2020 ist es zu spät. Zu spät, um sich mit dem Problem Fachkräftemangel auseinanderzusetzen. Das müsse bereits jetzt geschehen, ist Birgit Gerstorfer, Landesgeschäftsführerin des AMS Oberösterreich, überzeugt. Deshalb hat das Wirtschaftsressort des Landes Oberösterreich gemeinsam mit dem AMS bereits begonnen, sich durch das strategische Programm „Arbeitsplatz Oberösterreich 2020“ mit den Herausforderungen der Zukunft auseinanderzusetzen. Das zentrale Thema wird – so wie jetzt ja schon deutlich spürbar – der Mangel an Fachkräften sein. „Jeder zwölfte Arbeitsplatz wird nicht besetzt werden können, denn ein steigendes BIP-Wachstum bedeutet zwangsläufig auch ein Beschäftigungswachstum. Und das, obwohl die Erwerbsbevölkerung sinkt“, sagt Gerstorfer und spricht damit die Kernfrage an: Wo kann die Wirtschaft die Fachkräfte der Zukunft lukrieren?
Dazu gibt es fünf verschiedene Zielgruppen:
Die Jungen_ Jedem Jugendlichen müsse eine gute Ausbildungsmöglichkeit garantiert werden – dabei denke man auch eine Ausbildungsverpflichtung an.
Frauen_ Derzeit sind etwa 70 Prozent der Frauen erwerbstätig (im Gegensatz zu 80 Prozent der Männer). Schon ein Prozent Steigerung der Erwerbsquote der Frauen ergebe ein zusätzliches Potential von 4.700 Frauen. Das würde natürlich eine große Bedeutung für den Arbeitsmarkt haben. Um das aber zu schaffen, braucht es bessere Rahmenbedingungen für Frauen, vor allem für Mütter.
Personen mit gesundheitlichen Einschränkungen_ Es sollen mehr Möglichkeiten geschaffen werden, um zum Beispiel Menschen mit Beeinträchtigung oder Frühpensionisten in den Erwerbsprozess zu integrieren.
Ältere Menschen_ Das Ziel ist, Menschen so lange wie möglich erwerbsfähig zu halten. Rahmenbedingungen wie die Vorsorge am Arbeitsplatz und Gesundheitsförderungsprogramme sollen dazu beitragen.
Migranten_ Wenn Menschen ihr Heimatland verlassen, dann braucht es mehr als einen guten Arbeitsplatz. Zum Beispiel die Integration in die Gesellschaft. Da gäbe es immer noch Widerstände in der Bevölkerung, die noch aufgearbeitet werden müssten.
Aufgabe der Politik ist es nun, herauszufinden, in welcher Region es wie viele und vor allem welche Fachkräfte braucht. Das AMS reagiere darauf mit adäquaten Bildungsangeboten, so Gerstorfer. Gleichzeitig wird auch gerade das Institut für Arbeitspolitik und Arbeitsforschung an der Uni Linz eingerichtet, das sich genau diesen Themen aus wissenschaftlicher Betrachtung widmet, um die Politik zu unterstützen.
Branchen, die besonders vom Fachkräftemangel betroffen sein werden, sind die Metallindustrie, die Elektrobranche, Kunststoffindustrie, Gesundheits- und Pflegeberufe sowie die Kindergartenpädagogik. „Oberösterreich lebt vom Innovationsgeist, von Forschung und Entwicklung – um das alles voranzutreiben, braucht es aber entsprechende Köpfe. Und wir wissen, dass gerade die technischen Studien nicht überrannt sind“, so Gerstorfer. Jugendliche nun aber zu einem Technikstudium zu drängen, davon rät sie dennoch ab. „Erstens muss man sich für den Beruf wirklich interessieren und einen Sinn darin sehen, um auch gut bestehen zu können. Zweitens muss man natürlich auch für diesen Beruf geeignet sein. Ich rate daher allen, sich gut über verschiedene Ausbildungswege für seinen Wunschberuf zu informieren – oft gibt es sowohl eine Lehrlingsausbildung, weiterbildende Schulen oder ein Studium.“ Und sollte das Interesse für ein Technikstudium tatsächlich groß sein, dann sei das für die Zukunft natürlich sehr vielversprechend. Zumal es auch viele neue Berufsfelder in dem Bereich gibt.
Neu werden 2020 aber nicht nur manche Berufsfelder sein, sondern auch die Situation für Arbeitnehmer und Arbeitgeber:
Die Anzahl der älteren Mitarbeiter wird in den Betrieben höher sein. Für Unternehmen wird es daher wichtig werden, sich mit Generationenmanagement zu beschäftigen und damit auf die Anforderungen der Mitarbeiter im Unternehmen zu reagieren. So können sowohl die Stärken der jungen als auch der älteren Generationen genützt werden.
Als gut qualifizierter Arbeitnehmer hat man wahrscheinlich das Glück, mehrere Jobangebote zu bekommen.
Für Arbeitgeber besteht also die Aufgabe darin, einen möglichst attraktiven Arbeitsplatz zu schaffen, um im Wettbewerb um gute Köpfe mithalten zu können. Viele Firmen beschäftigen sich jetzt schon mit Employer Branding – was bedeutet, dass sie sich um eine gute Marke als Arbeitgeber bemühen. Das ist etwas, das man sich nicht erkaufen kann. Natürlich kann Werbung diesen Ruf unterstützen, aber letztendlich geht es um die Mundpropaganda. „Gutes Employer Branding ist nicht nur gutes Marketing, sondern vor allem ein tolles Betriebsklima, eine ordentliche Unternehmenskultur, soziale Aspekte und eine gute Arbeitsplatzausstattung – eben das Gesamtpaket“, weiß die AMS Geschäftsführerin.
