Ziemlich mutig, wie sie den Weg nach oben erklommen haben. Und nun dort die täglichen Herausforderungen nicht als Schwierigkeiten, sondern als knifflige Aufgaben sehen. Zum Mut ist aber noch etwas Anderes hinzugekommen, das ihre Führungspersönlichkeit ausmacht: Demut. Warum es diese Haltung in den Führungsetagen heute mehr denn je braucht.
Peter Weixelbaumer
„Wenn man glaubt, man sei der Beste und wisse ohnehin schon alles, dann hat man verloren.“
Peter Weixelbaumer entschuldigt sich. Er müsse während des Interviews zwischendurch ein paar E-Mails verschicken, es laufe gerade ein Bewerbungsprozess in seiner PR-, Marketing- und Strategie-Agentur. Nach sechs Jahren als Kommunikationschef bei BMW zog es ihn im Frühjahr 2016 in die Selbstständigkeit. Nun soll das Team um ein paar Köpfe erweitert werden. Und wenn einige davon Mütter sind, dann wäre ihm das durchaus recht. „Ich verstehe nicht, warum jemand keine Frau einstellen will, aus Angst, sie könne ein paar Jahre ausfallen“, sagt er. „Nur weil jemand durchgängig im Beschäftigungsprozess war, heißt das nicht, dass er up to date ist. Und Anwesenheit sagt auch nichts über Produktivität aus“, ist er überzeugt. Mütter würden in der Gesellschaft weit unterschätzt werden, sie seien in der Regel sehr durchstrukturierte, organisierte Menschen.
Die richtigen Mitarbeiter zu finden und schließlich zu halten sei ohnehin ein brennendes Führungsthema. „So wie keiner eine Bohrmaschine kauft, weil sie ein cooles Ding ist, sondern um Löcher in die Wand zu bohren und Bilder aufzuhängen, so arbeitet auch keiner bei einer Agentur, nur um hier zu arbeiten. Man will ein Gesamtpaket haben“, erklärt Weixelbaumer. Dieses Paket beinhalte Geld, persönliche Weiterentwicklung, Spaß an der Arbeit, seine Erfahrungen einbringen zu können, mit spannenden Menschen zu arbeiten, seine Talente auszuleben und gleichzeitig zum Beispiel eine gute Mutter oder ein guter Vater sein zu können. „Diese Individualinteressen mit den Unternehmens- und Kollektivinteressen zu vereinen und dann letztlich die Interessen der Kunden optimal zu befriedigen, ist die essentielle Aufgabe einer Führungskraft.“ Diese müsse seiner Meinung nach übrigens kein Alphatierchen sein, aber sehr wohl gerne gestalten und Verantwortung übernehmen. Ganz nach dem Motto: Gestalte dein Leben, sonst wird es gestaltet. Das hat Weixelbaumer im Laufe seiner Karriere selbst so erlebt: „Wenn du in deiner Führungsrolle zurückhaltend bist, dann werden andere deinen Kompetenzbereich besetzen wollen.“ Gerade in Soft-Skill-Bereichen wie Kommunikation und Marketing glauben dann alle, mitreden zu können. Es gehe als Führungskraft nicht darum, ein Selbstinszenierer zu sein, aber sehr wohl darum, proaktiv zu gestalten. Den einen richtigen Führungsstil gebe es dafür nicht, so der Kommunikationsprofi. „Das ist wie bei der Rhetorik ein Persönlichkeitsthema. Es gibt Grundsettings, die man als Führungskraft braucht, wie man diese umsetzt, dafür hat jeder eine andere Herangehensweise. Und die ist immer dann richtig, wenn sie für ihn authentisch ist.“ Eine Rolle, die man als Führungskraft aber unbedingt einnehmen müsse, sei die Vorbildrolle. „Ich kann nicht etwas vom Team verlangen, wenn ich es selbst nicht einhalte.“ Werden die Grundwerte einer Firma von der Führungskraft etwa nur plakatiert, aber nicht gelebt, dann seien sie wertlos. „Das ist bei Kindern ähnlich. Sie orientieren sich in ihrem Heranwachsen und Ausprobieren enorm an den Eltern – und zwar weniger an dem, was diese sagen, sondern an dem, was sie tun.“ Er muss es wissen, sein Sohn ist neun, seine Tochter sechs Jahre alt.
