Erinnern Sie sich an die ersten Handys? War schon irgendwie peinlich, wenn jemand mit so einem seltsamen Teil in aller Öffentlichkeit herummarschierte. Man muss ja echt nicht bei jedem Blödsinn mitmachen. Und das mit den E-Mails war anfangs auch zu komisch – wozu denn, wenn da doch dieses wunderbare Faxgerät zugegen war. Und heute? Könnte heute ein Unternehmen noch überleben, das Bestellungen nur mittels Fax annimmt? Dabei ist das gar nicht so lange her. Ja, gut. Aber bei diesen aberwitzigen Videos, die einem auf Facebook und Co ins Auge springen und die man zugegebenermaßen zu Ende schauen möchte, muss ja nun wirklich nicht jeder mitmachen. „Natürlich nicht“, sagt Robert Bogner, CEO der Online Marketing Agentur Pulpmedia. „Aber es muss einem schon bewusst sein, dass man dann nicht dort präsent ist, wo alltägliche Kommunikation heute stattfindet.“ Puh, das sitzt. Also doch lieber schnell ein kurzes Video mit den Mitarbeitern drehen und online stellen? Moment. Auch wenn Sie vielleicht kein Fan von Bedienungsanleitungen sind (Wer ist das schon?), ein paar Regeln der virtuellen Welt zu kennen, schadet in dem Fall nicht. Denn dabei sein ist nicht alles – es geht auch darum, die Spielregeln zu kennen. Robert Bogner und Paul Lanzerstorfer, beide Absolventen der Fachhochschule in Hagenberg, kennen diese verdammt genau. 2005 haben sie Pulpmedia gegründet (Youtube hat übrigens dasselbe Gründungsjahr), mittlerweile beschäftigen sie 25 Mitarbeiter, Sitz der Firma ist in Linz. Und wenn man die beiden fragt, ob man sich Video Marketing überhaupt leisten kann, antworten sie fast im Chor: „Kann man es sich leisten, Video Marketing nicht zu machen?“
# 01
Finden Sie heraus, welcher Weg wirklich nach Rom führt.
Oder eben zu Ihrer Zielgruppe. Denn eines gilt im Marketing immer, egal welche Technik oder welcher Kommunikationskanal zum Einsatz kommt:
„Wenn ich zur Kommunikation nicht dieselben Kanäle wie meine Zielgruppe nutze, dann hilft mir das beste Video nichts“, gibt Paul Lanzerstorfer, CEO bei Pulpmedia, zu bedenken. Es gehe also zuallererst darum, sich mit seinem Produkt auseinanderzusetzen, dessen Nutzen sowie Image herauszufinden, um dann zu entscheiden, wen man mit dem Video erreichen möchte. „Einen Fünfzehnjährigen spricht man natürlich ganz anders an als einen 35-Jährigen, eine Mutter anders als einen Rentner. Je genauer ich mich mit dem Produktnutzen beschäftigt habe, desto besser lässt sich das Video planen und die Zielgruppe erreichen“, so Lanzerstorfer. Das Wissen, wo sich verschiedene Zielgruppen im Netz bewegen, ist einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren einer Online-Medien Agentur. Aber nicht nur das „Wo“ spielt eine entscheidende Rolle, auch das „Wie“. „Man muss wissen, für welche Kanäle man das Video produziert, weil es verschiedene technische Voraussetzungen zu beachten gibt“, erklärt Robert Bogner. Galt früher etwa, dass ein Video zur Hälfte vom Ton lebt, muss es heute auch ohne funktionieren, denn Plattformen wie Facebook oder Instagram sind vor allem optische Medien, die meist tonlos genutzt werden. „Außerdem kommt jetzt auch das Hochformat hinzu – das war früher ein absolutes No-Go und ist mit Snapchat sowie Instagram plötzlich salonfähig geworden.“ Übrigens, wo wir schon beim Thema Zielgruppe sind: Sie wollen die Generation 50-Plus erreichen und sind deshalb überzeugt, auf Online Marketing verzichten zu können? „Auch wenn diese Generation vielleicht nicht durchgehend ein Facebook-Profil hat, so gibt es kaum noch jemanden, der Youtube nicht als Suchmaschine nutzt, um die Lösung zu einem Problem zu finden, etwa die Anleitung zu einer Anwendung oder Montage“, ist Bogner überzeugt.
# 02
Märchen waren gestern. Geschichten sind heute.
Oder anders ausgedrückt: Online Videos sollen keine Werbespots sein! Weil man bekanntlich Äpfel nicht mit Birnen vergleichen sollte, will Bogner auch nicht gern den Vergleich zwischen Online Videos und Fernsehspots ziehen.