Die Arbeitszeiten werden 2020 wesentlich flexibler sein als heute.
Die Arbeitsplatzmobilität wird sich stark verändern. In vielen Berufen wird die Arbeit nicht mehr nur am Arbeitsplatz im Betrieb gemacht werden können, sondern auch mobil oder im home office. Der Grund dafür: die zunehmende Technisierung.
Diese trägt auch dazu bei, dass die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit zunehmend verschwimmen werden. Momentan ist das arbeitsrechtlich noch nicht ausgefeilt – in zehn Jahren sollte es aber gelungen sein, klare Strukturen und Regelungen im Arbeitsrecht dafür zu entwickeln.
Die Bezahlung wird vielmehr nach Leistung und nicht nach Arbeitszeit erfolgen.
Bereits jetzt ist bemerkbar, dass es vor allem für junge Mitarbeiter wertvoll ist, eine Balance zwischen Arbeit, Familie und Freizeit zu schaffen. Es wird einen Wertewandel geben: Der beste Mitarbeiter ist nicht mehr jener, der 60 Wochenstunden arbeitet, sondern jener, der sowohl Familie als auch Arbeit und Freizeit geschickt unter einen Hut bringt.
Die Fluktuation der Mitarbeiter wird steigen. Vor allem natürlich deshalb, weil es für verschiedene Qualifikationsbereiche mehr Job-angebote gibt. Auch die „Abfertigung neu“ trägt ihren Teil dazu bei, Mitarbeitern den Wechsel in ein anderes Unternehmen schmackhaft zu machen._
Wie rüsten sich Oberösterreichs Unternehmen für den Fachkräftemangel?
Voest Alpine AG.
Gerhard Pommer
Leitung Personalmanagement voestalpine Stahl GmbH
Der oberösterreichische Stahlkonzern setzt auf eine eigene Facharbeiter-Ausbildung. „Wir planen unseren Bedarf an Facharbeitern drei bis vier Jahre voraus“, erklärt Personalmanagement-Leiter Gerhard Pommer. Über die eigene Ausbildungsschiene schafft die Voest Alpine nicht nur eine betriebs-spezifische Ausbildung, sondern auch eine frühzeitige Mitarbeiterbindung. „Um uns im Wettbewerb um die Fachkräfte abzuheben, platzieren wir uns bewusst als attraktiver Arbeitgeber mit Initiativen wie Traineeprogrammen, Experten-Karrieremodellen, flexiblen Zeitmodellen und Familienservices wie Betriebskindergärten“, sagt Pressesprecher Peter Felsbach. Den Nachwuchs an technischen Fachkräften sichert der Konzern durch Kooperationen mit Schulen, um die Bewusstseinsbildung sowie die Aus- und Weiterbildungswünsche für Naturwissenschaften und technische Berufe zu fördern.
Damit Mitarbeiter möglichst lange erwerbsfähig im Unternehmen bleiben, werden inviduell Arbeitsplätze und persönliche Anforderungen im Hinblick auf das Älter-werden“ im Job analysiert. „Generell setzen wir auf laufende bedarfsbezogene Qualifizierungs- und präventive Gesundheitsmaßnahmen. Ein Programm zur frühzeitigen Erkennung und Behandlung von psychischen Belastungen rundet dieses Unterstützungsangebot ab“, so Pommer.
Greiner Holding AG.
Claudia Major
Strategisches HR-Management Greiner Holding AG
Neben hohem sozialen Engagement gegenüber den Mitarbeitern (zum Beispiel eine eigene Krabbelstube und Gesundheitsförderungen) zählt eine umfangreiche Lehrlingsausbildung zu den Maßnahmen der Greiner Gruppe, um dem Fachkräftemangel entgegen zu wirken. Dabei steht nicht nur die Ausbildung zu einem Beruf im Vordergrund sondern auch die Persönlichkeitsbildung – etwa gemeinsame sportliche Aktivitäten und Workshops zum richtigen Umgang mit Geld. „Zusätzlich gibt es bei Greiner zahlreiche Aktivitäten, Schüler möglichst frühzeitig für einen technischen Beruf zu begeistern“, sagt Glaudia Major, Strategische HR-Managerin, die sich damit auch an Quereinsteiger aus AHS oder berufsbildenden Schulen wenden möchte. Um die Mitarbeiter schließlich möglichst lange an das Unternehmen zu binden, legt das große Familienunternehmen Wert auf eine Unternehmenskultur, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt und setzt auf „Führungskräfte zum Angreifen“. „Um unserem starken Expansionskurs auch personell entsprechen zu können, haben wir ein internationales Traineeprogramm eingerichtet. Die Junior Trainees arbeiten 18 Monate lang in unterschiedlichen Bereichen in ausländischen Tochterunternehmen. Die Executive Trainees verantworten in einem Zeitraum von 24 Monaten im Ausland ein Managementprojekt wie etwa den Aufbau eines Standortes in China“, erklärt Major.