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„Wir sind nicht auf der Nudelsuppe daher geschwommen“

Das Schreckensgespenst „Digitalisierung als Jobkiller“ hält sich hartnäckig. Joachim Haindl-Grutsch, Geschäftsführer der Industriellenvereinigung Oberösterreich, erzählt, warum neue Technologien immer eine Jobmaschine sind und welche Herausforderungen die Industriebetriebe beim Thema Industrie 4.0 gerade zu bewältigen haben.

Der Philosoph und Autor Richard David Precht zeichnet ein düsteres Bild: Durch die Digitalisierung werden viele Arbeitsplätze verloren gehen.

HAINDL-GRUTSCH_Die Digitalisierung ist eine Entwicklung, die seit knapp 70 Jahren läuft. Deswegen ist es grundfalsch, wenn manche Propheten der Arbeitsapokalypse schon wieder herumrennen und sagen, dass die Maschinen und Computer den Menschen die Arbeit wegnehmen. Der einzige Unterschied bei der aktuellen vierten Revolution ist, dass sie in einem viel höheren Tempo passiert – was früher ein Jahrzehnt gedauert hat, dauert heute zwei Jahre. Durch alle industriellen Revolutionen wurde der Mensch von monotoner, gefährlicher und körperlich schwerer Arbeit Schritt für Schritt entlastet. Angstparolen und die Reaktion, technologischen Fortschritt besteuern (Anm.: Maschinensteuer) zu wollen, sind der falsche Zugang. Angst bei Veränderungen hat es immer gegeben, damit kann man die Bevölkerung auch wunderbar beeinflussen.

Was macht Sie zur Annahme, dass durch Industrie 4.0 keine Jobs verloren gehen, so sicher?

HAINDL-GRUTSCH_Zwei Beispiele aus der Vergangenheit: Früher waren 30 Prozent aller Erwachsenen notwendig, um die Bevölkerung mit Nahrungsmitteln zu versorgen. Heute sind es drei Prozent, weil die Landwirtschaft mit Maschinen aufgerüstet wurde – es sind aber nicht 27 Prozent arbeitslos geworden. 1950 waren im Fernmeldewesen in Österreich 10.500 Leute beschäftigt, heute arbeiten im Nachfolgesektor IKT rund 128.000 Beschäftigte. Und heute haben jene Länder mit der höchsten Roboterdichte weltweit – Japan, Südkorea und Deutschland – eine besonders niedrige Arbeitslosigkeit. Neue Technologien sind immer eine Jobmaschine, wenn man selbst bei der Entwicklung dabei ist und auf der Technologiewelle mitsurft. Selbst in hochentwickelten Ländern wie Österreich gibt es noch genug Jobs, die ein Mensch im 21. Jahrhundert mit den technologischen Möglichkeiten nicht mehr machen sollte. Die Evolutionen schaffen bessere, höherqualifizierte Jobs, die aber natürlich eine bessere Bildung voraussetzen.

Aber gibt es diese ausreichend besser qualifizierten Menschen?

HAINDL-GRUTSCH_Das ist ein Strukturwandel. Wenn man einen Voest-Arbeiter aus den 70er-Jahren heute zu einem Hochofen stellen würde, wäre er auch völlig überfordert. Die große Herausforderung ist, dass wir wegen des schnelleren Wandels die Menschen rascher als früher für die neue Arbeitswelt fit machen müssen. Dabei besteht einerseits eine Bringschuld, das Bildungssystem zukunftsfit zu machen, sodass die Leute nach Absolvierung einen guten Arbeitsplatz bekommen. Andererseits auch eine Holschuld der Jugendlichen und Erwachsenen, die sich in Eigenverantwortung weiterbilden müssen.

Ist unser Bildungssystem zukunftsfit?

HAINDL-GRUTSCH_Es hat sich viel getan, so wurden etwa in den 90er-Jahren die FHs gegründet, diese bilden heute einen Riesensektor. Wenn man Kritik am Bildungssystem äußern könnte, dann, dass sich die organisatorischen Voraussetzungen im Bildungswesen nicht mitentwickelt haben. Ein Direktor braucht Budget- und Personalautonomie. Damit schafft man Wettbewerb innerhalb der Schulen, das System wird transparent und es kommt automatisch zu einer Weiterentwicklung – so wie das auch bei Unternehmen gut funktioniert.

Aktuell gibt es viele Klagen von Unternehmen, dass sie für bestimmte Spezialgebiete – besonders in der IT – keine Mitarbeiter finden. Wo liegen da die Versäumnisse?

