Bei der Fahrt in das neue Einkaufszentrum in Ried im Innkreis lotst uns das Navi ganz ungewohnt mitten ins Stadtzentrum. Doch der Weg stimmt. Das Ende August neu eröffnete Einkaufszentrum Weberzeile wurde nicht wie viele andere Einkaufszentren am Stadtrand, sondern im Zentrum der Innviertler Stadt gebaut. Dort fügt sich das Gebäude gut in das bestehende Ortsbild ein. Die Außenfassade besteht aus bunten Verputzhäusern mit kleinen Balkonen. „Wir haben ganz stark versucht, das Bestehende aufzunehmen und fortzuführen“, erzählt die Center-Managerin Brigitte Biberger bei einem Rundgang. Der Name Weberzeile ist eine Anlehnung an die historischen Wurzeln der Stadt als Zentrum der Leinenweberei. Das Logo symbolisiert die Salzachstil-Fassade des Rieder Stadtkerns.
"Dass ein Einkaufszentrum als Erweiterung des Angebots gesehen wird, ist sehr selten."
Brigitte BibergerCenter-Managerin, Shopping- Center Weberzeile Ried im Innkreis
Stichwort Bestehendes: Branchenkenner sind sich einig, dass der Handelsmarkt gesättigt ist. Die Umsätze stagnieren. Österreich hat mit zwei Quadratmeter pro Kopf europaweit die meiste Verkaufsfläche, die erstmals in den vergangenen zwei Jahren in allen Branchen mit Ausnahme des Lebensmittelhandels leicht rückläufig war. Die Einkaufszentren haben laut dem Beratungsunternehmen „Standort und Markt“ mit 25 bis 30 Prozent der gesamten Kaufkraft einen sehr hohen Anteil erreicht. Dazu der Geschäftsführer Hannes Lindner: „Dieser Marktanteil wird sich nicht mehr gravierend in die positive Richtung entwickeln sondern eher leicht rückläufig sein.“ Er geht von einer Flächenstagnation aus. Einige Teilnehmer werden den Markt verlassen, andere brauchen zusätzliche Flächen:„Die Händler suchen den persönlichen Kontakt zu den Endverbrauchern. Dafür ist ein qualitativer Standort erforderlich, um in die Wahrnehmung der Konsumenten zu kommen.“ In Amerika habe etwa Amazon bereits den zweiten Buchladen eröffnet.
Top 3 der City-Einkaufslagen
Laut Roland Murauer vom Beratungsunternehmen CIMA mit Sitz in Ried im Innkreis sei Ried zu klein für „eine überregional bedeutende Shoppingdestination. Es geht darum, die Leute vom Zentralraum abzuhalten, weiter wegzufahren oder im Internet einzukaufen“, erklärt Murauer, dass diese Zielgruppe auch gut angesprochen werde. Ried war schon immer ein wichtiger Handelsstandort und belegte bisher Top drei der City-Einkaufslagen in Oberösterreich. Mit der Weberzeile kommt die Innviertler Stadt fast auf Welser Niveau mit rund 135 Millionen Euro Umsatz in der Innenstadt, so Murauer. Die Welser Innenstadt erwirtschaftet rund 138 Millionen Euro Umsatz, Platz eins belegt wenig überraschend Linz mit knapp 500 Millionen Euro. Ried habe ein sehr großes Einzugsgebiet mit über 100.000 Einwohnern, sind sich die beiden Experten einig. Ob auch das angrenzende Bayern mit der Weberzeile angesprochen werden könne, ist Murauer aus drei Gründen skeptisch: Entlang des unmittelbaren Grenzraumes liegen sehr bevölkerungsarme Gemeinden, Richtung Passau seien die Verkehrsverbindungen nicht optimal und in den Städten gebe es zum Teil ein wesentlich dichteres Angebot. Center-Managerin Biberger entgegnet Murauer, dass am Tag der deutschen Einheit bei einigen Shops über dreizehn Prozent der Kunden aus Bayern gekommen sind: „Alles, was in 35 Fahrminuten erreicht werden kann, gilt als potentielles Einzugsgebiet.“ Die ersten Monate nach der Eröffnung seien auch zur vollsten Zufriedenheit gelaufen – das Ziel der täglichen Kundenfrequenz wurde bereits von 8.000 auf 10.000 nach oben korrigiert.
