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Von der Spenglerei zum Weltmarktführer

Das Wort Industrie 4.0 sucht man in der Strategie der Scheuch Gruppe vergeblich. Nichtsdestotrotz ist das Familienunternehmen aus dem Innviertel in vielen Bereichen seiner Geschäftstätigkeit von Emission Control Weltmarktführer und aktuell dabei, in allen wichtigen Industrieländern der Welt Fuß zu fassen. Der Familienbetrieb wächst kräftig. Einen eklatanten Fachkräftemangel gibt es aber trotzdem nicht.

Die riesigen Anlagen für die Luftreinhaltung und Umwelttechnik in der Industrie und bei großen Unternehmen schauen von außen relativ unspektakulär aus: imposante Stahlrohre, viel Blech, große Ventilatoren und Luftfilter. Doch im Inneren finden hochkomplexe Prozesse statt. Mit dem entsprechenden Know-how für diese Technik punktet ein Familienunternehmen im Innviertel auf der ganzen Welt: die Scheuch Gruppe in Aurolzmünster. Im Jahr 1963 als Spenglerei gestartet, beschäftigt der Familienbetrieb mittlerweile knapp 1.000 Mitarbeiter und ist Weltmarktführer in vielen Bereichen bei der Lieferung von Anlagen für Reinhaltung von Luft im industriellen Bereich.

Die Themen werden weltweit immer wichtiger und dementsprechend hat man sich bei Scheuch beim letzten größeren Strategieprozess im Jahr 2013 entschieden, sich globaler aufzustellen und die Präsenz in den wichtigsten Industrieländern rund um den Globus zu verstärken. Dies auch, um die Arbeitsplätze im Innviertel langfristig zu sichern und die gesamte Wertschöpfungskette in Österreich aufrecht erhalten zu können. „Scheuch war vom Stammsitz aus schon immer international aktiv, aber in der neuen strategischen Ausrichtung haben wir entschieden, dass wir in bestimmten wichtigen Regionen der Welt permanent vertreten sein wollen“, sagt Geschäftsführer Jörg Jeliniewski. Er ist vor etwas mehr als drei Jahren, als die Familie Scheuch die Segel auf Wachstumskurs gesetzt hat, in die Firma gekommen und führt gemeinsam mit Stefan Scheuch aus der zweiten Generation das Unternehmen.

Verschiedene Markteinstiege

Mittlerweile wurden drei Akquisitionen durchgeführt und zwei neue Unternehmen gegründet. „Wir sind frei in unseren Mitteln, der Markteinstieg kann in jeder neuen Region wieder anders ausschauen“, so Scheuch. Der Holzbereich wurde in eine eigene Firma, die Scheuch Ligno, ausgegliedert und ein neuer Standort in Mehrnbach im Innviertel um acht Millionen Euro gebaut. Teile von der zugekauften Firma LBH aus Wolfsegg im Hausruck wurden in die Ligno integriert. „Der Kauf in Österreich war eine gute Vorbereitung auf weitere Akquisitionen im Ausland und stellt eine optimale Ergänzung des Geschäftsmodells der Scheuch Ligno dar“, so Jeliniewski. Der Einstieg in den US-amerikanischen Markt erfolgte durch die Akquisition der Firma Camcorp mit 70 Mitarbeitern in Kansas, weiters kaufte die Scheuch Gruppe die Firma Schust Engineering Inc. mit Headquater in Indiana. In Südostasien stieg Scheuch durch die Eröffnung einer Niederlassung in Bangkok ein. „Wir wollten keine Zeit verschwenden und nicht versuchen die Region von Österreich aus nur am Schreibtisch zu verstehen“, erklärt Jeliniewski, warum ein Manager aus Österreich zum Marktaufbau nach Südostasien geschickt wurde. Dieser entscheide in den nächsten Jahren, wie es mit Scheuch in dieser Region weitergehe, ob es bei einem Engineering-Büro bleibe oder sogar eine Fertigung notwendig werde. Das Büro wurde bereits mit vier Thailändern verstärkt.

Die Internationalisierung war die erste große Aktivität aus der langfristigen Strategie heraus. Nun sei man dabei, die Firmen in die Scheuch Gruppe zu integrieren. Dabei ist richtiges Fingerspitzengefühl gefragt, sagt Scheuch: „Wir als Europäer können den Amerikanern das Geschäft nicht erklären, die waren jahrzehntelang wirtschaftlich gut unterwegs. Wir wollen sie in dieser Schiene weiterfahren lassen und gleichzeitig behutsam weiterentwickeln, sodass unsere Produkte auf den Markt kommen.“ Es müssten jetzt die in Österreich entwickelten Produkte an die amerikanischen Normen angepasst werden.