Obwohl sich diese von der Produktion an sich nicht wesentlich unterscheiden: „Technik, Kamera, Licht, Maske und Schauspieler kommen meist in beiden Fällen ähnlich zum Einsatz. Der Unterschied ist natürlich der, dass jeder, der ein Handy mit einer Kamera hat, ein Online-Video produzieren kann“, erklärt sein Geschäftspartner Lanzerstorfer. Der wirklich große Unterschied liege aber darin, dass Online-Videos einen Nutzen schaffen müssen, sonst werden sie schlichtweg nicht konsumiert. „Einen Werbespot kann man 100mal vorspielen, irgendwann werden die Leute schon glauben, dass es das beste Parfum ist. Online habe ich die Chance nur einmal.“ Wenn der User keinen Mehrwert findet, und sei dieser einfach nur gute Unterhaltung, dann werde er den Film nie wieder ansehen. Nicht umsonst habe ein Drittel aller User einen Ad-Blocker – Werbung wird als störend empfunden und will nicht freiwillig gesehen werden. „Ich muss mir als Unternehmen also überlegen, wie ich für die Leute etwas Relevantes schaffe und die Antwort darauf ist Content Marketing, zum Beispiel in Form von Content Videos“, so die beiden Online Marketing-Experten. Während also Fernsehspots aufgedrängt werden können, müssen Online Videos ein Benutzererlebnis oder einen Nutzen schaffen. „Der Versuch, einen Fernsehspot ins Internet zu verlagern, scheitert aber auch schon daran, dass es online ein anderes Format braucht“, erklärt Bogner. Im Internet sollte zum Beispiel eine Interaktion mit dem Benutzer stattfinden – am Ende des Films kann der User zum nächsten Schritt geführt werden.
# 03
Lösen Sie die Probleme Ihrer Kunden! Und erzeugen Sie Gänsehaut.
Wenn es für Online Content also richtig gute Stories braucht, dann stellt sich die Frage: Hat denn jede Firma, jedes Produkt, jedes Angebot so eine Geschichte zu erzählen?
„Ja“, ist Bogner überzeugt. „Allerdings steckt zum Großteil journalistische Arbeit dahinter, diese zu finden.“ Dabei gehe es darum, den Wert, das Image oder den Nutzen in eine Geschichte zu packen. „Im besten Fall schaffe ich Unterhaltung und löse Emotionen bei den Usern aus. Die besten Videos sind jene, wo ich Gänsehaut bekomme“, so Lanzerstorfer. Wem es gelingt, sowohl den Nutzen des Produktes zu transportieren als auch Gänsehaut zu erzeugen, hat demnach gewonnen.
# 04
Hoffen Sie nicht, planen Sie!
„Scheiße, keine Sau liked meinen Post!“ Hatten Sie diesen Gedanken schon mal? Dann haben Sie vermutlich Regel Nummer vier missachtet.
„Einfach so ein Video ins Netz stellen und hoffen, dass es eine Million Leute sehen, das funktioniert nicht“, warnt Robert Bogner. Ausnahmen bestätigen zwar wohl auch hier die Regel, verlassen sollte man sich aber nicht darauf. „Man braucht eine Strategie. Das heißt, ich habe ein Ziel und eine Zielgruppe, die ich mit dem Video erreich möchte und einen Plan, mit welchen Mitteln mir das gelingt.“ Das können mehrere Videos auf unterschiedlichen Kanälen sein – online wie offline. Wichtig sei dabei, den Plan zu verfolgen und stets zu hinterfragen. „Das Schöne beim Online Video ist, dass alles transparent und messbar ist. Ich kann kontrollieren, wie oft das Video gesehen und auch wie lange es gesehen wurde – wenn etwa nach zehn Sekunden die Leute weg sind, muss ich beim nächsten Mal darauf reagieren und das Video anders produzieren“, sagt Bonner.
# 05
Bestimmen Sie selbst oder man bestimmt über Sie!
Man kann sich weigern, an der Kommunikation in Social Media Kanälen teilzunehmen. Natürlich. Dass über die Firma oder ihre Produkte darin kommuniziert wird, daran kann man allerdings nichts ändern.
„Es gibt Unternehmen, die wollen diesen Kommunikationsweg nicht gehen. Aber dass Videos von den Produkten gemacht werden oder über die Dienstleistung diskutiert wird, das ist jetzt Fakt. Und entweder bestimme ich mit, wie diese Kommunikation aussieht, oder nicht“, erklärt Bogner, der mit seiner Agentur schon etliche Werbepreise gewinnen konnte.
# 06
Online ersetzt nicht offline!
