Wir treffen die beiden im Supper Club bei Dostal Innenarchitektur. Auf der polierten Küchenablage liegen Hühnerfleisch, zahlreiche Gemüsesorten und Bulgur. „Die Zutaten gefallen mir, schauen wir mal, ob sie den gewünschten Effekt erzielen“, sagt Martin Oder. Gekocht werden Hühnerkeulen mit Zitronen-Senf-Marinade, Bulgur und gebratenem Gemüse. Als erstes stechen den Rechtsanwälten einige knallrote Chilischoten ins Auge. „Die werden auf jeden Fall alle verkocht!“, sind sich beide einig „Wir essen sehr gerne scharf, mal sehen, ob wir mit den paar Schoten überhaupt auskommen“, meint Voglmayr und lacht. Sie kennen sich gut: „Wir arbeiten seit Birgits Eintritt in der Kanzlei zusammen“, sagt Oder. Voglmayr bezeichnet den Experten für Privatisierungen, Vergabe-, Energie- und Kartellrecht als persönlichen Mentor, der ihren Werdegang in der Kanzlei von der Pike an begleitet hat – fachlich und menschlich. Ihre Karriere – von der Praktikantin zur Konzipientin und schließlich zur Partnerin – ist exemplarisch für die Unternehmensphilosophie der Kanzlei. „Wir sind aus dem Inneren gewachsen, wir setzen auf junge, motivierte Menschen, die wir aufbauen“, erklärt Oder. Die Fluktuation im Team sei gering – das liege auch an den zahlreichen gemeinsamen Events. „Wir wollen, dass sich alle bei uns wie zuhause fühlen.“ Auffällig auch die hohe Frauenquote: Ein Drittel aller Partner ist weiblich. „Das ist höher als die durchschnittliche Anwältinnenquote bei Kanzleien in Österreich“, sagt Voglmayr.
Flache Hierarchie in der Kanzlei
Wie eingespielt die beiden Rechtsanwälte sind, stellt sich schnell heraus. Während sich Voglmayr fachmännisch der Knoblauchknollen annimmt, beginnt Oder, Karotten und Jungzwiebel klein zu schnippeln. Nicht ohne aufmerksam dabei beobachtet zu werden. „Geh Martin, wos is des?“ Die Anwältin hat ein zu groß geschnittenes Stück Karotte entdeckt. Ihr früherer Mentor lässt es schnell in seinem Mund verschwinden, Gelächter. Geht es in den Büros der Sozietät auch so locker zu? „Wir haben durchaus Spaß in der Kanzlei, das heißt aber nicht, dass wir unsere Arbeit oder die Probleme der Mandanten nicht ernst nehmen“, erklärt Oder, „wenn man ein gutes Verhältnis zueinander hat, ist es auch leichter, aufeinander zuzugehen und Probleme zu kommunizieren.“ Die Hierarchien seien bei Haslinger / Nagele & Partner für Branchenverhältnisse sehr flach. „Mit mir muss sich niemand Termine ausmachen, jeder kann in mein Zimmer kommen und sofort mit mir sprechen“, sagt Oder. Er sieht diese direkte Kommunikation und den unmittelbaren Austausch als eine große Stärke.
Nur im Notfall wird improvisiert
Mittlerweile ist die Senf-Honig-Rosmarin-Marinade fertig und wird mit einem Pinsel auf die Hühnerkeulen aufgetragen. Jeder Handgriff sitzt, man merkt: Hier sind eindeutig routinierte Hobbyköche am Werk. „Ich stehe gerne und lange am Herd, für mich ist das ein Ausgleich“, erzählt Oder. Immer wieder kommt er ins Schwärmen, erzählt von seinen Lieblings-Lebensmittelhändlern – sei es ein Experte für britische Wurst oder ein sizilianischer Orangenbauer mit einem Geschäft im vierten Bezirk. Oder vertritt mit etwa 30 anderen Mitarbeitern das Wiener Büro von Haslinger / Nagele & Partner, hat den Standort mit aufgebaut. Voglmayr hingegen ist vor kurzem nach Linz gewechselt, wo die Zentrale der Kanzlei beheimatet ist. Auch sie liebt es zu kochen. „Es ist meine Leidenschaft, ich versuche zu improvisieren. In den Topf kommt, was schmeckt, an Rezepte binde ich mich normalerweise nicht“, sagt sie.
Raum für Improvisation gibt es in ihrem Berufsalltag selten. „Es gilt immer festzulegen, welche Strategie man zu fahren hat, Zeit, Kosten und Risiken müssen abgewogen werden“, erklärt Voglmayr. Kreatives Denken sei aber sehr wohl wichtig – etwa, wenn sich in Verhandlungen unerwartete Situationen ergeben. Dabei gehe es aber um nichts anderes, als das juristische Handwerk clever einzusetzen. Trotzdem treten manchmal Notfallsituationen ein. „Etwa, wenn es bei Mandanten zu einer Hausdurchsuchung kommt, dann wird alles liegen und stehen gelassen“, sagt Oder, „es kommt schon vor, dass man ein Meeting abbrechen und dann schnell ins Auto springen muss. Das kann jeden Moment passieren.“ Glücklicherweise gibt es heute aber keinen Anruf, die beiden können ihr Gericht fertig zubereiten.
Bulgur-Drama in letzter Minute abgewendet
Während die Hühnerkeulen im Backrohr langsam aber sicher Farbe annehmen, kümmern sich beide um die Beilagen. Oder brät das Gemüse an, Voglmayr schmeckt den Bulgur ab. „Ah, da muss noch etwas Wasser dazu!“, erkennt sie gerade noch rechtzeitig. „Da bin ich ein gebranntes Kind“, sagt sie und lacht. Der Hintergrund: Bei einer firmeninternen Kochveranstaltung war sie für das Risotto zuständig – und ließ es anbrennen. Heute läuft aber alles glatt. Während Oder das Gemüse finalisiert, holt Voglmayr den Bulgur im letzten Moment aus dem Topf. „Da habe ich uns vor einer Katastrophe bewahrt“, sagt sie. Platz für Unaufmerksamkeit gab es auch im Anwaltsberuf noch nie. Das wird auch in Zukunft so bleiben – trotzdem ändern sich die Anforderungen. „Der klassische Kern des Berufs wird zwar immer gleichbleiben, aber das Klischee des „alten Mannes am schweren Eichenholztisch“ ist längst überholt“, sagt Voglmayr. „Wir befassen uns zwangsläufig mit neuen Entwicklungen, in der immer stärker digitalisierten Welt kommt es zu völlig neuen Herausforderungen, denen sich die nächste Generation stellen muss.“ Der Anwalt der Zukunft sei technikaffin und gut vernetzt.
Endlich ist es soweit: Die Hühnerkeulen kommen aus dem Backrohr. „Du musst dekorieren, für den Feinschliff bist du verantwortlich!“, sagt Voglmayr, Oder macht sich sogleich ans Werk, richtet den Bulgur an und platziert vorsichtig die Keulen und das Gemüse daneben. Köstlich – Einspruch nicht möglich. _