6.30 Uhr, der bunte Smoothie für den leckeren Vitaminstoß wirbelt in der Maschine. Wenige Bürostunden später sinkt das Energielevel nach unten. „Reden wir über die Bauweise der Räume, in denen wir uns täglich aufhalten“, sagt Baubiologin Angelika Becker. Über Energieräuber im Büro und smarte Baustrategien für gesunde, motivierte Mitarbeiter:innen.
Es ist elf Uhr, die Augen beginnen zu jucken. Das erste Mal auf die Uhr blicken, noch fünf Stunden arbeiten. Spätestens nach Mittag wird es schwierig, sich zu konzentrieren. Die Luft riecht schlecht, der Raum ist laut. Einige Stunden später, endlich, Laptop zuklappen und ab nach Hause zum Ausrasten. Kann es sein, dass die körperlichen Befindlichkeiten weniger mit dem Job als vielmehr mit dem Büroraum zu tun haben?
Wir treffen Angelika Becker in ihrem Büro. Es riecht leicht nach Orangenöl und Holz. Große Zimmerpflanzen bringen Grün in den Raum. Die Baubiologin und Architektin sitzt an ihrem Computer, am Entwurf für ein Büroprojekt. Um sie herum stapeln sich Materialproben – von der Tonwand bis zur stilvoll gestreiften Akustikplatte aus Schafwolle. Wie ist sie darauf gekommen, sich mit Baubiologie zu beschäftigen? „In der klassischen Architektur wird viel auf die Gestaltung und Funktionalität Wert gelegt – aber weniger darum, wie es dem Menschen in dem gebauten Umfeld geht.“ Angelika Becker wollte mehr über die Einflussfaktoren in Erfahrung bringen. Und erkannte den Zusammenhang zwischen Gestaltung und Produktivität. Und warum es auch eine baubiologische Analyse von Gebäudeplanungen braucht.
Warum braucht es die Baubiologie? Sind Häuser nicht eh gesund?
Die Baubiologie als eigene Lehre für das Zusammenspiel aus Mensch und gebauter Umwelt entstand in den 1960er Jahren mit dem Aufkommen von Kunststoffen im Baubereich und einem geänderten Lebensstil. „Davor wurde mit zwölf oder fünfzehn Baustoffen gebaut“, so die Architektin. Man baute die Häuser mit dem, was in der Natur vorhanden war. Zudem waren die Menschen früher viel mehr an der frischen Luft – im Gegensatz zu heute, wo der Mensch im Schnitt 90 Prozent im geschlossenen Raum verbringt.
Neu auf dem Baustoffmarkt waren: Verkleidungen, Laminate, Versiegelungen, Dämmstoffe, Kunstharzputze und mehr. Die Ausdünstungen der Stoffe stellten ein Novum und eine neue Belastung für den Menschen dar.
Schlechtere Luft als auf der Straße
Ein weiteres Problem, das sich mit der modernen Bauweise etabliert hat, ist die Schimmelproblematik, da die Häuser durch eine schnellere Bauweise nicht mehr richtig austrocknen können. Und die Dämmung von Gebäuden tut ihr Übriges dazu. „Die Häuser waren früher ein bisschen undichter, da sind manche Probleme gar nicht erst entstanden.“ In geschlossenen Räumen, wenn sie recht dicht sind, habe man jetzt eine schlechtere Luft als neben einer vielbefahrenen Straße, weil die CO2-Belastung recht hoch sei.
Die Mitarbeiter:innen seien, sobald sie das Büro betreten, einem gesundheitlichen Stress ausgesetzt, sagt die Expertin. Denn die Büros von heute sehen oft gleich aus: grauer Kunstfaserteppich, keine Pflanzen, schlechte Raumakustik. Keine Farben, kein optimales Licht. Doch das lasse sich ändern. Es reichen oft einfache Mittel, um Büroräume lebenswerter und gesünder zu gestalten. Das Zauberwort ist, mehr Natur und menschenfreundliche Gestaltung ins Büro zu lassen. Neben einer angenehmen Lichtgestaltung gibt es ein Bündel an Baumaßnahmen, die Vitaminen gleich für den nötigen gesunden Kick sorgen._
Die Vitaminkur fürs Büro
Vitamin F – Farben.
Schon ein Schuss Farbe in die weiße Wandfarbe macht den Raum freundlicher. Plus: Mut zu einzelnen Akzentfarben, etwa für Einzelwände. Zertifizierte Naturfarben ( mineralische, Kalk-, Lehmfarben) verwenden.
Vitamin H – Holz.
Das A und O. Als geölte (nicht lackierte!) Böden, Möbel, Wandgestaltung.
Vitamin P – Pflanzen.
Großblättrige Pflanzen nehmen Schadstoffe auf und filtern die Luft. Sie sind ästhetisch, wirken anregend und sorgen für Wohlbefinden.
Vitamin L – Luftfeuchtigkeit.
Atmende Wände mit Kalk-Tonputz oder Lehmputz nehmen Feuchtigkeit auf und geben sie an den Raum ab.
Vitamin S – Schallschutz.
Schallschutzelemente aus Holz, Textil oder als Putz können gezielt platziert den Geräuschpegel bereichsweise senken.
Vitamin W – Willkommenskultur.
Das Büro einladend gestalten, für Mitarbeiter:innen wie Kund:innen.
Die Energieräuber – eine Auswahl.
- Trockene Luft, aufgewirbelter Staub( zB durch Heizkörper)
- Ausdünstungen der Baumaterialien (zB Dispersionsfarben, Klebstoffe)
- Hohe CO2-Konzentration durch zu seltenes Lüften
- Keine oder zu wenig Pflanzen
- Schlechte Raumakustik
- Kaltes Licht
30 Prozent mehr Produktivität durch gute Bürogestaltung!
Angelika Becker
Baubiologin und Architektin