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„Gemeinsam den Gipfel erreichen“

Begeisterter Bergsteiger, erfahrener Chirurg und profunder Kenner des heimischen Gesundheitswesens: Franz Harnoncourt hat im Juni die Führung der neu gegründeten Oberösterreichischen Gesundheitsholding (OÖG) übernommen. Was diese Aufgabe mit einer Bergtour verbindet, was er aus seiner Vergangenheit als Arzt mitnimmt und wo die Zukunft des heimischen Gesundheitswesens liegt.

Baustellen stellt man sich gemeinhin etwas ungeordneter vor: Lediglich ein lose aus der Wand ragendes Computerkabel zeugt im klimatisierten Besprechungsraum davon, dass der Umbau der landeseigenen Gespag zur Oberösterreichischen Gesundheitsholding noch in vollem Gange ist. Anfang Juni hat der 57-jährige Franz Harnoncourt den Vorsitz der dreiköpfigen Geschäftsführung übernommen und wird die acht Landesspitäler, das Kepler Universitätsklinikum (KUK) sowie die Ausbildungseinrichtungen und Gesellschaften für Rehabilitation und Pflege unter einem Dach zusammenführen. Mit 14.500 Mitarbeitern ist die Holding das größte Unternehmen des Landes.

Sie waren jahrelang als Chirurg und Geschäftsführer bei den Elisabethinen in Linz tätig und kennen sowohl das Handwerk als auch das Management. Hilft das bei Ihrer neuen Aufgabe?

Harnoncourt_Natürlich, die gemeinsame Sprache stärkt die Glaubwürdigkeit. Unsere Mitarbeiter wissen, dass ich fast 20 Jahre lang Nachtdienste gemacht, direkten Kontakt zu den Patienten gehabt und erlebt habe, wie das ist, in schwierigen Situationen präsent zu sein. Das erleichtert die Akzeptanz von bestimmten Entwicklungen und Entscheidungen, aber ersetzt nicht, dass man vor Augen hat, dass das Führen einer so großen Organisation ein eigenes Berufsbild ist. Ich sitze nicht als Arzt, sondern als Geschäftsführer mit einer ärztlichen Vergangenheit am Schreibtisch.

Vermissen Sie die praktische Arbeit als Arzt?

Harnoncourt_Ich denke gerne daran zurück und bin sehr dankbar für die Erfahrung, weil sie eine wichtige Grundlage dafür ist, was ich jetzt tue.

Was ist denn Ihrer Meinung nach zu tun?

Harnoncourt_Wir haben in Oberösterreich ein ausgezeichnetes Gesundheitswesen, eine hervorragende Infrastruktur und die Bereitschaft, die Entwicklung der Gesundheit als gesellschaftspolitische Aufgabe zu sehen, nicht nur als marktpolitische. Wenn wir überlegen, wohin wir uns entwickeln, müssen wir uns fragen, was die großen Herausforderungen der Zukunft sind. Das sind vor allem drei Punkte: Erstens die Demografie – es werden immer mehr Menschen ein höheres Lebensalter erreichen, gleichzeitig werden weniger Menschen auf dem Arbeitsmarkt aktiv sein. Zweitens die Digitalisierung: Die müssen wir als öffentlicher Träger ganz wach verfolgen und die großen Chancen nützen, weil Digitalisierung Menschen ein selbstbestimmtes Leben in den eigenen vier Wänden ermöglicht. Gleichzeitig muss man darüber nachdenken, wie viel wir von unseren medizinischen und Lebensentscheidungen an automatisierte Algorithmen übergeben. Das dritte Thema ist die unglaubliche Dynamik der Medizin, etwa Gentherapie und -analyse, Big Data, Microrobotics und so weiter.

Eine offene Zukunftsfrage ist auch jene nach der Finanzierung.

Harnoncourt_Das Thema ist nicht primär Aufgabe der Gesundheitsholding. Gesellschaftspolitisch relevanter ist für uns die Frage, wie wir genügend Menschen gewinnen können, diese wichtigen, bereichernden und für die Gesellschaft unverzichtbaren Berufe zu ergreifen. Da braucht es Fantasie, wie man die Bedarfe der Menschen, die im Gesundheitswesen arbeiten, und die Bedürfnisse der Menschen, die zum Beispiel 24/7 betreut werden müssen, in Einklang bringen kann.

Das dürfte vor allem in ländlichen Regionen zunehmend schwierig werden. Dort mangelt es immer öfter an Haus- und Fachärzten. Nicht nur deshalb stürmen viele die Spitalsambulanzen. Wie wollen Sie hier den Druck bei den Krankenhäusern rausnehmen?

Harnoncourt_Wir sind hier gefordert, mit unseren Systempartnern, insbesondere Sozialversicherung und Ärztekammer, an modernen Konzepten wie Primärversorgungseinheiten weiterzuarbeiten. Ich bringe da aus Deutschland schon viel Erfahrung mit. Was wir vor Augen haben müssen, ist, dass die nächste Generation gern im Team arbeitet, planbare Arbeitszeiten will und organisatorische und bürokratische Themen nicht als ihre Kernaufgabe sieht. Da müssen wir Rahmenbedingungen schaffen, um regionale Versorgung sicherzustellen.

Zugleich haben Sie angekündigt, dass sich manche Krankenhäuser auf bestimmte medizinische Bereiche spezialisieren. Wie soll das umgesetzt werden?

Harnoncourt_Die Krankenhäuser sind in der regionalen Versorgung der Patienten unverzichtbar, sie sind aber auch mehr: Sie sind immer ein starker Identifikationsort einer Region, als Arbeitgeber und als Ort der Sicherheit. Wenn Menschen oder Firmen überlegen, wo sie sich niederlassen, geht es immer um die drei Themen Bildung, Kultur und Gesundheit. Gleichzeitig überlegen wir in der Holding, wo wir Spezialthemen bündeln, sodass Menschen sicher sein können, dass sie für einen hochkomplizierten Eingriff oder eine Therapie an einen Ort kommen, wo das entsprechend den medizinischen Standards gemacht wird, und danach wieder in die regionale Versorgung und Betreuung kommen.

Beim Thema regionale Versorgung geht es immer auch um politische Befindlichkeiten und um Wählerstimmen. Wie viel Spielraum haben Sie im emotionalen Minenfeld Gesundheit?

Harnoncourt_Ich finde es nicht schlimm, dass es gesellschaftspolitische Diskussionen über die Frage gibt, wohin sich das Gesundheitswesen entwickeln soll. Wo sich alle einig sind, ist, dass wir eine flächendeckende, hochqualitative und – wo es medizinisch sinnvoll ist – wohnortnahe Medizin wollen. Und beim Bekenntnis zum gemeinsamen Projekt KUK und Medizinuniversität: Die Entwicklung eines Universitätsspitals ist für die Mitarbeiter eine riesengroße Aufgabe und eine echte Belastung, weil sie etwas Neues entwickeln müssen. Die leisten wirklich viel. Da müssen wir sie ausreichend mitnehmen und Sorge dafür tragen, dass wir ihnen Chancen und Perspektiven geben.

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