Apropos tun. Als Führungskraft dürfe man sich, so Weixelbaumer weiter, nie zu schade dafür sein, auch Operatives zu tun. „Die operative Arbeit ist ein Grundelement jeder erfolgreichen unternehmerischen Tätigkeit. Ich kann die beste Strategie haben. Wenn ich sie aber nicht runterbreche und operativ mit Leben erfülle, wird sie nicht funktionieren.“ Die Nase als Führungskraft höher zu tragen sei sowieso der falsche Weg. „Ich habe schon miterlebt, dass jemand denkt, er sei das Maß aller Dinge, habe mit seinen zwei Studien ausgelernt und er wisse bereits alles. Eine gewisse Demut gehört aber dazu – das Bewusstsein, dass man jeden Tag, jede Sekunde und von jedem Menschen etwas dazulernen kann.“ Die Welt sei in ständiger Bewegung und Veränderung. „Wenn man es schön findet, dass sich etwas tut, täglich neue Impulse annimmt und sich weiterentwickeln möchte, dann ist man in diesem Fluss drin.“ Bekämpft man diese Veränderung hingegen und ist frustriert, weil nicht alles so bleibt wie es ist, gehe man unter in diesem Fluss. Um immer offen für Neues zu sein, diskutiert Weixelbaumer gerne mit Menschen und liest Medien, die nicht seine Meinung vertreten. So könne man seine eigene Haltung reflektieren und seinen Horizont erweitern. Eine gewisse Konfliktkultur zu leben sei eine weitere wichtige Eigenschaft von Führungskräften.
Mitarbeiter zu führen, ist die eine Seite, aber wie führt man sich eigentlich selbst? „Zunächst muss ich Ziele haben, um alles danach ausrichten zu können. Denn wenn die Ziele nicht definiert sind, wie soll ich dann eine Strategie ableiten? Und ohne Strategie kann ich wiederum keine Maßnahmen ableiten“, erklärt Weixelbaumer. Bei diesen Zielen gehe es im Idealfall um messbare Dinge, aber auch um Qualitatives. Die große Herausforderung unserer Industriegesellschaft sei eine gewisse Orientierungslosigkeit. „Wir sind schon lange keine Informations- oder Spaßgesellschaft mehr, sondern oft eher eine Frustgesellschaft, in der viele unzufrieden sind und gar nicht wissen, warum. Viele Menschen sind materiell auf der sicheren Seite, aber trotzdem unzufrieden, weil sie sich fremdbestimmt und gestresst fühlen, vieles komplex und sinnentleert erscheint.“ Den Grund dafür sieht Weixelbaumer im Nichtstellen der Frage: Was will ich denn überhaupt? Und zwar nicht im Sinne von schneller, höher, stärker, reicher, sondern im Sinne von: Was macht mich glücklich? Sein Lösungsvorschlag: Zur Ruhe kommen, in sich gehen und die Frage ehrlich für sich beantworten. Damit sei das Thema Selbstführung automatisch gelöst.
Peter Weixelbaumer
Managing Partner, Lunik2 Communication & Strategy Services
Geboren am _9. November 1971 in Linz
Ausbildung und Karriere _studierte Betriebswirtschaft und Sozialwirtschaft in Linz, absolvierte ein Doktoratsstudium der Industriesoziologie, arbeitete in Brüssel für die EU-Kommission, war bei BMW Leiter der Werkskommunikation im weltweit größten Motorenwerk des Konzerns in Steyr, seit 2016 selbstständig