Bildung
- 1 Kritik : Es gibt zu wenige Lehrlinge, weil die Lehre mit den höheren Schulen konkurrieren muss, für die MINT-Ausbildung muss mehr getan werden und der omnipräsente Fachkräftemangel erschwert das Finden von gut qualifizierten Mitarbeitern.
- 1 Thomas Stelzer
Nachdem die Jahrgänge kleiner werden, nimmt der Wettbewerb um die jungen Leute nach der Pflichtschule zu. Wir tun alles dafür, um die Wertigkeit der Lehre zu heben und den Familien zu vermitteln, dass die Lehre hochwertig ist. Wir modernisieren auch laufend die Berufsschulen, um sichtbar zu machen, wie viel uns das wert ist und damit die Schulen mit dem, was sich in den Betrieben abspielt, mithalten können. Zudem gibt es auch Sondermodelle wie die Lehre mit Matura oder die Duale Akademie der Wirtschaftskammer Oberösterreich. In den MINT-Fächern haben wir zu wenig Angebot, das stimmt. Es muss uns gelingen, dass sich mehr junge Menschen für einen technischen Bildungsweg entscheiden. Dafür gibt es seit Jahren Schwerpunktprogramme, beginnend bei den Kindern, etwa „Mädchen in die Technik“. Die Verteilung ändert sich zwar schon ein bisschen, aber es ist nach wie vor eklatant, dass wir noch viel mehr junge Frauen brauchen.
Zudem benötigen wir auch eine Stärkung der JKU im technischen Bereich, was aktuell mit der Bundesregierung diskutiert wird. Um dem Fachkräftemangel langfristig Herr zu werden, muss man wieder mehr an den Grundkenntnissen Lesen, Schreiben und Rechnen feilen. Wir bräuchten auch unbedingt ein Fach Programmieren/Coding, in welchem Grundkenntnisse schon sehr früh vermittelt werden. Es muss insgesamt nicht unbedingt mehr Schulen geben – obwohl wir die eine oder andere weitere HTL durchaus vertragen würden – sondern wir müssen unsere Schwerpunkte mehr in Richtung Technik setzen.
Ich verstehe, dass die Unternehmen hier unzufrieden sind, denn Oberösterreich ist das größte Lehrlingsland. Wir hatten immer die meisten Lehrlinge, daher ist die Betroffenheit am größten. Wir sind jenes Bundesland, welches die Fachkräfte am Produktionsstandort am meisten braucht. Wir haben am Arbeitsmarkt eine sehr zwiespältige Entwicklung. Auf der einen Seite haben wir immer mehr Menschen in Beschäftigung – im August mit 677.000 Menschen einen Rekordwert – und mit 33.000 Arbeitslosen eine sinkende Arbeitslosigkeit. Auf der anderen Seite gibt es aber auch 20.000 offene Stellen und über 500 offene Lehrstellen. Damit sind wir beim Fachkräftemangel angelangt. Dieser ist einerseits demographisch getrieben. Wir haben genau in der Schnittstelle zwischen Weiterführung der Schule oder dem Beginn einer Lehre im Alter von 15 Jahren ein paar tausend Menschen weniger in der Grundgesamtheit. Man kann an zwei Schrauben drehen: Entweder aus der bestehenden Erwerbsbevölkerung mehr Fachkräfte rekrutieren oder auf qualifizierte Zuwanderung setzen.
Es gibt fünf Gruppen, aus denen wir Fachkräfte rekrutieren können.
1. Junge Menschen_Hier gibt es das große Problem, dass die duale Ausbildung mit den weiterführenden Schulen in Konkurrenz steht: Es ist recht einfach, in eine weiterführende Schule zu gehen, und das führt dazu, dass sich weniger Leute für eine duale Ausbildung entscheiden. Wir haben zwar steigende Lehrlingszahlen, diese bringen aber oft nicht die erforderliche Qualität mit. Die Selektion geht dahin, dass nur diejenigen, die sich in der Schule schwertun, eine Lehre beginnen. Das ist nicht das, was wir wollen, die Lehre ist eine erstklassige Ausbildung mit hervorragenden Karrieremöglichkeiten.
