Etwa 20 Jugendliche von der nahen Landwirtschaftsschule schlendern staunend durch die Ausstellungsräume von CASE IH, wo die neuesten Modelle des Traktorenherstellers stehen. Wie etwa der neue „Optum Cvx“ mit einem Gesamtgewicht von fast elf Tonnen. Solche Führungen sind für das Unternehmen doppelt wichtig: So wird nicht nur das Bewusstsein für die Marke gestärkt, die angehenden Landwirte sollen in Zukunft als Kunden gewonnen werden. Das Bewusstsein für die Marke stärken will auch Marie Mouton: Die gebürtige Französin arbeitet seit vier Jahren am Standort in St. Valentin als Kommunikationschefin für Europa, den mittleren Osten und Afrika, ist für Kommunikationskampagnen und interne Kommunikation verantwortlich. „Das Marketing auf digitaler Ebene verändert sich massiv, wir haben mehr von unserer Zielgruppe“, sagt sie, „die User verbinden sich mehr und mehr, besonders über soziale Medien wie Facebook oder Youtube ist ein exponentielles Wachstum zu beobachten, aber auch auf unserer Webseite und Corporate-Channels.“ Auch die Menge der Informationen steige ständig.
Effektivere Prozesse
Die Marketing-Abteilung in St. Valentin kümmert sich nicht nur um den heimischen Markt, insgesamt werden Case IH-Produkte in mehr als 120 Ländern angeboten. „Für uns als Marke heißt das, dass wir global denken und lokal handeln müssen“, sagt Mouton. Dasselbe Produkt muss in verschiedenen Märkten komplett anders beworben und angeboten werden, da die Anforderungen und auch die Rollen unterschiedlich sind. Während der „Traktor 4110 Profi“ für heimische Verhältnisse ein großer Mittelklasse-Traktor ist, ist er für andere Märkte wie etwa den US-amerikanischen mit größeren Landwirtschaftsflächen winzig klein. In noch kleiner strukturierten Märkten hingegen kann er gewaltig groß sein. „Gemeinsam mit unserer Partner-Agentur Conquest haben wir eine Strategie entwickelt und ein Asset-Management-System eingeführt, mit denen wir diese Vorgänge regeln können“, sagt Mouton. Der gesamte Marketing-Prozess wurde digitalisiert, alle Daten sind online verfügbar, bearbeitbar und bestellbar. „Wenn etwa die englische Version eines neuen Produktflyers online gestellt wird und ein Händler am deutschen Markt 2.500 Exemplare bestellt, wird die dafür nötige Übersetzung teilweise automatisch erstellt, jene, die für den Übersetzungsprozess zuständig sind, werden automatisch informiert“, sagt Klaus Lindinger, Geschäftsführer von Conquest. Die Werbeagentur mit Sitz in Leonding wurde 1973 gegründet, Lindinger führt das Unternehmen in zweiter Generation. Man ist besonders auf technische Unternehmen wie Case IH spezialisiert und setzt vorwiegend auf lange und intensive Partnerschaften mit dem Kunden. „Im Fall von Case IH haben wir das Online-System zum Management aller Marketing-Prozesse empfohlen und umgesetzt“, sagt Lindinger. Früher wurden Dateien noch per Mail hin- und hergeschickt, das war unübersichtlich und kostete Zeit. Nun läuft die Abwicklung flüssig und einfacher. Je nach Berechtigung kann auf Daten zugegriffen werden, nicht nur andere Marketing-Abteilungen, sondern auch Händler oder Journalisten können auf ihrer eigenen Ebene unkompliziert auf Dateien zugreifen. „Vor zwei Jahren haben uns unsere Märkte sehr gefordert, weil ständig Broschüren oder Videos angefordert wurden“, erinnert sich Mouton, „nun ist es umkehrt: Durch das neue System können wir Content schon im Vorhinein verfügbar machen und die anderen Stellen können selbstständiger agieren.“
Optimierung ist nie abgeschlossen
Insgesamt ein Jahr dauerte die Vorbereitung auf die Umsetzung des neuen Management-Systems. „Zuerst muss man den gegenwärtigen Prozess genau kennenlernen, denn wenn man von einer falschen Ausgangssituation ausgeht, kommen Fehler auf“, weiß Lindinger. Anfangs müsse evaluiert werden, welche Stärken und Schwächen die aktuelle Arbeitsweise habe. Er analysierte die Vorgänge und einzelnen Stationen bei Marketing-Prozessen bei Case IH. „Dabei ist ein kompliziertes, dichtes Netz von unterschiedlichen Stationen herausgekommen“, sagt Lindinger. Kein Wunder, spielen doch bei Marketingprozessen zahlreiche Teilnehmer mit, nicht nur die Werbeagentur und der Auftraggeber, sondern auch Übersetzungsagenturen, Märkte, Journalisten, Fotografen, Druckereien, Endkunden und Vertriebsnetzwerke.
