Allerdings sind immer wieder auch sehr junge Menschen von Krebs betroffen, dabei handelt es sich meist um eine genetische Disposition. „Es gibt typische Genmutationen, die zu sehr frühzeitigen Krebserkrankungen der Brust oder der Eierstöcke führen können. Die Betroffenen zeigen zumeist eine familiäre Häufung dieser Erkrankungen. Eine genetische Austestung sollte jedoch sehr sorgsam und nur nach Erfüllung der dafür geltenden Kriterien überlegt werden. Denn selbst wenn diese Genmutation vorliegt, heißt es noch nicht, dass die Erkrankung tatsächlich auch ausbricht.“ Geschätzt sind es fünf bis zehn Prozent aller Krebspatienten, die eine angeborene Veränderung in der Erbsubstanz haben, welche eine Erkrankung wahrscheinlicher macht. In Diskussion steht das Vorsorgescreening mittels Niedrigdosis-CT zur frühzeitigen Erkennung von Lungenkrebs. Studien konnten zeigen, dass die Sterblichkeit durch das Screening mit Computertomographie vor allem bei Menschen mit hohem Risiko, wie Raucher, deutlich reduziert wurde. „In der bildgebenden Vorsorge geht es darum, Gewebsveränderungen wie Tumore möglichst frühzeitig zu erkennen, um so die Therapie mit ihren Nebenwirkungen so gering wie möglich zu halten und gleichzeitig die Heilungschancen deutlich zu erhöhen.“
Schicksal
Die Tür zum Untersuchungsraum öffnet sich. Eine Frau kommt heraus, sie lächelt. Die junge Frau im Warteraum springt auf. „Es ist alles in Ordnung“, hört man die Ältere der beiden erleichtert sagen, während sie die Jüngere – wahrscheinlich ihre Tochter – umarmt. Als nächstes wird der Mann aus dem Wartezimmer aufgerufen. Seine Lunge soll untersucht werden. Er macht sich Sorgen, große Sorgen. In seinem Kopf kreisen in einer Dauerschleife Fragen wie „Hätte ich weniger rauchen sollen?“, „War das tägliche Gläschen Wein doch zu viel?“. Sollte man tatsächlich an Krebs erkranken, rät Albert Dirisamer davon ab, die Schuld bei sich zu suchen. „In gewisser Weise ist es leider oftmals schicksalshaft an Krebs zu erkranken“, so der Radiologe. Nach jetzigem Wissensstand habe man in seinem Leben nichts falsch gemacht, wenn man zum Beispiel an Brustkrebs erkrankt. Dennoch werden neben der familiären genetischen Disposition und Eigenerkrankungen einige Faktoren genannt, die eine Krebserkrankung beeinflussen könnten: krankhaftes Übergewicht, Rauchen, Bewegungsmangel und äußere Umwelteinflüsse. Zählen zu diesen äußeren Umwelteinflüssen nicht auch Strahlen, denen man etwa bei einer radiologischen Untersuchung ausgesetzt ist? „Die Radiologie ist strengen Qualitätskriterien unterworfen, die Geräte werden regelmäßig kontrolliert.“ Panik vor Röntgenstrahlen sei, so Dirisamer weiter, absolut nicht angebracht. „Zum einen gibt es nur ein errechnetes Risiko, da es sehr wenige Daten in Bezug auf Strahlenschäden gibt.“ Zum anderen müsse man sich die Strahlendosis genauer ansehen, um das Ganze zu relativieren: Auf die Einzelperson hochgerechnet, haben wir in Österreich pro Jahr eine durchschnittliche Strahlenexposition von rund vier Millisievert, davon gehen 1,3 auf die Röntgenuntersuchungen zurück, den Rest nehmen wir durch die Umgebungsstrahlung auf. Und diese sei an manchen Orten der Welt, etwa in New York, noch wesentlich höher.
Im Warteraum sitzt nun nur noch eine Frau und wartet auf Ihre Brustuntersuchung. Eine Routineuntersuchung, also eigentlich kein Grund zur Sorge. Ein mulmiges Gefühl hat sie trotzdem. Vielleicht auch deshalb, weil es den Anschein hat, dass immer mehr Frauen an Brustkrebs erkranken – jedenfalls findet man zahlreiche Berichte darüber in den Medien und kaum jemand hat noch einen Freundes- und Bekanntenkreis, in dem niemand betroffen ist. „Wir haben ein steigendes Bevölkerungswachstum und gleichzeitig werden die Menschen immer älter – somit steigt auch die Erkrankungshäufigkeit an Krebs weiter“, erklärt Dirisamer. Hinzu komme, dass sich erkrankte Menschen heute nicht mehr verstecken, wie es früher noch häufig der Fall war. Sowohl die Medien als auch das Gesundheitssystem fördern die Enttabuisierung der Krankheit. Subjektiv betrachtet hört und liest man daher mehr über Krebs. Tatsächlich werden aber – wenn man das Alter aus der Statistik herausrechnet – manche Krebsarten wie Magen-, Darm- und Gebärmutterhalskrebs in Relation seltener. Deutlich steigend ist hingegen die Zahl der Bauchspeicheldrüsenkrebserkrankungen. „Die Hintergründe dazu kennt man noch nicht genau. Es ist eine traurige Entwicklung, weil dieser Krebs sehr schlecht heilbar ist“, sagt Dirisamer. Erfreulichere Zahlen findet man im Brustkrebsbereich: „Der medizinische Fortschritt und die Möglichkeiten zur Früherkennung haben ein deutliches Sinken der Sterblichkeitsrate bewirkt.“
Radiologie im Wandel
Und dieser Fortschritt scheint gerade in der Radiologie sehr schnell voranzuschreiten. Innovationen wie die Hyperpolarisations-MRT, die heute noch vorwiegend zur Grundlagenforschung genutzt wird, könnten eine genauere Analyse der Stoffwechselprozesse erlauben, die dann durch einen Computer analysiert werden. Das Ziel dabei: Den Patienten besser zu stratifizieren und damit eine personalisierte Therapie möglich zu machen. Die Aufgabe des Radiologen geht daher über die bildgebende Diagnostik hinaus, in Zukunft wohl noch mehr. „Man muss sich nicht nur mit dem Radiologie-Fachbereich, sondern mit den zusammenhängenden Krankheitsspektren auseinandersetzen und den Menschen als Ganzes sehen“, erklärt Dirisamer, der neben der Gruppenpraxis für Radiologie in Vöcklabruck und dem MR-Institut in Gmunden auch die Radiologie an der Klinik Diakonissen in Linz betreut. Diese Führungsaufgaben machen ihm großen Spaß – und das, obwohl Management und Führung in seinem Medizinstudium kein Thema waren. „Ein wesentlicher Faktor ist für mich dabei die Kommunikation – ich versuche, eine gute Gesprächskultur zu pflegen. Gewisse Abläufe müssen klar definiert sein, um die Arbeit in den einzelnen Bereichen zu erleichtern. Und Ziele müssen ebenso klar festgehalten werden. Ansonsten ist mir wichtig, dass wir ein positives Arbeitsklima haben und dieses auch auszustrahlen, das ist für uns selbst und natürlich für die Patienten das Wichtigste.“_