2. Frauen_Jede Hebung der Frauenerwerbsquote ist in der Fachkräftedebatte hilfreich.
3. Migranten_Diese sind gerade in der Lehre unterrepräsentiert.
4. Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen_Diese stünden dem Arbeitsmarkt sehr wohl noch zur Verfügung.
5. Ältere Mitarbeiter_Deren Potential wird unterschätzt.
Die zweite Möglichkeit, um Fachkräfte zu rekrutieren, ist die qualifizierte Zuwanderung. Das sage ich schon, seit ich in der Landesregierung bin, mittlerweile glaube ich, dass sich diese Ansicht auch durchgesetzt hat. Ob man immer die richtigen Instrumente dafür einsetzt, ist aber eine andere Frage.
Infrastruktur
- 2 Kritik : Es fehlt ein gut ausgebautes Angebot des Linzer Flughafens sowie das Bewusstsein der Leute, dass es auch außerhalb des Zentralraumes Linz Arbeitsplätze gibt. Zudem wären die oberösterreichischen Regionen attraktiver, wenn die Mitarbeiter eine bessere öffentliche Verkehrsanbindung hätten.
- 2 Thomas Stelzer
Wirtschaftlich gesehen ist der Flughafen zwar erfolgreich, weil wir mit dem Frachtgeschäft gut unterwegs sind, aber das Passagieraufkommen ist unsere Herausforderung. Wir haben eine spezielle Lage, der Flughafen Wien ist von uns aus sehr gut mit dem Zug erreichbar. Nichtsdestotrotz braucht ein so starker Wirtschaftsstandort wie Oberösterreich eine gute Fluganbindung. Bei der regionalen Verteilung der Arbeitsplätze stimme ich nicht ganz zu. Denn ein riesengroßer Vorteil von Oberösterreich ist, dass die Wirtschaft wirklich großflächig regional gestreut ist. Natürlich wird der Zentralraum immer in der Auslage stehen, aber, wenn man sich ansieht, was es beispielsweise im Innviertel an Industrie gibt, vom Motorrad- bis zum Flugzeugbauer, dann ist das enorm.
Was die bessere öffentliche Verkehrsanbindung anbelangt, teile ich die Meinung der Unternehmen. Da sind wir einfach nicht gut genug. Ein Flächenbundesland wie Oberösterreich wird niemals sagen können, wir sind zur Gänze mit öffentlichen Verkehrsmitteln versorgt. Aber dort, wo es Sinn macht, in den Ballungsräumen rund um Linz und in den Bezirkshauptstädten, müssen wir besser werden. Zudem haben wir heuer das erste Jahr in unserem Landesbudget ein größeres Budget für den öffentlichen Verkehr als für den Straßenbau. Das hat es bisher noch nicht gegeben und soll zeigen, dass wir hier wirklich etwas weiterbringen wollen.
Der Linzer Flughafen ist wie alle Regionalflughäfen in einer nicht ganz so einfachen Situation. Wir sind in einer Sandwich-Position zwischen Wien und München. Die neue Führung und das neue Management bemühen sich gerade um neue Drehkreuze, etwa Zürich und Amsterdam. Wir sind sehr gut im Frachtbereich, haben aber über Jahre hinweg sinkende Passagierzahlen und versuchen mit einer neuen Strategie, die ab 2019 umgesetzt werden soll, den Turnaround zu schaffen. Die Angebote des öffentlichen Verkehrs, gerade in den peripheren Regionen, sind für viele Menschen nicht ausreichend. Daher sind nach wie vor viele auf das eigene Fahrzeug angewiesen und die Verkehrsstruktur für den motorisierten Individualverkehr ist nach wie vor wichtig. Auch wenn wir nicht alles auf der Straße lösen können. Klar ist: Das ist weiterhin ein Auftrag für uns. Und ja – Gott sei Dank – gibt es auch in den Bezirken erfolgreiche Betriebe mit Arbeitsplätzen, um nicht einen ungebremsten Zustrom in die Ballungsräume zu haben. Wir müssen alles dafür tun, dass auch die Peripherie attraktiv bleibt, die Leute dort nicht wegziehen und einen Arbeitsplatz finden. Daher ist die Kritik absolut nachvollziehbar. Ich sehe es als Auftrag für die Landespolitik, hier anzusetzen.
