Monatelange Vorbereitung, tagelanger Aufbau des Messestandes und dann pausenloses aktives Ansprechen von Kunden, potentiellen Kunden oder einfach neugierigen Besuchern. Zeit für einen Snack zwischendurch bleibt kaum und oft werden zum Abendessen auch noch Kunden eingeladen – an Ruhe ist während der gesamten Messe nicht zu denken. Die Kosten sind meist horrend. Die Nachbearbeitung braucht viel Zeit. Und der ganze Aufwand lohnt sich? Untersuchungen der AUMA – Verband der Deutschen Messewirtschaft – haben zwar ergeben, dass die Besucheranzahl auf Messen weniger wird, die Besucherqualität in Bezug auf deren Entscheidungsfähigkeit steigt aber deutlich an. Helmut Reiter, Geschäftsführer von blu donau beschäftigt sich seit Jahren intensiv mit dem Thema Messen und kann demnach bestätigen: „Über 60 Prozent der Messebesucher haben klare Kaufabsichten.“ Reiter kennt aber noch eine Zahl: 90 Prozent der Zeit, die Entscheider auf Messenverbringen,sindverplant.„Die Chance, dass ich mich auf die Messe stelle und warte, dass zufällig das Geschäft des Lebens vorbeikommt, ist klein.“ Aussteller müssen sich also genau überlegen, wen sie auf ihren Messestand einladen.
Von Angesicht zu Angesicht
„Nachdem vieles nur mehr online läuft, werden die persönliche Beziehung und der Kontakt zu Kunden immer wichtiger“, ist Walter Ilk, Geschäftsführer der Linzer Eventwerkstatt Ilk und Partner, überzeugt. Messen sind neben Events eine der wenigen Möglichkeiten, in direktem Diaolog „Face to Face“ zu kommunizieren. Und zwar sowohl mit bestehenden und potentiellen Kunden als auch mit Konkurrenten. „Bestehende Kunden wollen sich mit ihrem Lieferanten identifizieren und sehen, ob man noch am technisch letzten Stand ist und über neue Pro- jekte sprechen. Neue Kunden wollen sehen, was man technisch realisieren kann und welche Branchen von uns bedient werden“, begründet Christian Hefner von ACH Hefner Moulds seinen Auftritt auf der K-Messe in Düsseldorf. Mit mehr als 95 Prozent Exportanteil vom Gesamtumsatz ist für ihn der Auftritt auf einer internationalen Messe unumgänglich. Und das, obwohl die Kosten dafür erheblich sind. „Im ersten Moment übersteigen die Kosten den Nutzen bei weitem“, so Hefner. Wenn man jedoch nach der Messe die neuen Kontakte und die daraus resultierenden Aufträge betrachtet, seien die Kosten gerechtfertigt.
Großer Aufwand, große Wirkung
Design Center Linz am 1. Oktober. Drei Tage lang findet hier die SMART Automation Austria 2013, die Fachmesse für industrielle Automation, statt. Zahlreiche Besucher strömen durch die Halle, auf über 8.000 Quadratmetern werden Innovationen präsentiert, ein Messestand reiht sich an den nächsten. Gleich neben dem Eingang fällt der Blick auf den kleinen, aber sehr feinen Messestand des Gehäuse- spezialisten Schinko mit Sitz im Mühl- viertel. Auch Geschäftsführer Gerhard Lengauer ist überzeugt, dass der Stellenwert von Messen wieder höher wird. „Es geht darum, seinen Namen bekannt zu machen, präsent zu sein – wenn wir uns in Neumarkt verstecken, kommt keiner zu uns.“ Die hohen Kosten scheut auch er nicht: „Wenn bei einer Messe zwei konkrete Projekte herauskommen, dann hat sich der Auftritt rentiert“, so Lengauer. Rentabel ist der Auftritt auf der Herbstmesse „Alles für den GAST“ in Salzburg auch für das oberösterreichische Unternehmen „Rechberger“. „Die GAST hat für uns eine sehr große Bedeutung, weil diese Messe der wichtigste Branchentreff aller Lieferanten und Kunden ist“, so
Geschäftsführer Josef Schachermayer. Hauptsächlich gehe es ihm dabei um die Betreuung bestehender Kun- den und die Präsentation von Neuheiten und Entwicklungen.