Vernetzung mit Kunden

Das Wort Industrie 4.0 findet man in der Unternehmensstrategie von Scheuch nicht. „Das Wort Industrie 4.0 ist für mich ein Marketingmodewort, das wir im Unternehmen überhaupt nicht verwenden“, sagt Scheuch. Nichtsdestotrotz stelle man sich in der Richtung entsprechend auf: „Für uns als Anlagenbauer mit Maßanfertigungen ist es entscheidend, den Engineering-Prozess von der Angebotsphase bis hin zum After-Sales-Service zu digitalisieren.“ Ein wesentlicher Schritt für die Vernetzung war die Umstellung auf Autodesk. „Wenn wir die Vernetzung zwischen unserem Stammhaus und den Tochtergesellschaften, mit Kunden und Lieferanten hinbekommen wollen, müssen wir eine Standardsoftware mit weltweit großer Akzeptanz und Reichweite verwenden“, so Scheuch. Der Zugang zu den Kundendaten sei aber noch ein unüblicher Punkt: Es gebe oftmals noch Vorbehalte. Wenn man es aber schaffe, einen Mehrwert für die Kunden zu generieren und deren Produktion wirtschaftlicher zu machen, werde man die Daten bekommen.

Diesen Vorteil generiert Scheuch über detaillierte Kenntnisse der Kundenprozesse. „Unsere Techniker kennen die gesamte Wertschöpfungskette in den Branchen, in denen wir tätig sind.“ Man könne nur durch Technologieführerschaft gegenüber der weltweiten, sehr fragmentierten Konkurrenz punkten. Die Kunden würden sich nicht dafür interessieren, ob die Anlage auf Basis 4.0 zustande kommt: „Wir müssen Anlagen produzieren, die alle Umweltschutzanforderungen so erfüllen, dass die Produktion wirtschaftlich bleibt.“ In Kirchdorf sei so etwa kürzlich das emissionsärmste Zementwerk der Welt entstanden. In Saudi-Arabien hat die Scheuch Gruppe bei einer weltweiten Ausschreibung einen der größten Aufträge der Firmengeschichte mit einem Volumen von 17 Millionen Euro an Land gezogen. Im nächsten Jahr wird diese Anlage bei einem Zementhersteller in Betrieb genommen.

Unternehmen als Marke

Die Mitarbeitersuche für den Wachstumskurs ist bei der Firma Scheuch kein Problem. Auch wenn man für einzelne Stellen – speziell im technischen Bereich – nicht immer gleich im näheren Umfeld einen Mitarbeiter finden würde und den Suchradius erweitern müsse, gibt es laut Scheuch keinen eklatanten Fachkräftemangel: „Es war noch nie so, dass wir die Fachkräfte nicht gefunden hätten.“ Jeliniewski ergänzt zum vielzitierten Fachkräftemangel: „Wenn man aus dem Unternehmen eine Marke mit hoher Akzeptanz und Wahrnehmung macht, dann ist der Fachkräftemangel kein Thema.“ Und dafür tut das Familienunternehmen einiges: Scheuch ist eng mit der HTL in Ried im Innkreis vernetzt. Viele Schüler lernen während ihrer Schulzeit durch Praktika oder Projektarbeiten die Firma kennen und fangen direkt nach der Matura bei der Scheuch Gruppe zu arbeiten an. Mit Studenten sei man durch Diplom- oder Praktikumsarbeiten in Kontakt und lerne so mögliche neue Mitarbeiter kennen. Um für potentielle Arbeitnehmer attraktiv zu sein, helfe auch die Geschäftstätigkeit. „Umweltschutz ist ein sehr präsentes Thema und hat mittlerweile gesellschaftlich einen hohen Stellenwert“, weiß Scheuch. Bewerber erwähnen immer wieder, dass sie sich für Scheuch entschieden haben, weil die Produkte der Firma zum Umweltschutz beitragen. Und auch die Sozialen Medien würden heutzutage eine wichtige Rolle bei der Mitarbeitersuche spielen. „Mit einem traditionellen Anwerbungsprozess kommt man nicht mehr weit“, so Jeliniewski. Dafür müsse man als Unternehmen aber authentisch sein: „Es macht keinen Sinn, sich im Internet als eine Firma zu präsentieren, die man nicht ist. Ein zukünftiger Mitarbeiter muss auch wirklich das vorfinden, was er sich erwartet – ansonsten ist er schnell wieder weg.“ Bei Scheuch ist das aber nicht der Fall: Es gebe viele langjährige Mitarbeiter, die Fluktuationsrate ist gering. Bei der letzten Jubilarfeier wurde ein Mitarbeiter geehrt, der bereits seit 47 Jahren im Unternehmen arbeitet.