Verwaltung
- 3 Kritik : Eine zu langwierige und überbordende Bürokratie bremst die Dynamik des Standortes, in der Raumordnung sind die Bürgermeister oft überfordert. Zudem muss man mehr darauf schauen, was die Nachbarländer machen und einen Blick nach Asien werfen, wo alles viel schneller geht.
- 3 Thomas Stelzer
Die Verfahren bei uns sind sehr beschleunigt worden. Wir haben mit der Business Upper Austria eine hervorragend aufgestellte Standortagentur, die sich sehr um die Firmen bemüht. Aber Raumordnung ist eine ständige Herausforderung, das stimmt. Die Kompetenz liegt bei den Gemeinden. Auf der einen Seite gibt es Kritiker, die sagen, es werde zu viel verbaut, der Flächenverbrauch sei zu groß. Auf der anderen Seite gibt es Unternehmen, die sagen, Flächenwidmungen würden zu lange dauern. Da steht die Politik immer mittendrin. Ein Schritt, den wir in diesem Segment initiiert haben, ist die Inkoba (Interkommunale Betriebsansiedelung und Wirtschaftsparks), bei der verschiedene Gemeinden gemeinsam Betriebsansiedelungen betreiben. Die besprechen, an welchem Standort in ihren Gemeinden eine Ansiedelung am sinnvollsten ist und teilen die entsprechenden Beträge dann auf die Gemeinden auf. Das sind zukunftsweisende Modelle.
Was die Dynamik anbelangt, bin ich nicht ganz d’accord mit der Grundstimmung. Oberösterreich ist im internationalen Vergleich ein sehr dynamischer Standort, vor allem in den speziellen Bereichen der Automotive, des Leichtbaus und der Flugzeugindustrie – hier sind wir wirklich top. Da bestimmen unsere Unternehmen teilweise auch die Weltmärkte mit. Das geht aber nur, wenn man im internationalen Wettbewerb bestehen kann. Wir setzen unter meiner Regierung sehr viel auf internationale Kontakte und gehören beispielsweise zu den Powerregionen. Hier arbeiten wir mit ein paar ausgewählte Regionen wie Georgia, Quebec, Shangdong und Bayern zusammen, weil wir vergleichbare, schnell wachsende, technologische Standorte sind.
Die Kritik an der Überregulierung und der Bürokratie ist berechtigt. Diese begleitet uns schon seit Jahren und ist eine dauerhafte Aufgabenstellung für die Politik. Wir haben aber in Oberösterreich in diesem Bereich auch konkrete Fortschritte gemacht, etwa bei den Betriebsanlagengenehmigungen. Wir sind in den Verfahren schneller geworden, das bringt uns Ansiedelungen, auch aus anderen Bundesländern. Im internationalen Vergleich, etwa mit Deutschland oder Italien sind wir schneller, aber beispielsweise die USA oder Estland sind noch schneller. Wir haben jetzt auch zivile Sachverständige in den Verfahren zugelassen, nicht nur Amtssachverständige, das hilft. Und es gibt auch schon digitale Verfahren im Energiebereich. Aber natürlich ist das erst ein Anfang. Je mehr es gelingt, digitale Technologien einzusetzen und Dinge einfacher zu machen, desto besser. Insgesamt ist Oberösterreich nicht schlecht aufgestellt. Ich verstehe aber die Kritik der Unternehmen, die sagen, sie hätten es gerne noch schneller.
Da ich selbst relativ viel im Ausland unterwegs bin, maße ich mir an zu sagen, dass Oberösterreich gerade in jüngster Vergangenheit mehr Dynamik gezeigt hat als andere Länder in Europa. Das sieht man etwa am Wachstum. Und was Asien anbelangt: Nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich. Asien ist ein völlig anderes System mit einem gänzlich anderen Rahmen. Wir diskutieren etwa gerade Klimaschutzziele, die es dort überhaupt nicht gibt. Aber es stimmt: Derzeit sind die USA und Asien im Wettbewerb deutlich attraktiver und agiler. Aber das liegt vor allem an Europa selbst. Wenn es der Europäischen Union nicht gelingt, konsequent und stringent ihre Strategien zu verfolgen und wir wieder in nationales Denken zurückfallen, dann feiert der Nationalismus ein Revival. Wenn die Populisten ihre Programme durchbringen, dann schwächt das Europa und dann sind wir auch im Wettbewerb im Hintertreffen. Das ist natürlich eine Gefahr.
