Chile
"Musterschüler" Südamerikas
Vierzehn Stunden dauert der Flug von Madrid nach Santiago, der Hauptstadt Chiles. Direktflüge aus Österreich in das langgezogene Land an der südwestlichen Küste des südamerikanischen Kontinents gibt es nicht. Die lange Anreisezeit ist laut Drazen Maloca, Wirtschaftsdelegierter in Santiago, aber der einzige Nachteil Chiles als Exportland: „Es gibt eine stabile Demokratie, die Regierung hat sich Wachstum auf die Fahnen geschrieben und das funktioniert auch.“
Im vergangenen Jahr gab es Wachstumsraten von vier Prozent. Wenn der Kupferpreis – Chile ist der größte Kupferexporteur der Welt – hoch bleibt, werde es auch in den nächsten Jahren so weitergehen. Der Wirtschaftsdelegierte bezeichnet Chile als den „Musterschüler Südamerikas“. Das Land entwickelte sich in den vergangenen Jahren sehr gut. Es ist nun das Land mit dem höchsten BIP pro Kopf in Südamerika und spielt in den verschiedenen Rankings in derselben Liga wie einige osteuropäische Nachbarn Österreichs. Ein großer Vorteil für österreichische Firmen ist auch das Bestehen einer großen deutschen Community. Diese hat sich um 1900 gebildet, als die chilenische Regierung deutschen Auswanderern viel Land angeboten hat. Über 50 österreichische Firmen haben eine Niederlassung in Chile. Alle, die noch nicht dort sind, aber an einen Einstieg in den lateinamerikanischen Markt denken, sollten sich Chile genauer anschauen: „Das Land ist ein geeignetes Sprungbrett für heimische Firmen nach Südamerika, weil es dem westeuropäischen Geschäftsmodell am ähnlichsten ist. Es ist ein entwickeltes Land, das entwickelte Produkte benötigt, und eine der liberalsten Volkswirtschaften der Welt.“ Als Beispiel für die Offenheit der Chilenen nennt Maloca eine Einladung, die das Infrastrukturministerium an österreichische Firmen ausgesprochen hat, um dem Minister darzustellen, was sie zum Ausbau der Infrastruktur beitragen können. „Überall anders muss man um solche Termine betteln.“ Ein Problem im Zusammenhang mit der guten wirtschaftlichen Entwicklung sei aber, dass die staatliche Verwaltung damit nicht Schritt gehalten habe und langsam sei. Die Chilenen seien auch sehr in die Bürokratie verliebt.
Wenn Leute das erste Mal nach Santiago kommen, würden sie meist gar nicht glauben, in Südamerika zu sein, sondern eher in Südeuropa: „Die Infrastruktur ist modern ausgebaut. Die Regierung nimmt die Weiterentwicklung ernst und redet erst über Projekte, wenn die Finanzierung steht.“ Das Land ist stark zentralisiert, von den 18 Millionen Einwohnern leben bis zu sieben Millionen im Zentralraum – dazu gehört auch Maloca mit seiner Frau und den zwei kleinen Kindern. „Wir fühlen uns hier sehr wohl“, erzählt Maloca, dass er ohne Angst um seine Sicherheit leben kann. Straßenkriminalität sei in anderen Ländern oft eine Folge der Armut: „In Chile hat man es in den vergangenen Jahren geschafft, eine Mittelschicht aufzubauen. Wenn man sich ausbildet und arbeitet, hat man einen gewissen Lebensstandard.“ Von der Mittel- in die Oberschicht zu kommen, sei aber schwierig. Das Land werde von einer Elite von rund 20 Familien wirtschaftlich und politisch regiert, diese besitze 70 Prozent der Industrien. Das chilenische Volk beschreibt Maloca als das Volk, welches die lateinamerikanischen Stereotypen wahrscheinlich am wenigsten erfüllt. „Die Chilenen sind nicht die typischen Latinos, sondern viel ernster, disziplinierter und auch ein bisschen distanzierter“, sagt Maloca und fügt mit einem Schmunzeln hinzu: „Aber am Ende des Tages sind sie trotzdem noch immer sehr beziehungsorientierte Südamerikaner und machen Geschäftsabschlüsse gerne bei einem Glaserl Wein und einem guten Stück Fleisch.“
Brasilien
Große Risiken, noch größere Chancen
Komplexes Steuer- und Rechtssystem, schlechte Zahlungsmoral, hohe Kriminalitätsrate, veraltete Infrastruktur, Korruption – die Liste an Herausforderungen in Brasilien ist lang. Doch umso größer sind die Chancen für heimische Exporteure, so Klaus Hofstadler, Wirtschaftsdelegierter in Sao Paulo: „Brasilien ist ein sehr mühsamer Markt mit vielen Ineffizienzen – aber das Land entwickelt sich gut und bietet riesige Möglichkeiten.“
Die Rezension ist überwunden, die neue Regierung bringe Stabilität. Brasilien ist mit über 200 Millionen Einwohnern der mit Abstand größte Markt in Südamerika und achtwichtigster Überseemarkt der österreichischen Exportwirtschaft. Durch die Größe des Landes würden sich für die heimischen Exporteure in vielen Bereichen Chancen bieten. Mehr als 200 österreichische Unternehmen haben bereits eine Tochterfirma in Brasilien – der Innviertler Spezialmaschinenbauer Wintersteiger ist eines davon. Der Geschäftsbereich Seedmech, bei dem Maschinen für den Saat- und Erntebereich angeboten werden und man mit einem Marktanteil von 35 Prozent Weltmarktführer ist, ist seit 2008 mit einer Niederlassung in Brasilien tätig und macht dort mittlerweile drei bis fünf Millionen Euro Umsatz pro Jahr. Davor war man bereits einige Zeit über Vertriebspartner am Markt aktiv. „Wir sind mit unseren Kunden, zu denen große Pflanzenzüchter wie Bayer und Syngenta sowie lokale Anbieter gehören, mitgegangen“, sagt Geschäftsbereichsleiter Christopher Schiehauer. Der südamerikanische Markt ist besonders interessant, weil aufgrund der Klimaverhältnisse bis zu dreimal im Jahr ausgesät werden kann. Ein weiteres österreichisches Unternehmen am brasilianischen Markt ist Greiner mit einem Tochterunternehmen der Medizintechniksparte Bio-One. Greiner ist seit 25 Jahren vor Ort, erwirtschaftet etwas mehr als 35 Millionen Euro Jahresumsatz. Als die großen Vorteile der Produktion vor Ort nennt Vorstandsvorsitzender Axel Kühner, dass man als lokaler Produzent wahrgenommen wird und den Währungsschwankungen nicht so sehr unterliegt.
