Bei der Kundenorientierung herrscht in österreichischen Betrieben noch viel Luft nach oben. Schwarz auf weiß belegt das eine neue Studie des IMAS International. Dabei verfolgen doch viele Unternehmen den Leitgedanken, ihre Kund:innen in den Mittelpunkt zu stellen? Zumindest offiziell. Nicht ohne Grund sagt man seit jeher: „Der Kunde ist König!“ – aber stimmt das (noch)?
Eine berechtigte Frage, die sich auch die Initiatoren der Studie gestellt haben: Paul Eiselsberg, Senior Research Director bei IMAS International, sein Bruder Markus Eiselsberg, Geschäftsführer der Visiomedia Kommunikationsdienstleistung, und Michael Ehrengruber, Marketingleiter der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich. Die kurze Antwort: „Auch wenn es in vielen Unternehmensphilosophien steht, ist das derzeit bei vielen nicht der Fall“, erklärt Paul Eiselsberg. Und die lange Antwort?
Von Bestnoten ist man im Moment weit entfernt. Lediglich jede:r Fünfte hält diese für angemessen. Tendenz sinkend. „Wir stellen fest: Die Österreicher:innen sehen bei der Kundenorientierung noch viel Luft nach oben, die Zufriedenheit ist im Trend etwas rückläufig“, so eines der Erkenntnisse aus der Studie. Das Problem? Eine immer größer werdende Erwartungshaltung auf der Seite der Kund:innen trifft auf wachsende Schwierigkeiten für Unternehmen, diese Ansprüche in all ihren Facetten zu bedienen.
Die Lage verschärft sich
Nicht ganz unbeteiligt an den Entwicklungen: Corona. Die Pandemie hat das Gefälle zwischen Angebot und Nachfrage zusätzlich verschärft. „Heutzutage will man sich noch viel stärker abgeholt fühlen, während die Unternehmen mit neuen Herausforderungen zu kämpfen haben. Da bleibt wenig Zeit, innezuhalten und Prozesse neu zu sortieren“, erklärt Paul Eiselsberg das Dilemma.
Als Schlüsselfiguren erweisen sich kompetente Mitarbeiter:innen. Sie sind ein wertvolles Bindeglied,wenn man so will. Diese für sich zu gewinnen ist in Zeiten des Fachkräftemangels nicht ganz so einfach – strenggenommen aber auch nicht immer nötig. „Es geht nicht nur darum, die besten Expert:innen zu finden, es braucht auch eine starke soziale Kompetenz und Empathie“, so Paul Eiselsberg. Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft des Personals würden häufig mit positiven Erfahrungen aufseiten der Kund:innen einhergehen. Es braucht also Kompetenzen, die nicht direkt eines fachlichen Know-hows bedürfen. Generell gibt es für Betriebe viele Stellschrauben, die es nur richtig zu drehen gilt.
Dafür gebe es genug Vorbilder, betont Markus Eiselsberg. „Einige innovative Unternehmen verfolgen einige spannenden Ansätze: Bei manchen gibt es zum Beispiel einen freien Sessel, auf dem symbolisch die Kundschaft sitzt. Man fragt sich, was sie konkret zu den getroffenen Entscheidungen sagen würde.“ Eine Frage des Mindsets also? „Ganz eindeutig“, pflichtet Ehrengruber bei. „Alle Prozesse müssen intern aufeinander abgestimmt sein und ein Bewusstsein schaffen. Die Aufgabe des Marketings ist es, Anwalt der Kund:innen im Unternehmen zu sein.“ Danach heiße es: Alle müssen gemeinsam an einem Strang ziehen.
Die Zukunft: einfach, schnell und direkt
Was Unternehmen jetzt konkret tun können? „Sich die berühmte Kundenbrille aufsetzen, vieles wird dann plötzlich sonnenklar“, regt Markus Eiselsberg an. Sein Bruder geht sogar noch einen Schritt weiter. „Am besten ist, man druckt sich das eigene Organigramm aus und schreibt seine Kund:innen an die oberste Stelle. Das hat große Symbolkraft.“
Ehrengruber selbst sieht im Bereich Marketing vor allem die digitale Kundenreise als Treiber für Serviceorientierung. Mit simplen Dingen, wie einer einfachen Usability der Website auf dem Smartphone, punktet man bereits bei den Nutzer:innen. Man könnte meinen, das sei längst gang und gäbe. Seine Erfahrung zeigt ihm jedoch immer wieder, dass es gerade diese Kleinigkeiten sind, die einige übersehen. Gemeinsam mit Markus Eiselsberg hat er daher einen Handwerkskoffer für Marketer:innen entwickelt – #marketinginsights: Content Marketing entlang der Customer Journey. Mit ihrem Buch möchten sie auch praktische Tipps geben, um Kund:innen in den Mittelpunkt aller Kommunikationsaktivitäten zu stellen. Und darum geht es schlussendlich: Die Kund:innen ins Zentrum der Überlegungen rücken“, lautet der Apell._
Next-Level-Kundenorientierung
3 Tipps der Profis
#1 Empathie und Verständnis zeigen. Diese Werte haben zuletzt an Bedeutung verloren. Wer sich auf sie rückbesinnt und sich auf einen Perspektivenwechsel einlässt, wird Kund:innen langfristig für sich gewinnen.
#2 Mit der Zeit gehen. In vielen Bereichen wird es auf einen gelungenen Mix aus Offline- und Onlineangeboten ankommen, den man zum eigenen Vorteil nutzen sollte.
#3 Auf die Kundenorientierung fokussieren. Sprich, individuelle Bedürfnisse verstehen und darauf eingehen. Sei es durch Flexibilität, Digitalisierung oder besonderen Service.
Man muss sich selbst die Frage stellen: Ist Kundenorientierung bei uns wirklich die Maxime?
Markus Eiselsberg
Geschäftsführer, Visiomedia Kommunikationsdienstleistung
Bei der Kundenorientierung braucht es Direktheit und ein Verständnis für das Problem.
Paul Eiselsberg
Senior Research Director, IMAS International
Die Aufgabe des Marketings ist es, Anwalt der Kund:innen im Unternehmen zu sein.
Michael Ehrengruber
Marketingleiter, Raiffeisenlandesbank Oberösterreich