Generell sei es ein schwerer Fehler, bei der Prozessoptimierung zu ungeduldig zu sein. „Man darf sich nicht erwarten, dass man heute eine Optimierung beschließt und morgen perfekt aufgestellt ist, das braucht eine Vorlaufzeit“, erklärt der Geschäftsführer. Und: Prozessoptimierung ist nie mit einem bestimmten Tag X abgeschlossen. Ständig müsse der Prozess an neue Zielgruppen und technologische Möglichkeiten adaptiert werden. Insgesamt dauerte der Umstieg bei Case IH auf das neue System ein komplettes Jahr. Die meisten Märkte arbeiteten zwar schon nach zwei Monaten problemlos mit dem neuen System. „Ein Land hat aber ein lokales Content-Management-System verwendet, da war es etwas komplizierter und wir mussten erst Überzeugungsarbeit leisten“, erinnert sich Mouton und lacht. „Großer Vorteil des Projekts war es, dass wir das Unternehmen Case IH schon vorher genau kannten und deswegen nicht bei Null anfangen mussten“, erklärt Lindinger, „wenn man schon vorher Einblick in die Prozesse hat, ist es viel leichter, gleich merkliche Resultate zu erzielen.“ Gegenseitiges Vertrauen bei solchen Optimierungsprozessen sei unabdingbar. „Ohne die Mithilfe des Unternehmens selbst und eine ganz enge, intensive Kooperation funktioniert das nicht.“
Je größer und internationaler das Unternehmen, desto wichtiger sei die Prozessoptimierung im Marketing und ein zentrales Asset-System. „Den größten Effekt gibt es sicher bei einer komplexen Vertriebsstruktur und vielen unterschiedlichen Märkten, so kann durch Standardisierung am meisten Komplexität herausgenommen werden“, sagt Lindinger. Die Grenze zieht er bei großen KMUs: Darunter sind die Unternehmen zu klein und die Prozesse zu wenig aufwendig, um Systeme wie jenes von Case IH rentabel zu machen. Für den Traktorenhersteller dürfte sich die Umstellung auf jeden Fall gelohnt haben. „Wir haben jetzt viel mehr Zeit, die wir in andere Kanäle wie etwa Facebook investieren können, dadurch dass wir unsere Hausaufgaben schneller als früher erledigen können“, sagt Mouton._
CASE IH
Am Standort in St. Valentin erzeugt der US-amerikanische Konzern CNH Industrial Traktoren für seine Marke Case IH und für Steyr. 90 Prozent der angefertigten Traktoren werden ins Ausland exportiert. In den vergangenen fünf Jahren wurde 25 Millionen Euro in den Ausbau der Produktkapazitäten gesteckt. 840 Mitarbeiter arbeiten in St. Valentin, 240 von ihnen in der dortigen CNH-Europazentrale.
Conquest Werbeagentur
Die Leondinger Werbeagentur wird von Klaus Lindinger in zweiter Generation geführt und ist auf technische Unternehmen spezialisiert. Insgesamt zwölf Mitarbeiter entwickeln Strategien. Lindinger setzt auf intensive Kundenbindung: „Unser Ziel sind lange Geschäftsbeziehungen und enger Kontakt zum Kunden.“