Enge Zusammenarbeit mit Stadt
Es sei ein guter Branchenmix in der Weberzeile gelungen, sind sich die Branchenexperten einig und sprechen von „einem Angebot, das bislang im Innviertel nicht verfügbar war“ und „sehr zugkräftigen Mietern, die Kunden ansprechen können“. Biberger spricht von einem bunten Mix aus regionalen und nationalen Anbietern. Erstmals ist nun auch der norwegische Modekonzern Varner mit der Herrenmode-Marke „Dressmann“ und dem Girls-Label „Bik Bok“ in Oberösterreich vertreten. Für den Erfolg wesentlich sei auch die „sehr enge und gute Zusammenarbeit“ mit der Stadt. „Dass ein Einkaufszentrum als Erweiterung des Angebots gesehen wird, ist sehr selten“, erklärt Biberger, dass die Mehrheit sehr positiv gegenüber dem neuen Angebot eingestellt ist und die Weberzeile nicht als Konkurrenz gegenüber dem bestehenden Handel gesehen wird. Es wurde auch eine gemeinsame Gutscheinwährung mit dem Stadtmarketing eingeführt. Da sich das Einkaufszentrum in der Innenstadt befindet, sind nur die ersten zwei Stunden beim Parken gratis: „Damit sind wir auf einer Augenhöhe mit der Stadt Ried.“
"Die Kombination aus einem Großunternehmen und einer kleinen, feinen Technikschmiede macht uns flexibel und die Produkte stark."
Leohard KlabischnigBereichsleiter Salzburg, Elin
Von Branchenexperten kommt auch Anerkennung für den Standort und die Architektur. „Ein Bekenntnis zum innerstädtischen Handel“, lobt Lindner. Laut Muraurer sind in den letzten Jahren bereits eine Reihe von innerstädtischen Einkaufszentren europaweit in vielen Städten und auch in Österreich entwickelt worden, jedoch sei die äußerst großzügige Flächengestaltung in der Weberzeile „außergewöhnlich“. Bisher hätten die Betreiber von innerstädtischen Einkaufszentren immer versucht, möglichst viel von der vorhanden Fläche zu nutzen, weil Grund und Boden in der Innenstadt sehr teuer sind: „Die Weberzeile hat fachlich gesehen einen sehr interessanten und großzügigen Ansatz, den Betreibern gebührt ein Lob für diesen Mut.“ Lindner bezeichnet die Weberzeile als richtungsweisend für die offenere Gestaltung von Einkaufszentren in der Stadt: „Da gibt es die Chance, dass die gesamte Stadt davon profitiert.“ Ein nächster, wünschenswerter Schritt seien Einkaufszentren, wo komplett auf die Mall verzichtet wird und stattdessen Stadthäuser ähnlich einer Geschäftsstraße entwickelt werden: „Da öffnet man sich komplett und das Shopping Center verschwimmt mit dem Stadtbild.“ In diese Richtung werde sich in den nächsten Jahren auch einiges tun, Lindner kennt eine Handvoll Projekte, wo man Innenstadthäuser für den Einzelhandel aufbereiten möchte.
