Die Unternehmen könnten nicht unterschiedlicher sein: Bei Gmundner Keramik wird Geschirr händisch getöpfert und bemalt. Die Stiwa Gruppe mit Sitz in Attnang-Puchheim stellt in ihrem größten Geschäftsbereich flexible Hochleistungs-Montageanlagen her. Die radikalen Veränderungen durch die Digitalisierung treffen beide.
Angst, dass ein Roboter die Arbeit in der Produktion übernimmt, brauchen die Mitarbeiter der Gmundner Keramik nicht haben. Es werde immer bei der Handarbeit bleiben. „Das ist der Kern unserer Identität, davon leben wir“, sagt Geschäftsführer Jakob von Wolff. Man müsse sich aber in Bezug auf die ändernden Kundenbedürfnisse völlig neu ausrichten. Die Digitalisierung ist laut von Wolff „eine große Chance in jeder Hinsicht“ und gleichzeitig „Wahnsinns-Herausforderung“. Jährlich gehen die wesentlichen Investitionsbudgets in Höhe von niedrigen sechsstelligen Beträgen bei einem Umsatz von rund neun Millionen Euro in die Digitalisierung. „In der Frage, wie wir unsere Kunden erreichen und diese uns, müssen wir uns radikal verändern. In 30 Jahren wird das völlig anders sein.“ Das engere Zusammenrücken der Firmen mit ihren Kunden, den steigenden Online-Handel und eine höhere Geschwindigkeit nennt der Geschäftsführer als drei Megatrends, nach denen sich die Gmundner Keramik ausrichten müsse. „Vor fünf Jahren haben wir für eine Bestellung bis zu zwei Wochen gebraucht, jetzt versenden wir am nächsten Tag. In zwei Jahren vielleicht in fünf Stunden“, so Jakob von Wolff. Aktuell werden zehn Prozent der Waren über den Online-Handel verkauft. Der Export geht fast ausschließlich nach Deutschland. Dank der Digitalisierung könne man zukünftig leichter in neue Nischenmärkte einsteigen: „Beim Onlinevertrieb gibt es wesentlich geringere Einstiegshürden.“
Gleichzeitig wird es laut Jakob von Wolff aber auch eine konträre Entwicklung geben. „Die Menschen werden wieder ganz bewusst das stationäre Erlebnis zur Entschleunigung suchen“, so der Geschäftsführer und sieht das auch als große Chance für die Firma, denn dafür würden sich die handgefertigten Produkte perfekt eignen. Mit dem aktuellen Bau einer Erlebniswelt, einem Maleratelier und Ate- liercafé beim Firmensitz in Gmunden habe man „Oasen des analogen Produktionserlebnisses“ geschaffen.
Näher zum Kunden
Bei der Firma Stiwa setzt man sich seit den 90er-Jahren mit dem Thema Digitalisierung auseinander, um die Marktstellung erhalten und weiter ausbauen zu können. Und das ist gelungen: Die Stiwa ist auf Wachstumskurs, in den vergangenen sieben Jahren haben sich die Erlöse mehr als verdoppelt. Die Zahl der Mitarbeiter ist von 1.000 auf 1.360 gestiegen. 2015/16 wurden 185 Millionen Euro Betriebsleistung erzielt. Das Familienunternehmen macht 60 Prozent des Umsatzes mit Automation, 30 Prozent mit Zulieferproduktion und zehn Prozent mit Software und Engineering. „Wir sind als Unternehmen ganz vorne bei den neuen Themen dabei“, sagt Geschäftsführer Peter Sticht. Die Stiwa sei eines der ersten Unternehmen im Softwarepark Hagenberg gewesen und heute dort eines der größten Industrieunternehmen. „Wir müssen jetzt höhere Anstrengungen unternehmen, holen die Leute schon früh nach deren Ausbildung ab“, so Sticht und formuliert gleichzeitig einen 30 Jahre in der Vergangenheit zurückliegenden und auch in die Zukunft vorgreifenden Wunsch an die Politik: „Technische Ausbildungen gehören stärker gefördert.“ Speziell die industrielle Informatik sei eine Stiefkind-Abteilung.
Insgesamt sei die europäische Industrie im Vergleich zu anderen Ländern, wie etwa China, bei der Umsetzung der vierten industriellen Revolution zögerlicher, weil es gut etablierte Produktionen gebe. Als die derzeit größte Herausforderung bei der Stiwa nennt Sticht, dass es in der Industrie keine einheitlichen Standards bei Schnittstellen gebe: „Es wird sich ein Standard durchsetzen, aber im Moment ist noch nicht absehbar, welcher. Wir müssen noch entscheiden, ob wir unsere Entwicklung nur für den Eigenbedarf nutzen oder damit offensiv auf den Markt gehen und versuchen, der weltweite Industriestandard zu werden. Damit überlassen wir unsere Arbeit halt auch potentiellen Mitbewerbern.“ Der insgesamt steigenden Komplexität begegne man durch Standardisierung. Weltweite Niederlassungen seien ein Muss, um von Global Playern wahrgenommen und zu deren Partnern gemacht zu werden. Stiwa hat Standorte in China, North Carolina und Deutschland ab Mitte 2017. Weitere werden folgen: „Wir wollen näher zu unseren Kunden und folgen ihnen.“
Die Produktion bei der Stiwa sei hoch automatisiert - weil es die einzige Chance sei, an einem Standort wie Mitteleuropa konkurrenzfähig zu bleiben. Die Diskussion bezüglich drohender Jobverluste durch Industrie 4.0 kann Sticht nicht nachvollziehen: „Digitalisierung ist unsere einzige Chance, das Wirtschaftswachstum anzukurbeln.“ Überregulierung, fehlende Reformen im Schul- und Bildungssystem und andere Versäumnisse aus den vergangenen Jahren seien nicht hilfreich für das Wirtschaftswachstum. „Wir lassen uns aber nicht von unserem Erfolgskurs abhalten.“
Gefragt.
Was sehen Sie als die größte Chance der Digitalisierung?
Peter Sticht, Geschäftsführer, Stiwa HoldingFür die Stiwa: Die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten und auszubauen.
Jakob von Wolff, Geschäftsführer, Gmundner KeramikKleine Unternehmen erreichen neue Kunden.
Und was ist das größte Risiko?
StichtDass durch fehlende Standards und raschen Wandel immer höhere Kosten auf uns zukommen, um auf dem letzten Stand der Technik zu sein.
Von WolffEine Lebensgeschwindigkeit, die einem mehr Glück raubt als gibt.
Glauben Sie, dass Sie die grundlegende berufliche Tätigkeit, der Sie heute nachgehen, in 30 Jahren genauso ausüben könnten?
StichtMeinen Job wird es in 30 Jahren in irgendeiner Form immer noch geben, aber er wird andere Schwerpunkte und Aufgaben haben.
Von WolffIch bin mir nicht sicher, ob ich mit 75 Jahren den Konsumenten noch in der Art verstehe, wie ich ihn verstehen muss. Digitalisierung ist auch immer eine Altersfrage, ich bin nur vage ein Digital Native, mit 75 Jahren bin ich dann schon ganz weit vom Digital 4.0 Native entfernt.