Bund
- 4 Kritik : Beim Thema „Asylwerber in der Lehre“ sollten sich oberösterreichische Politiker in Wien mehr Gehör verschaffen – da komme die wienlastige Politik der Bundesregierung hervor.
- 4 Thomas Stelzer
Ja, das ist ein wirklich schwieriges Thema, weil zwei Bereiche immer vermengt wurden. Auf der einen Seite stehen die Flucht und das Asylrecht. Es ist unbestritten: Wenn Leute mit dem Leben bedroht werden, muss ihnen geholfen werden. Auf der anderen Seite steht das Thema Zuwanderung und Beschäftigung. Man hat aufgrund der zu langen Dauer der Asylverfahren gesagt, es ist nicht sinnvoll, wenn die Leute jahrelang nichts tun dürfen und nur auf den Bescheid warten. Darum der Entschluss: Eröffnen wir ihnen doch die Möglichkeit, zumindest in die Ausbildung zu gehen. Das halte ich für sehr klug. Dazu wurde aber auch gesagt, dass dies nur für Leute gilt, die aus einem Land kommen, bei dem die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass sie bleiben dürfen und demnach einen positiven Asylbescheid bekommen. Das Asylrecht muss jedoch immer vorgehen. Wenn sie einen negativen Asylbescheid bekommen, müssen sie auch dementsprechend das Land verlassen. Die Bundesregierung hat hier für Klarheit gesorgt, was grundsätzlich wichtig ist. Was ich jedoch nicht für gescheit halte, ist, dass diejenigen abgelehnten Asylwerber, die bereits in einer Lehre sind, jetzt nicht bleiben dürfen und nicht die Chance haben, die Lehre fertig zu machen. Dafür habe ich eher wenig Verständnis.
Es gibt schon seit ewigen Zeiten Interessenskonflikte zwischen den Gebietskörperschaften, insbesondere zwischen dem Bund und den Ländern als auch zwischen den Ländern und den Gemeinden. Das ist nicht neu. Das Beispiel der Asylwerber, die eine Lehre machen, ist aber ein denkbar schlechtes. Warum? Weil es eine Entwicklung ist, die völlig daneben läuft. Ich habe mich selbst dafür eingesetzt, dass Asylwerber früher in den Arbeitsmarkt integriert werden. Das Grundproblem bei dieser Frage sind die zu langen Verfahrensdauern. Jeder weiß, wenn man zwei oder drei Jahre nichts tun darf, ist es noch viel schwieriger, diese Leute in den Arbeitsmarkt zu integrieren.
Daher der Gedanke: Lassen wir diese Leute doch früher arbeiten. Allerdings sind sie in einem Dilemma. Die Firmen sagen, wir haben dann jemanden, von dem wir nicht wissen, ob er einen Asylbescheid bekommt. Daher haben wir Bleibeprognosen und schauen, woher die entsprechenden Personen kommen. Ist die Wahrscheinlichkeit, dass jemand Asyl bekommt, hoch, bin ich dafür, dass er schon eine Lehre machen darf. Ich bin aber nicht dafür, dass Menschen, bei denen man schon mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit annehmen kann, dass sie kein Asyl erhalten, eine Lehre anfangen dürfen. Weil sie dann das Problem haben: Wenn ein negativer Bescheid kommt, was machen sie dann? Das ist unbefriedigend, sowohl für den Asylwerber als auch für die Unternehmen. Man sollte dies viel besser im Vorfeld abklären. Insgesamt ist es eine sehr schwierige Frage. Es ist ein Spannungsverhältnis, das meines Erachtens nur mit schnelleren Verfahren lösbar ist und indem ich mir genau überlege, wen ich den Betrieben schicke.