steigend. Zudem ist bereits mehr als jeder zweite in Deutschland ausgegebene Konsum-Euro von Menschen der Generation 50-Plus. Auch in der Schweiz wird der Anteil der über 80-Jährigen von derzeit rund 433.000 Personen bis 2050 auf 1,1 Millionen Einwohner steigen.
Digital statt analog? Die digitale Spaltung ist bei den über 60-Jährigen so ausgeprägt wie in keiner anderen Gruppe, die Spanne geht von Experten bis hin zu totalen Verweigerern. Der Seniorenbund bietet dafür sogenannte „EDV-Treffs“ an.
„Best Ager“ sind auch „Best Consumer“. Die Senioren sind eine aufgeschlossene und konsumfreudige Zielgruppe, jedoch auch anspruchsvoll und nicht so leicht zu bedienen. Hat man es aber geschafft, sie zu überzeugen, sind sie auch treu. Allerdings ist es schwierig, Senioren marketingtechnisch anzusprechen, darum werden sie von vielen Unternehmen bereits in den Entwicklungsprozess miteinbezogen. Wörter wie „Generation 65+“ oder „Silver Markets“ hören sie gar nicht gern, obwohl die „Best Ager“ auch „Best Consumer“ sind.
Quelle: Seniorenbund, WKOÖ, Seniorentanz, NZZ, Media 41