HAINDL-GRUTSCH_Ein Zitat von Bill Gates beweist, dass selbst die größten Experten keine Ahnung von der Zukunft haben und daher hat man dies auch nicht in diesem Ausmaß und Tempo erkennen können. Gates hat 1981 gesagt, dass ein Mensch niemals mehr als 640 Kilobyte Speicher braucht. Insgesamt bemüht man sich um das Problem des Fachkräftemangels schon seit Jahren. Aber die Entwicklung geht so rasch und gleichzeitig ist das politische System in der Reaktion oft viel zu träge. Jeder Industriebetrieb braucht mittlerweile Softwareingenieure, wir bräuchten jetzt kurzfristig eine Vervierfachung der Absolventen. Bei den IT-Fachleuten scheitert es an zwei Hauptaspekten: Erstens muss man die Leute gut informieren, damit sie jene Ausbildungseinrichtungen wählen, die besonders stark nachgefragt sind. Der Soziologe, der nach seinem Studium im Taxi sitzt, ist volkswirtschaftliche Geldvernichtung. Zweitens muss Oberösterreich als Bildungsstandort attraktiv sein und diesen Aspekt sehen wir mit Sorge. An der TU Wien mussten die Informatik-Studienplätze wegen der hohen Nachfrage begrenzt werden, während in Linz die Zahlen stagnieren. Da müssen alle – die Universität und auch wir als Industrie – zusammenhelfen, dass wir wieder so attraktiv werden, dass die Leute in Linz studieren wollen.

Thomas Uhr, BRP-Rotax-Geschäftsführer, fordert, den jungen Menschen in den Schulen Mathematik und die naturwissenschaftlichen Fächer mit mehr Begeisterung zu vermitteln …

HAINDL-GRUTSCH_Uhr hat völlig recht, es ist in der digitalen Welt entscheidend, mit Zahlen umgehen zu können. Die alte Botschaft, dass wir mehr Menschen mit MINT-Kompetenz brauchen, ist noch immer nicht angekommen. Es ist aber auch offensichtlich ein Problem von hochentwickelten Gesellschaften, dass der Andrang auf technische Ausbildungen, die schwieriger sind, geringer ist. In Entwicklungsländern drängen die jungen Menschen eher in den technischen Bereich, weil dieser das Sprungbrett zu einer beruflichen Karriere und Wohlstand ist. In unserer Erbengesellschaft, wo die Jungen überspitzt formuliert das Auto zur Matura und das Haus von der Oma bekommen, steht oft die Work-Life-Balance an erster Stelle, weil die jungen Menschen das Geld eh nicht brauchen. Diese Klage kommt auch von vielen Industriebetrieben, dass die jungen Leute, die sich nach ihrer Ausbildung voll in den Beruf reinhauen und sich etwas aufbauen wollen, weniger werden.

Wie gut sind die Industriebetriebe in Oberösterreich beim Thema Industrie 4.0 aufgestellt?

HAINDL-GRUTSCH_Wir leben im industriellen Herzen Europas. Süddeutschland, Schweiz, Norditalien und Österreich sind die stärksten Industrieregionen Europas und einer der industriellen Hubs der Welt, mit etwa den besten Autos oder Maschinen. Wir sind nicht auf der Nudelsuppe daher geschwommen. Nur der Wandel ist so schnell, die Vergangenheit bringt uns nichts für die Zukunft: Das Match ist jeden Tag neu zu gewinnen. Besonders in OÖ gibt es sehr viele Technologieleitbetriebe mit großen Entwicklungsabteilungen – da liegt es in der Natur der Sache, dass solche Betriebe früher dran sind. Trotz allem hat sich das Meinungsbild in den vergangenen zwei, drei Jahren noch erheblich verändert und es wurden Anwendungsbereiche sichtbar, an die man zuvor noch nicht gedacht hat.

Welche Bereiche sind das?

HAINDL-GRUTSCH_Industrie 4.0 ist nicht nur eine Frage der Fertigung, weil in der Fabrik die Maschinen miteinander vernetzt sind, sondern betrifft die gesamte Breite eines Betriebes von der Entwicklung bis zum After-Sales-Service. Ein Bereich, in dem es noch viel Potential gibt, ist etwa die Datenanalyse – gleichzeitig wird das Thema Datensicherheit noch unterschätzt. Industrie 4.0 hat offene Systeme und damit viele potentielle Angriffspunkte._

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