Das klingt erst einmal nach paradiesischen Arbeitsbedingungen. Urlaub machen, so oft und wann immer man will. Jederzeit Homeoffice-Tage einlegen. Nicht vor zehn erscheinen. Und um vier zum Sporttraining abdampfen. Aber übt genau diese Freiheit nicht noch mehr Druck aus als gewisse Regeln und die Grenze zwischen Freizeit und Arbeitszeit? Kommt dann nicht der Druck hinzu, sich umso mehr beweisen zu müssen? Michael Schernthaner antwortet mit einer Gegenfrage: „Brennt man jemals aus, wenn man ein Hobby macht?“ Klar könne es Tage geben, wo man’s übertreibt. Aber wie beim Sport gehe es dann darum, zu lernen, auf die Signale seines Körpers zu achten. Der Begriff „Work-Life-Balance“ würde verschwinden, ist Schernthaner überzeugt. Man versuche nicht mehr, Arbeit und Leben zu trennen, wie das Hobby sei die Arbeit ein Teil des Lebens. Macht etwa ein Mitarbeiter sieben Wochen Urlaub im Jahr, dann „wird er sich im Hotel einen Raum suchen, wo er immer wieder Zeit für seine Arbeit hat – so wie er sich Zeit nimmt, laufen zu gehen“, erklärt der CEO. Der Führungsstil bewirke nicht, dass jemand mehr oder weniger arbeitet, sondern effizienter.
Fairness? Ja, das geht.
Wäre da nicht die Sache mit dem Neid. Der Kollege ist fast nie da, während man selbst das Gefühl hat, den Laden quasi allein schmeißen zu müssen. Wenn da mal keine Konflikte vorprogrammiert sind. „Fairness funktioniert nur mit leistungsabhängigen Parametern“, sagt Schernthaner. Deshalb habe er ein System mit einem variablen Anteil des Gehaltes eingeführt. Am Anfang des Jahres werden gemeinsam Ziele vereinbart, großteils persönliche und natürlich das verbindende Ziel des wirtschaftlichen Erfolges des Unternehmens. Im Halbjahr wird Zwischenbilanz gezogen und dann kann es natürlich vorkommen, dass jemand am Ende des Jahres nur 80 Prozent seiner Ziele erreicht hat. Weil er etwa seinen Fokus auf etwas anderes in seinem Privatleben gelegt hat. „Damit es fair bleibt, bekommt derjenige dann 80 Prozent des variablen Gehaltanteils.“ Und was, wenn jemand 150 Prozent der ausgemachten Ziele erreicht, also so euphorisch gearbeitet hat, dass er weit mehr erreicht hat, als vereinbart wurde? „Das wird zwar vom Unternehmen nicht erwartet, aber auch das wird abgegolten“, so Schernthaner. Ob so ein Führungsstil auch ohne leistungsabhängige Parameter funktionieren könnte? Schernthaner schüttelt den Kopf. „Ich glaube nicht. Zumindest nicht auf faire Weise.“
Nichts fürs große Ego.
Für jeden Unternehmer sei dieses System aber nicht geeignet. „Wer so viel Verantwortung seinen Mitarbeitern übergibt, braucht Geduld, sollte nicht der strukturliebendste Mensch sein und sollte vor allem nicht das ausgeprägteste Ego haben“, sagt der Geschäftsführer und lacht. „Denn hier sind Sie als CEO nicht der Generaldirektor von Österreich, der in jeder Zeitung erscheint und das Unternehmen immerzu nach außen vertritt.“ Hier vertreten viele Leute das Unternehmen, tragen viele Leute das Wertesystem und „hier interpretiert man mich als Teil des Unternehmens“. Sein Ego halte das aber sehr gut aus, fügt er hinzu. Schwierig sei hingegen die Gesetzeslage für so eine Arbeitsweise. Denn wo ist der Mitarbeiter versichert, wenn er nicht im Unternehmen arbeitet? In jeder Betriebsvereinbarung braucht man eigentlich eine Gleitzeitregelung. „Das heißt, man stoßt immer wieder an gesetzliche Grenzen, wenn man dieses System wirklich durchsetzen möchte“, erklärt Schernthaner. Die gesetzliche Regelung sieht außerdem vor, dass der Geschäftsführer derjenige ist, der sich im Fall des Falles vor Gericht verantworten muss. „Und solange das so ist, sollte man dem Geschäftsführer auch das Recht geben, die finale Entscheidung zu treffen.“ Das störe aber in so einem System nicht. „Gestaltungswille bedeutet hier, etwas zur Entscheidung beizutragen, seine Ideen berücksichtigt zu wissen“, so Schernthaner. Dass er es am Ende ist, der die Entscheidung schließlich trifft, finde unter seinen Leuten große Akzeptanz. „Dabei ist nur eines wichtig: Dass ich erkläre, warum ich so entschieden habe. Sodass die Leute verstehen können, warum ihr Beitrag diesmal auf diese oder jene Art miteinbezogen wurde.“
Schur Flexibles
2012 gegründet, spezialisiert sich die Schur Flexibles Holding GesmbH auf Verpackungen, vom Rohstoffeinkauf bis zur Herstellung. Mittlerweile beschäftigt der Konzern mit Hauptsitz in Wiener Neudorf und einem Jahresumsatz von circa 550 Millionen Euro 1.750 Mitarbeiter in 23 Produktionswerken. Neben der Lebensmittelindustrie zählen auch Betriebe aus den Bereichen Pharmazeutik, Kosmetik sowie Tabakwaren zu den Kunden von Schur Flexibles.