Auffallen, aber nicht überfallen
Wie aber müssen die Neuheiten auf einer Messe präsentiert werden, damit diese überhaupt die Aufmerksamkeit der Besucher erregen? „Der Messestand muss in jedem Detail der Qualität der Produkte oder der Dienstleistung des Ausstellers entsprechen. Auf einem hausbackenen Messestand qualitativ hochwertige Produkte zu präsentieren ist wenig glaubwürdig“, so Walter Ilk. Es gehe also vor allem darum, den Messestand optisch erkennbar im Corporate Design des Unternehmens zu gestalten – und zwar am besten in origineller und kreativer Art und Weise. „Fragen Sie sich: Was sind die Mehrwerte, die nur mein Unternehmen bieten kann? Damit treten Sie bei der Messe auf!“ rät Gertrude Emrich von Party Rent, dem europaweit führenden Anbieter für Ausstattungslösungen bei Events, Messen und Live-Kommunikation. Hilfreich für die Inszenierung von Event-Designs ist die neue Tablet-App, die Gertrude Emrich mit Party Rent kreiert hat.
Wie wichtig es ist, mit einem Messestand aufzutreten, der der Firmenkultur entspricht, das weiß auch Helmut Reiter: „Es gibt nichts Schlimmeres als wenn ein Kunde an den Stand kommt, der eine sehr hohe Meinung vom Unternehmen hat und findet dann einen lieblosen Systemstand vor. Er wird emotional enttäuscht sein und den Wert des Unternehmens hinterfragen.“ Wobei ein Messestand keineswegs ein Bauchladen mit dem kompletten Angebot sein soll. „Ich muss mir gut überlegen, womit ich auf die Messe gehe – mit ganz speziellen Dingen! Ich muss eine Antwort auf die Frage finden: Warum soll mich jemand hier besuchen?“ sagt Reiter.
Sind die Besucher aber erst einmal da, ist das Spiel noch lange nicht gewonnen. „Ich gehe oft als Mister Anonym auf Messen – und erlebe dabei, dass viel zu oft die Meinung herrscht: Wenn ein Kunde etwas von mir will, kommt er eh zu mir“, erzählt Helmut Reiter. Das Szenario müsse man sich so vorstellen: Wenn ein Kunde durch die Messe geht, ist er unter Suchspannung. Er hat im Hinterkopf ein Problem, das er lösen möchte. So scannt er alles, das er auf der Messe sieht und irgendwann stößt er auf ein Produkt, das ihn interessiert und bleibt stehen. Genau das muss ein Verkäufer erkennen – und ihn auf eben dieses Interesse ansprechen.
Gefühlssache
Anela Hrnic von der Linzer Firma React hat es sich zur Aufgabe gemacht, Aktivitäten auf Messen zu konzipie- ren, die den Besuchern einen Zusatz- Benefit bieten, Stichwort Emotionsmarketing. „Messeauftritte, bei denen die Vertriebsmitarbeiter trockenes Fachchinesisch kommunizieren und sich mit der Übergabe des Produktfolders verabschieden, sind passé“, sagt Hrnic. „Kunden wollen verführt werden, sie wollen etwas erleben und sie wollen eine schöne Erinnerung mit nach Hause nehmen.“ Der springende Punkt dabei sei, dass der Besucher ins Geschehen miteinbezogen wird, nur so würde er eine Begeisterung für das jeweilige Unternehmen entwickeln können.
Das Ende ist erst der Anfang
Letzter Ausstellungstag, 18 Uhr, jetzt noch eine Abschlussfeier, dann ist das Thema Messe abgehakt. Tatsächlich? Ganz im Gegenteil! Denn sonst geht der eigentliche Sinn einer Messe – nämlich bestehende und neue Kontakte zu pflegen – verloren.
„Eine Messe ist kein Event, sondern ein Prozess, der über lange Zeit geht. Wichtig ist, dass ich die richtigen Schrauben finde, um den Erfolg bei der nächsten Messe noch zu verbessern.“ Helmut Reiter beobachtet gerne das Kommunikationsverhalten auf Messen: „Ich hinterlasse etwa 20 Visitenkarten pro Messe. Und jetzt stellen Sie sich vor: Lediglich zwei Firmen melden sich innerhalb von vierzehn Tagen, von drei bekomme ich erst in sechs bis acht Wochen eine Rückmeldung und vom Rest höre ich nie wieder.“ Das Ergebnis: Zwei Drittel der auf Messen geschlossenen Kontakte werden aktiv nicht weiterverfolgt. „Wer kann sich das heute noch leisten?“, ist Reiter entsetzt. Die Nachbearbeitung einer Messe sei schließlich der ausschlaggebende Punkt für den Erfolg. Deshalb hat der Messeexperte mit blu donau ein elektronisches Tool entwickelt mit dem viel versprechenden Namen „keep contact“. Der Verkäufer erfasst dabei auf unkomplizierte Weise gleich am Ende des Gesprächs alle Informationen wie „Wofür hat sich der Kunde interessiert?“, „Was haben wir vereinbart?“, und natürlich die Kon- taktdaten. Kaum hat sich der Messebesucher verabschiedet, erhält er auch schon ein e-mail. „Diese Schnelligkeit transportiert die Qualität der Kommunikation des Unternehmens“, erklärt Reiter.