Digitales Informationssystem
Betreiber der Weberzeile ist die Spar Shoppingcenter Tochter Spar European Shopping Centers (SES), die aktuell 30 Shopping-Center in Zentral-, Süd- und Osteuropa entwickelt, errichtet und betreibt und Marktführer in Österreich und in Slowenien ist. Die Weberzeile ist neben dem Varena in Vöcklabruck und dem Max.Center in Wels das dritte Einkaufszentrum in Oberösterreich und gleichzeitig das erste innerstädtische Einkaufszentrum des Unternehmens. Zur großzügigen Architektur in der im August neu eröffneten Weberzeile gehört auch ein digitales Informationssystem. Es wurden vier Projektionsanzeigen im Liftbereich und drei doppelseitige, interaktive Anzeigentafeln, passend zum Design des gesamten Shopping Centers, in Kooperation zwischen Elin, dem größten Elektrounternehmen Österreichs und der Salzburger Firma Smart Alliance aufgestellt. „Die Kombination aus einem Großunternehmen und einer kleinen, feinen Technikschmiede macht uns flexibel und die Produkte stark“, sagt Leonhard Klabischnig, Bereichsleiter von Elin Salzburg über die erfolgreiche Zusammenarbeit. In der Umsetzung für die Weberzeile gab es eine nicht alltägliche Vorgabe seitens des Architektenbüros: Die Anzeigentafeln sollten passend zum Design des Shopping Centers einen Schildcharakter vermitteln und so auf einem Bein stehen. „Wir hängen nicht einfach nur einen Monitor rein“, sagt Klabischnig über den Mehrwert und zeigt die Funktionen vor. Kunden der Weberzeile finden einen Shop-Plan und die Öffnungszeiten der verschiedenen Geschäfte und Gastronomiebetriebe. Weiters sind alle Services des Hauses aufgelistet und das Wetter kann auf dem einfach bedienbaren Touchscreen-Bildschirm abgerufen werden. „Kunden finden genau jene Informationen, die sie im Shopping Center brauchen“, erklärt Klabischnig. Es sollen die Konsumenten gezielt informiert und gleichzeitig die Verweildauer möglichst kurz gehalten werden.
"Die klassischen Schilder und Plakate wird es zukünftig weniger geben."
Martin BrandauerGeschäftsführer, Smart Alliance
„Es gibt derzeit auch keine Firmen am österreichischen Markt, die so ein interaktives Komplettsystem, bestehend aus Gehäusedesign, Hard- und Software sowie einem eigens entwickelten Content- Management-System zur Zusammenstellung und Steuerung der Inhalte auf den Anzeigen, liefern können“, sagt der Geschäftsführer von Smart Alliance, Gerhard Oberholzner. Der Kunde bekommt ein Komplettsystem geliefert und im laufenden Betrieb wird die Funktion des Systems überwacht. Wenn ein System, bestehend aus Software und Hardware, nicht von einer Firma geliefert wird, komme es bei Problemen schnell einmal zu Diskussionen, wer nun „der Schuldige“ sei. „Unseren Kunden kann das nicht passieren“, so Oberholzner. Das System wurde über fünf Jahre entwickelt – auch in enger Abstimmung mit Brigitte Biberger, die zum Start dieser Entwicklung Marketingleiterin im Europark Salzburg war. Aktuell ist die Plattform bereits in vier Shopping Centern der SES-Gruppe österreichweit installiert. Bei vielen existierenden Einkaufszentren gäbe es oft nur analoge Informationstafeln, die bereits mehrmals überklebt wurden und trotzdem nie ganz aktuell sind. „Unser Ziel war eine digitale Informationsplattform für Einkaufszentren, wo sowohl das Center Management aktuelle Infos und Werbung kommunizieren kann, als auch die einzelnen Shop-Partner tagesaktuell ihre Kunden direkt informieren können“, sagt Oberholzner. Die SES könne mit der Plattform eine zentrale Werbe- und Informationskampagne in mehreren Einkaufszentren schalten und gleichzeitig könne jedes Haus seine Kunden individuell informieren. Ergänzend könne zum Beispiel auch ein Leitsystem für eine Evakuierung im Notfall umgesetzt werden. „Damit kann man den Kunden im Notfall im gesamten Einkaufszentrum sofort Anweisungen zur Evakuierung geben“, erklärt Klabischnig eine Funktion, die für Einkaufszentren sehr wichtig ist.
„Die klassischen Schilder und Plakate wird es zukünftig weniger geben. Es braucht eine Informationsplattform, die nicht aufdringlich informiert, sondern gezielt und entsprechend den Bedürfnissen interaktiv nutzbar ist“, sagt Martin Brandauer, der zweite Geschäftsführer der Smart Alliance, über die Zukunft von Kommunikationssystemen. Die von ihnen entwickelte Software- und Hardwareplattform wird zukünftig individuell für weitere Märkte adaptiert. Neben den Einkaufszentren gibt es bereits Lösungen im Tourismusbereich, wie etwa für Gondeln, im Stadtmarketing sowie im Kommunal- und Eventbereich. Das bewegte Bild werde „state of the art“ – so wie uns auch Navis zukünftig öfters beim Einkaufen in Shopping Centers ins Stadtzentrum lotsen werden.