Auf die Frage nach den größten Herausforderungen nennt Kühner fehlende Infrastruktur sowie überbordende Bürokratie: „Wir glauben in Österreich immer, dass bei uns alles so schwierig ist, aber in solchen Ländern ist die Bürokratie oft eine viel größere Hürde.“ Das seien aber Themen, mit denen alle zu kämpfen hätten und die somit niemanden benachteiligen. Schiehauer nennt bei den Schwierigkeiten noch das Thema Personal: „Wir tun uns sehr schwer, Mitarbeiter zu finden und zu halten.“ Die Leute seien wenig mit den Firmen verbunden. Hofstadler, der seit zweieinhalb Jahren in Brasilien lebt, beschreibt die Menschen als „sympathisch und optimistisch“. Was neue Geschäfte anbelangt, zeige man sich sehr euphorisch, würde aber nicht zu den langfristigen Planern gehören. Firmen sollten daher neue Geschäftspartner genau prüfen sowie rasch und aktiv mit ihnen kommunizieren. Offen und direkt zu einem Angebot Nein zu sagen, gilt als unhöflich, stattdessen meldet man sich nicht mehr. Im Vergleich zu Europa würden Verkaufsverhandlungen in Brasilien oft viel länger dauern, aber die Kunden brauchen die Bestellung dann innerhalb kürzester Zeit, erzählt Schiehauer.
In Österreich ist man nach sieben Stunden Reisezeit von einem ans andere Ende gelangt, in Brasilien können es bis zum nächsten Kunden schon mal zwei Tage Reisezeit sein. Da heißt es flexibel sein, erzählt Schiehauer über die langen Distanzen. Gleichzeitig könne man mit einem guten Service punkten. Einen Vorteil könnten sich österreichische Firmen in Brasilien laut Hofstadler auch verschaffen, indem sie Finanzierungsmöglichkeiten mitnehmen: „Besonders die KMU haben dazu kaum Zugang.“ In Bezug auf das komplexe Steuer- und Rechtssystem rät er zu einer guten Vorbereitung mit der Expertise von Spezialisten aus Brasilien. Um dem komplizierten Arbeitsrecht so gut es geht zu entkommen, sollte man sich möglichst schlank aufstellen und viel auslagern: „Die Firmen sollten sich auf den Verkauf ihrer Produkte konzentrieren.“
Die Lateinamerikaner müssen als Kunden erobert werden.
Marius Hager
Partner, Global Hydro Energy
Wir tun uns sehr schwer, Mitarbeiter zu finden und zu behalten.
Christopher Schiehauer
Geschäftsbereichsleiter Seedmech, Wintersteiger
Lateinamerika zu Gast in Linz
Am 15. Mai haben oberösterreichische Unternehmen beim Lateinamerika-Tag in der WKOÖ die Möglichkeit, einen Überblick über die wirtschaftlichen Perspektiven Lateinamerikas zu bekommen. Es werden alle fünf österreichischen Wirtschaftsdelegierten aus der Region (Mexiko, Kolumbien, Brasilien, Argentinien und Chile) für individuelle Beratungsgespräche zur Verfügung stehen. Zusätzlich berichten Unternehmen von ihren Erfahrungen in der Region. Die Veranstaltung wird vom Export Center OÖ in Kooperation mit der Außenwirtschaft Austria und der Raiffeisen Landesbank OÖ organisiert. Anmeldung unter: (http:/xportcenter.at/lateinamerika).
Lateinamerika zu Gast in Linz
Am 15. Mai haben oberösterreichische Unternehmen beim Lateinamerika-Tag in der WKOÖ die Möglichkeit, einen Überblick über die wirtschaftlichen Perspektiven Lateinamerikas zu bekommen. Es werden alle fünf österreichischen Wirtschaftsdelegierten aus der Region (Mexiko, Kolumbien, Brasilien, Argentinien und Chile) für individuelle Beratungsgespräche zur Verfügung stehen. Zusätzlich berichten Unternehmen von ihren Erfahrungen in der Region. Die Veranstaltung wird vom Export Center OÖ in Kooperation mit der Außenwirtschaft Austria und der Raiffeisen Landesbank OÖ organisiert. Anmeldung unter: xportcenter.at/lateinamerika.