Auch Anela Hrnic von React sorgt mit Promotion- und Incentive-Aktivitäten nach der Messe dafür, dass sich die Kunden an das Unternehmen erinnern und langfristig binden. Besonders im Trend liegt bei diesen Verkaufs- und Imageförderungen eine Kombination aus Offline- und Onlinemarketing. „70 Prozent der Kaufentscheidungen fallen am Point-of-Sale. Über die Online Kanäle kann die Reichweite um ein Vielfaches gesteigert werden“, so Hrnic.
Messbare Messe
Zur Nachbearbeitung gehört auch, Antworten zu finden auf Fragen wie: Welche Produkte erregten die meiste Aufmerksamkeit? Wie viele Menschen waren am Messestand? Dafür hat Helmut Reiter mit seiner Firma blu donau ein weltweit einzigartiges System entwickelt: „Unsere Messestände können gescannt werden. Das heißt, ich kann am Ende der Messe genau sagen, welche Wege die Besucher durch den Stand genommen haben, welche Produkte genau inspiziert wurden.“ Somit lasse sich eine Messe auf einfachste Art und Weise messbar machen. Versuchen wir es also mit einem Fazit: Wer einen Messeauftritt als einmaliges Ereignis sieht, der wird vor allem die Kosten spüren. Wer daraus eine Strategie entwickelt und den Auftritt ins Gesamtmarketing einbindet, der bekommt den Erfolg zu spüren.
Das 1x1 des Messeauftritts
Strategisch planen
Definieren Sie Ihr Ziel: Was wollen Sie mit einem Messeauftritt erreichen und welche Zielgruppe möchten Sie ansprechen? Welche Messe ist für dieses Ziel geeignet? Wen wollen Sie dazu einladen? Sind diese Fragen geklärt (meist ein Jahr bis drei Monate vor dem Messezeitpunkt), beginnt die Vor- bereitung: Konzeptentwicklung, Kostenaufstellung, Standplanung, Personalauswahl.
Image-Frage
Ein Messestand gibt Ihrer Unter- nehmensstrategie ein individuelles Gesicht und Ihrer Botschaft eine kreative Stimme – allerdings nur dann, wenn er authentisch und CI-gerecht gemacht ist. Eine besonders wichtige Rolle spielt das Personal: Identifiziert es sich mit der Marke und dem Gesamt- konzept, kann es als glaubhafter Unternehmensbotschafter auftreten. Nichts hinterlässt einen kompetenteren Eindruck als ein motivierter Mitarbeiter – da kann eine Hostess nicht mithalten.
Abstimmung von Marketing und Vertrieb
Marketingexperten sind gut darin, Messestände zur originellen Bühne zu machen. Wenn die Ver- triebsmitarbeiter jedoch nur die Schauspieler auf dieser Bühne sind, ohne zu wissen, worum es überhaupt geht, dann verfehlt der beste Messestand sein Ziel. Deshalb: Marketing und Vertrieb müs- sen aufeinander abgestimmt sein und gemeinsam eine Strategie erarbeiten, um den größtmöglichen Kundennutzen zu schaffen.
Sinnvolles Besucherprofil
Massenhafte Einladungsmails funktionieren nicht. Definieren Sie Zielgruppen und gleichen Sie diese mit den Besucherprofilen der jeweiligen Messe ab. Informieren Sie bestehende und natürlich auch potentielle Kunden über Ihren Messeauftritt. Machen Sie es ihnen dabei so einfach wie möglich, Sie auf der Messe zu finden.
Der Kundennutzen im Fokus
Ein Messestand ist keine dreidimensionale Produktbroschüre. Es geht nicht darum, das gesamte Produktportfolio zu zeigen, son- dern vielmehr darum, Kundenlösungen begreifbar zu machen. Vermeiden Sie außerdem Übertechnisierung. Eine Messe dient vorwiegend als persönliche Kommunikationsplattform.
Das Messegespräch
„Kann ich Ihnen helfen?“ Die wohl häufigste Frage, wie Verkäufer potentielle Kunden ansprechen. „Wer will denn schon als hilfsbedürftig abgestempelt werden?“ gibt Helmut Reiter von blu donau zu bedenken. Sein Tipp: Den Kunden möglichst gut beobachten und ihn anschließend auf sein Interesse ansprechen. „Ich sehe, Sie interessieren sich für XY, welche Lösung haben Sie geplant?“ Und dann: Den Kunden reden lassen und ihm gut zuhören!
Reflektion
Nicht die Messe selbst entscheidet über den Erfolg, sondern deren Nachbearbeitung. Dazu müssen alle gesammelten Informationen notiert und anschließend verwertet werden. Eine Abschlusskalkulati- on macht es außerdem einfacher, die nächste Messe zu planen.