Fragt man zwei Gründer einer Online Marketing Agentur, ob man denn sein gesamtes Marketingbudget weg von Print hin zu Online führen sollte, könnte man meinen, die Antwort liege auf der Hand. Tut sie aber offenbar doch nicht.
„Es braucht das Zusammenspiel von beidem“, sagt Paul Lanzerstorfer. Das beste Beispiel sei, wenn man in der Früh die Zeitung aufschlägt und ein Inserat sieht, dann am Weg zur Arbeit im Radio einen Spot dazu hört, kurz darauf am Plakat vorbeifährt und schließlich am Computerbildschirm den Banner sieht. „Wenn ich daraufhin auf das Angebot klicke, dann ist die Frage: Was hat mich letztendlich dazu gebracht? Natürlich habe ich auf den Banner geklickt, aber das Verlangen danach hat alles zusammen bewirkt“, so Lanzerstorfer. Offline werde seiner Meinung nach nie aussterben, vor allem Special Interest Produkte würden auch in Zukunft eine große Rolle im Printbereich spielen.
# 07
Risiko oder Sicherheit? Am besten beides!
Aufsehen erregen um jeden Preis mag zwar jede Menge Klicks bringen, kann aber auch viel Ärger (wie ein negatives Image) bedeuten. Stets nur langweilige Filme posten, ist aber auch nicht die Lösung.
Robert Bogner setzt lieber auf eine gute Mischung: „Bei einer durchdachten Videostrategie gehe ich mit ein paar Videos auf Nummer sicher – etwa Filme, die den Nutzen des Produkts veranschaulichen – und der andere Teil kann mutiger sein.“ Generell gehe es im Online Bereich zunehmend darum, Neues auszuprobieren. „Was heute funktioniert, kann morgen schon wieder uninteressant sein – alles ändert sich so schnell, dass man manches einfach austesten muss.“
# 08
Werfen Sie einen Blick in die Glas … äh Weltkugel. Aber bedenken Sie: Nicht alles lässt sich auf die Heimat umlegen!
Blickte man noch vor wenigen Jahren in die USA, konnte man praktisch die Zukunft für Europa voraussehen.
„Diese Zeitspanne hat sich drastisch reduziert“, sagt Bogner. Heute müsse man die ganze Welt beachten, vor allem China gäbe in der digitalen Kommunikation immer mehr den Ton an. „Hier entstehen viele Innovationen, speziell im Bereich Chat-Apps.“ Es gehe darum, sich all diese Innovationen anzusehen, zu beobachten, wie sie auf den jeweiligen Märkten genutzt werden und schließlich zu überlegen, wie man das für seine Kunden umsetzen könne. „Nicht alles, was in anderen Ländern gut funktioniert, muss auch bei uns funktionieren“, gibt Lanzerstorfer zu bedenken. Das beste Beispiel sei Twitter. Während es für eine amerikanische Firma völlig undenkbar wäre, nicht auf Twitter vertreten zu sein, ist dies hierzulande im Vergleich fast irrelevant.
# 09
Kontrolle ist gut. Vertrauen ist besser.
Dass Online Videos keine Werbespots sein sollen, wissen wir nun schon. Aber genau darin liegt die Schwierigkeit, denn „je weniger Werbung drin ist, desto herausfordernder ist die Konzeption und desto cooler ist das Erlebnis für den Endkunden“, weiß Bogner.
Was so viel heißt wie, je besser das Konzept ist, desto höher sind die Chancen, dass ein Video aufgeht und tatsächlich einen Nutzen stiftet. Aber wie groß ist das Vertrauen der Kunden in eine Agentur? „Das ist generell das große Thema in der Werbebranche. Eine Agentur verkauft nur Vertrauen, denn ob etwas gut oder schlecht, kreativ oder langweilig ist, das ist Geschmackssache. Im Endeffekt geht es immer nur um das Vertrauen“, sagt Lanzerstorfer. Und das mit der Kontrolle funktioniert im Online Marketing ja sowieso gut._
ONLINE VIDEO in Zahlen.
Oder: Warum Video Marketing tatsächlich sein muss.
Pro Minute werden 500 Minuten Video auf Youtube hochgeladen / 100 Millionen Stunden Video werden jeden Tag auf Facebook gesehen / Jeder von uns kann morgen ein Youtube Star sein / Video-Konsumenten konvertieren 174 % wahrscheinlicher / „How-To“ Suchanfragen auf Youtube steigen jährlich um 70 % an / 1 von 4 Konsumenten gibt an, vor dem Kauf ein Video zum Produkt gesucht zu haben / Social Video generiert 1.200 % mehr Shares als Bild und Text zusammen /