Als Unternehmer strebt man in der Regel nach Gewinnmaximierung, als Politiker nach der bestmöglichen Gestaltung der Gesellschaft. Wie sehr dürfen oder sollen sich die beiden Bereiche überschneiden? Der langjährige Unternehmer und FPÖ-Klubobmann Herwig Mahr darüber, was die Politik von der Wirtschaft lernen kann, warum es wichtig ist, unternehmerisches Denken in die Politik zu bringen und wie es dabei mit Interessenskonflikten aussieht.
Wie viel unternehmerisches Denken kann und soll in der Politik verankert sein?
Mahr_Das „kann“ würde ich durch ein „muss“ ersetzen. Das Gedankengut der Privatwirtschaft – schnelle Umsetzung von Ideen und korrigierendes Eingreifen, wenn etwas schieflaufen sollte – muss wesentlich mehr in der Politik verankert werden. Ich bin 1985 als 25-Jähriger in den Gemeinderat in Traun eingezogen, 1991 wurde ich Trauner Vizebürgermeister. Ich war aber vorher schon zehn Jahre in einer leitenden Position in der Privatwirtschaft. Es ist gut, wenn man beide Seiten kennt und das privatwirtschaftliche Denken als Politiker intus hat. Aber es gibt natürlich unterschiedliche Ansätze. Privatwirtschaftlich agiert man gewinnmaximierend, das kann und sollte man in der Politik nicht in allen Bereichen machen. Wir haben in der Wirtschaft wie in der Politik ein leistungsorientiertes Denken, das ist auch gut so.
Was kann ein Politiker von einem Unternehmer lernen?
Mahr_In der Privatwirtschaft kann man viel schneller auf Dinge reagieren, etwas zurücknehmen oder anders machen, ohne gleich in der Kritik zu stehen, und man kann in allen Bereichen unternehmerisch denken. Das ist in der Politik oft schwer umzusetzen. Egal welcher Fraktion man angehört, bei einer Änderung der eigenen Entscheidung oder einer Fehlentscheidung wird einem das von der Opposition immer als Schwäche vorgeworfen. Das ist aber, unabhängig von der politischen Couleur, kompletter Blödsinn. Wenn jemand zehn Entscheidungen zu treffen hat, wird man nicht immer alle richtig treffen, das kann keiner. Man muss es aber erkennen und korrigieren. Und das geht eben in der Politik relativ schlecht – was mich maßlos ärgert. Daher gibt in der Politik selten jemand eine falsche Entscheidung zu. Darum braucht es in der Politik mehr Leute aus der Wirtschaft, die das privatwirtschaftliche Gedankengut in die Politik mitnehmen.
Es braucht also mehr Unternehmer in der Politik?
Mahr_Ja, definitiv. Ich mache einem Politiker, der nie als Unternehmer tätig war, keinen Vorwurf, wenn er das unternehmerische Denken nicht hat. Woher soll er es denn auch haben? Aber wenn ich als Politiker nicht weiß, wie die Wirtschaft funktioniert, werde ich mir schwertun. Ein Beispiel ist der Umgang mit Geld. Ich hatte als Unternehmer drei Millionen Euro Umsatz, das war aber mein eigenes Geld. In der Politik ist es ein Mehrfaches, es ist aber nicht mein eigenes Geld. Wenn ich als Unternehmer von den drei Millionen eine Million in den Sand gesetzt hätte, wäre ich ruiniert gewesen. Das betrachte ich auch in der Politik so und setze das Geld ganz anders ein. Es ist wichtig, diesen Konnex hinzukriegen.
Oftmals erregt es die Gemüter, wenn umgekehrt Politiker in die Privatwirtschaft wechseln …
Mahr_Damit habe ich überhaupt kein Problem. Jemand aus der Politik sollte genauso in die Privatwirtschaft wechseln dürfen wie umgekehrt, so wie es etwa Landeshauptmann-Stellvertreter Michael Strugl macht. Das ist ein blitzgescheiter Kerl. Wenn er in die Privatwirtschaft wechseln will und dadurch ein Vielfaches verdienen kann, warum denn nicht? Ich habe dafür vollstes Verständnis.
Interessenskonflikte sind in dieser Beziehung immer ein heikles Thema.
Mahr_Es kommt darauf an, was ein Interessenskonflikt überhaupt ist. Ich selbst habe ein kleines Wasserkraftwerk. Als ich FPÖ-Klubobmann geworden bin, musste ich das angeben. Die zuständigen Behörden fragten, ob das vereinbar sei. Es kann nicht daran scheitern, in die Politik zu gehen, nur weil man ein Kraftwerk hat. Es wäre etwas anderes, wenn man eine Wohnbaufirma hätte, in der Politik ist und dorthin die Aufträge vergibt. Dann ist das wirklich ein Konflikt. Das darf nicht sein.
Wie führt man einen Landtagsklub, das eigene Büroteam und das Unternehmen unisono?
Mahr_Eigentlich ist das kein großer Unterschied. Wir sind überall vom Leistungsgedanken geprägt, sowohl im politischen Büro als auch im Unternehmen. Man muss menschlich sein und Führungsqualität haben – das Büro wie das Unternehmen müssen klar ausgerichtet sein, die Mitarbeiter sollen wissen, wie der Chef tickt. Im politischen Klub kommen ein paar Leute mehr zusammen (18 Abgeordnete, Landes- und Bundesräte mit den jeweiligen Büroleitern). Das kann man nur managen, indem man es sehr konsequent und zielgerichtet führt. Aber es ist ganz wichtig, dass sich jeder zu Wort meldet, jeder gehört wird und der Spaß auch nicht zu kurz kommt – es wird jeder, vom Landeshauptmann-Stellvertreter bis zum einfachen Mitarbeiter, einmal durch den Kakao gezogen, das gehört einfach dazu._
gedanken
von Herwig Mahr
Darum blogge ich_ Weil ich einen Pressereferenten habe, der mir gesagt hat, dass man das heutzutage machen muss (lacht). Um seriös zu bleiben: Mir geht es beim Blog darum, eigene Gedanken ungefiltert unter die Leute bringen zu können.
Das würde ich jemanden sagen, der meint, Politik darf nicht unternehmerisch sein_ Dass das ein völliger Blödsinn ist.
Ich bin lieber Politiker oder Unternehmer_ Ich bin in der glücklichen Lage, beides vereinen zu können, und das ist ein Traum.
Die wichtigste Lehre, die ich als Politiker gelernt habe_ Ehrlichkeit und Offenheit. Wenn jemand eine Meinung hat und dafür einsteht, akzeptiert das jeder, unabhängig von der Fraktion. Das ist in einer Demokratie genauso wie in einer Ehe. Manchmal streiten meine Frau und ich uns auch. Meistens machen wir halt dann das, was sie sagt (lacht).