Als Iris Zeppezauer vor elf Jahren ihre Diplomarbeit mit Bildern statt überladenen Textfolien präsentiert, ist die Rückmeldung der Prüfungskommission: „Mit dieser Art des Präsentierens werden Sie nie eine universitäre Karriere machen.“ Die Wirtschaftswissenschafterin und Geschäftsführerin der Unternehmensberatung Sekunde-Eins schmunzelt. „Heute bin ich Uni-Dozentin für genau dieses Fach – Business Pitch und Präsentation.“ Aber nicht nur auf der Uni bewegt die ausgebildete Kommunikations- und Verhaltensexpertin Menschen mit ihren Vorträgen zu Rhetorik, Körpersprache und persönlicher Wirkung. Mit ihrem Programm ist sie in Österreich und Deutschland erfolgreich unterwegs und wurde unter anderem mit dem White Award für Thema und Performance der Hermann Scherer Academy ausgezeichnet.
Steht man auf der Bühne vor 150 Menschen, dann hat man 150 Konkurrenten, die um die Aufmerksamkeit jedes Einzelnen im Publikum buhlen: 150 Smartphones, die jederzeit gezückt werden können. Wie gewinnt man dennoch die Aufmerksamkeit seines Publikums?
ZeppezauerGenau darum geht’s. Dagegen muss man ankommen können. Indem man nicht nur relevante Inhalte liefert, sondern diese auch mit entsprechender Dramaturgie präsentiert. Mit guter Körpersprache, mit abwechslungsreicher Stimme, mit offener Blickführung. Und vor allem mit Echtheit. Alles, was aufgesetzt oder einstudiert wirkt, lenkt das Publikum ab. Und was Aufmerksamkeit am meisten weckt: Emotion! Damit gewinnt man den Kampf um die Aufmerksamkeit gegen die technischen Geräte. Weil ein echter Mensch, der Gefühle hat und zeigt, nun mal interessanter ist.
Und wenn man mittendrin dennoch merkt, dass die Aufmerksamkeit im Publikum sinkt?
ZeppezauerDann braucht es Interaktion: Fragen an die Menschen stellen, Geschichten erzählen, gemeinsam Dinge erarbeiten. Nicht nur Powerpoint verwenden, sondern ein Flipchart oder gemeinsam ein Plakat machen. Tatsache ist: 180 Textfolien in Folge kann kein menschliches Gehirn aufnehmen. Und trotzdem präsentieren die meisten so. Jede persönliche Interaktion ist besser als eine Folienflut.
„Klassisch war gestern“, sagen Sie. Wie präsentiert man also heute?
ZeppezauerExtrem publikumsorientiert. Früher galt eine Art Holschuld des Publikums. Vorträge waren vollgestopft mit Fachausdrücken und komplizierten Inhalten. Heute gilt vielmehr die Bringschuld des Vortragenden. Das Motto dabei: Keep it simple. Jeder muss es verstehen können. Als Vortragender musst du dein Publikum überzeugen. Und dazu musst du wissen, was dein Gegenüber braucht, wie es tickt. Ich muss es schaffen, innerhalb der ersten 18 Sekunden einen Anker zu setzen. Einen Nutzen herauszuheben. Sonst hole ich die Leute nicht ab. Menschen dort abzuholen, wo sie stehen, klingt banal, aber darum geht es.
Passend zu Ihrem Firmennamen: Was passiert in der ersten Sekunde, wenn man auf die Bühne geht? Wie gelingt ein guter erster Eindruck?
ZeppezauerZuerst nimmt man immer das Nonverbale wahr. Das Auge entscheidet als Erstes. Wir entscheiden nach drei Kriterien, wenn wir jemanden das erste Mal sehen. Erstens: Ist dieser Mensch eine Gefahr für mich? Zweitens: Hat er einen höheren oder niedrigeren Status als ich? Drittens: Finde ich ihn attraktiv? Der Gefahrenpunkt ist heute weniger relevant. Viel wichtiger ist der Status. Durch Körperhaltung und die Art, wie wir den Raum betreten, ob selbstsicher und stark oder unscheinbar und unsicher, machen wir unseren Status sichtbar. Ein fester Stand und offene Schultern sind ein ganz klares Zeichen. Zu jemandem, der im Status sicher wirkt, finde ich schneller Vertrauen. Ich muss als Vortragender oder als Leiter eines Meetings dem Publikum Sicherheit geben – so, als würde ich die Menschen als Gäste in meinem Haus empfangen. Das zeigt auch Führung und schafft Empathie. Führung auf der Bühne bedeutet, dass ich Hirte und nicht Schaf bin. Ich muss mein Thema führen und zwar mit Selbstsicherheit.
Kann jeder lernen, auf der Bühne zu begeistern?
ZeppezauerNicht jeder ist ein Rockstar – aber die eigene Botschaft authentisch, sicher und mit Begeisterung rüberbringen, das kann man mit professioneller Unterstützung lernen. Die Erfolgsfaktoren sind dabei für alle gleich: Vorbereitung, Anpassen ans Publikum, Dramaturgie und Authentizität. Wichtig sind auch Sprechpausen und die Art, wie man sich auf der Bühne bewegt.
Sie trainieren auch Start-up-Gründer. Worauf kommt es an, auf einer Bühne in wenigen Minuten mit seiner Idee zu überzeugen?
ZeppezauerEin Pitch soll wie ein Gruß aus der Küche sein. Man bekommt eine Kleinigkeit, bei der man denkt: Wow, ich will mehr davon! Die Investoren sollen sehen, dass man’s drauf hat. Kurz präsentieren ist viel schwieriger als lang, aber das ist der Sinn von einem Pitch – danach können Fragen gestellt werden. Und da passieren oft Fehler. Viele bauen zu wenig Vertrauen auf und reiten hingegen zu lange auf komplizierten technischen Prozessen herum.
Die Festrede oder die Keynote. Wie wird sie zu einem unvergesslichen Auftritt?
ZeppezauerMit Persönlichem und Emotionen. Menschen lieben Geschichten und Gefühle. Wenn du eine Festrede zur Pensionierung eines Mitarbeiters hältst, dann könnte die Geschichte so beginnen: „Ich erinnere mich noch, wie du vor 25 Jahren am ersten Arbeitstag ...“ Jeder folgt Geschichten oder auch Bildern und Interaktionen. Jeder Einstieg ist besser als eine Textfolie, auf der die Agenda steht. Floskeln wie „Schön, dass Sie so zahlreich erschienen sind“ wecken definitiv keine Begeisterung. Im Einstieg sollte man das Publikum mit etwas Emotionalem ansprechen, erst dann kann man zur Vorstellung übergehen oder sagen, worum’s heute gehen wird.
Wie gelingt so ein fesselnder Einstieg?
ZeppezauerIn den Einstieg investiere ich in der Vorbereitung die meiste Zeit. Ich überlege mir, wer im Publikum sitzen wird, wie ich diese Menschen begeistern kann, was sie bewegt. Das ist mein erstes Geschenk ans Publikum.
Man kann sich auf vieles vorbereiten. Aber nicht auf alles. Kann man Spontaneität lernen?
ZeppezauerAuf jeden Fall. Am besten durch Abwechslung im Kopf: lesen, kreative Spiele wie Activity, tanzen, musizieren oder über aktuelle Themen debattieren. Ich motiviere meine Kunden immer dazu, mit ihren Kindern zu spielen, ihnen frei erfundene Geschichten zu erzählen. Das alles bildet eine hervorragende Grundlage. Mit professionellem Coaching wird dann die Kompetenz geformt und bühnenreif.