Damit man die Mitarbeiter langfristig im Unternehmen halten kann, zeige man ihnen Möglichkeiten in der Gruppe auf. „Junge Menschen wollen sich entwickeln können und in einem Unternehmen mit einem Wertesystem arbeiten, das zu ihnen passt“, spricht Jeliniewski von einer Daueraufgabe aller Fach- und Führungskräfte. Es gebe spezielle Entwicklungsgespräche, wo die Mitarbeiter auch bezüglich ihres Wunsches nach einem Auslandsaufenthalt gefragt werden. „Wir haben genug Leute, die ins Ausland gehen wollen, bieten ihnen auch verschieden lange Zeiträume an“, sagt Scheuch. Es gibt die Kategorien beginnend bei einem kurzen Aufenthalt von nur drei Monaten bis einem halben Jahr, weiters drei bis vier Jahre oder auch viel längere Zeiträume bis hin zu einer unbegrenzten Arbeitsstelle im Ausland. Und besonders im Ausland haben die Scheuch-Mitarbeiter in den nächsten Jahren noch viele Entwicklungsmöglichkeiten: Nach dem erfolgreichen Start in den USA und der ersten Niederlassung in Bangkok, gehe es weiter Richtung China, Korea und Japan und auch Brasilien sei ein Zukunftsmarkt für die Innviertler. Von Australien sei man noch ein Stück weit weg. „Aber die wichtigsten Industrieländer der Welt sind im Fokus“, erklärt Jeliniewski die Segel für den Wachstumskurs weiterhin für gesetzt.

Scheuch

Gründung_ 1963 als Spenglerei

Sitz_ Aurolzmünster, 5 Produktionsstandorte (Österreich, Slowakei, USA) und Niederlassungen auf der ganzen Welt (Deutschland, Frankreich, Italien, Schweden, Russland, Thailand, Kanada, USA)

Geschäftstätigkeit_ Emission Control (Luftreinhaltung und Umweltschutz) im industriellen Bereich mit Absaugung, Entstaubung, Förderung, Rauchgasreinigung oder Anlagenbau; 4 Business Units: Industrial Minerals, Panels-Energy-Metals, Ligno (Holz) und Components

Mitarbeiter_ knapp 1.000

Auftragseingang_ 170 Millionen Euro im GJ 2015/16 per Ende Februar – im aktuellen Geschäftsjahr wird erstmals die 200 Millionen Euro-Grenze überschritten

Exportanteil_ 80 Prozent

Vorbild Scheuch

Josef Kurzmann war über 30 Jahre lang in Führungspositionen bei international tätigen Unternehmen. Nun berät Kurzmann als Investor und Advisor mit seinem Unternehmen „Josef Kurzmann Beteiligung“ mittelständische Unternehmen im neuen Umfeld von Wirtschaft 4.0. Der 52-Jährige analysiert für uns als außenstehender Experte Vorzeigeunternehmen, um anhand von Leitbetrieben aufzuzeigen, welches Innovations- und Wachstumspotential in vielen mittelständischen Betrieben steckt.

Die Scheuch Gruppe ist im In- und Ausland sehr erfolgreich auf Wachstumskurs. Wie können andere Unternehmen ebenfalls von der Globalisierung profitieren?

KurzmannMan muss sich im Vorfeld überlegen, wie man wachsen will und ob man dafür neben dem Tagesgeschäft auch die nötigen Ressourcen hat. Ohne der strategischen Vorarbeit kann durch Internationalisierung der Umsatz zwar steigen, aber die Renditen können durch Preisdruck und mangels Skaleneffekte schnell deutlich fallen. Bei unkontrolliertem Wachstum können Unternehmen sich in eine gewisse Abhängigkeit manövrieren. Für das Ausrollen komplexer werdender Geschäftsmodelle braucht es unter anderem eine gute, softwaregestützte Ablauforganisation.

Bei Scheuch hat man sich für organisches und anorganisches Wachstum entschieden.

KurzmannBei einem sehr heterogenen Markt kann das anorganische Wachstum ein wichtiger und guter Bestandteil mit Vorteilen wie der Geschwindigkeit, Reduzierung des Preisdrucks, Insourcing von noch nicht im Haus befindlichem Know-how oder Erreichung neuer Kundengruppen sein. Aber es bedarf auch entsprechender Managementressourcen, um den M&A Prozess gut begleiten zu können. Das erste Jahr nach einem Zusammenschluss zweier Firmen ist ganz entscheidend – je später und weiter der Prozess in die Zukunft geschoben wird, desto schwieriger wird es, die geplanten Synergien zu heben. Die wichtigen strategisch- und organisatorischen Führungsthemen müssen sehr früh mit konkreten Zeitplänen und Verantwortlichkeiten umgesetzt werden. Wichtig ist auch, den Abfluss des Markt- und Vertriebs-Know-hows zu vermeiden und die Eingliederung aller neuen Kollegen gut zu meistern. Es gilt einen gemeinsamen Spirit in der international wachsenden Unternehmensgruppe zu schaffen.

Stichwort Mitarbeiter: Es wird immer wieder vom Fachkräftemangel und der schwierigen Suche nach Lehrlingen gesprochen. Die Firma Scheuch hat kein Problem, ausreichend geeignete Mitarbeiter zu finden.

KurzmannDas Unternehmen kümmert sich um Themen wie Klimaschutz, Green Technologies – diese Megatrends werden beim Employer Branding für eine attraktive Arbeitgebermarke nach außen kommuniziert. Corporate Idendity und Employer Branding werden im Wettbewerb um die künftigen Talente immer wichtiger.

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