Gleich mal vorweg: Nein, Frauen sind nicht die bessere Hälfte. Sie sind aber auch nicht die schlechtere. Darin sind sich all unsere sieben Interviewpartnerinnen einig. Sieben deshalb, weil ihre unterschiedlichen Geschichten zeigen: Weiblichkeit hat nicht die eine Rolle. Und auch nicht das eine Gesicht. Ob geschminkt oder ungeschminkt, im Rock oder in der Hose, Mutter oder Nichtmutter, stark oder schwach (oder beides), im Chefsessel oder hinterm Herd (oder beides) – Frauen sind auch nur Menschen. Ja, eben. Menschen. Wie Männer. Also warum reden wir eigentlich noch darüber? Reden wir darüber.
Tatjana Oppitz
Mit zwölf nehmen ihre Eltern sie in Wien aus der Englischen Schule, Englisch kann sie ja jetzt. Und schreiben sie ins Lycée Français ein. „Ich habe kein Wort Französisch verstanden, der gesamte Unterricht war auf Französisch. Und ich musste diesem Unterricht folgen“, erzählt Tatjana Oppitz, ehemalige Generaldirektorin von IBM Österreich und seit Herbst 2019 WU-Vizerektorin. Französisch hat sie schnell erlernt. Und noch etwas hat sie gelernt. Damals in der Schule und auch später bei allen weiteren Herausforderungen: „Ich hab mich hineingestürzt. Ohne lange zu analysieren, was die Konsequenzen sein könnten. Ich hab’s einfach gemacht.“
Ihr Lebenslauf liest sich ein bisschen wie eine Mutprobe. Sie haben jede Menge Erfahrung im Ausland gesammelt und sind ganz offensichtlich nicht vor großen, neuen Herausforderungen zurückgeschreckt. Ist es der Mut, den Frauen brauchen, damit es mehr weibliche Führungskräfte gibt?
OppitzDas ist ein sehr guter Punkt. Ich nenne das immer so: Frauen kopfen sehr. Sie überlegen sich alles im Detail. Zum Beispiel, wenn sie eine Stelle angeboten bekommen, dann wird das genau analysiert: Kann ich das? Hab ich genug Erfahrung? Wie stelle ich sicher, dass ich das mit meiner Familie vereinbaren kann? Und dann kommt die Unsicherheit, weil sie vielleicht nicht zu 100 Prozent dem Anforderungsprofil entspricht. So denken Männer nicht. Klar sind nicht alle so. Aber tendenziell sind Frauen vorsichtiger und hinterfragen alles. Dadurch entgehen ihnen Chancen. Manchmal muss man gewisse Dinge einfach annehmen. Und machen.
Angenommen, eine Frau liest das. Und denkt sich: Okay, morgen fange ich an damit. Wie kann sie das anstellen?
OppitzZu meinen Mentees sage ich immer: Sucht eine Baustelle und zeigt, welche Fähigkeiten ihr habt. Um sichtbar zu werden, muss man etwas ganz Anderes zeigen als das, was sowieso erwartet wird. Das Schema „Das sind meine Aufgaben, die erfülle ich ganz toll“ funktioniert nicht.
Sie setzen sich seit vielen Jahren für Frauenförderung ein und engagieren sich auch an der WU im Mentoringprogramm „Wise Women of WU“. Welche Unterstützung brauchen Ihre Mentees noch?
OppitzFrauen sind manchmal etwas schüchterner und brauchen Hilfe, wie sie die Marke „Ich“ stärken und einen eigenen Marketingplan erstellen können. Viele warten, bis ihr Chef sie befördert. Das passiert aber nicht. Man muss es selbst in die Hand nehmen. Was ich auch immer rate: Durch Kompetenz bekommst du Akzeptanz, also bereite dich vor, lerne. Interessant ist, dass die Frage „Wie bewege ich mich in männerdominierten Welten als Führungskraft?“ immer noch sehr präsent ist.
Und wie bewegt man sich da am besten? Mit männlichem Verhalten?
OppitzNein, absolut nicht. Ich bin immer so geblieben wie ich bin. Ich hab mich immer gern geschminkt und mich immer sehr weiblich verhalten. Ich würde nie einer Frau raten, sie solle sich wie ein Mann benehmen. Jeder Mensch benimmt sich anders, und das ist ja gut so.
Unter diesen Menschen sind aber zumindest in den Führungsetagen immer noch deutlich weniger Frauen. Woran liegt das?
OppitzAn der Unternehmenskultur. Da muss man ansetzen. Wenn ich zurückdenke an meine Zeit bei IBM – da gab es immer schon eine frauenfreundliche Unternehmenskultur, Frauen wurden dort seit dem Gründungsjahr 1919 gefördert und nicht nur als Schreibkräfte gesehen, man hat ihr Potential im Führen erkannt. So eine Kultur schafft man aber nicht, indem man sie verordnet. Man muss sich vielschichtig überlegen, was es braucht, damit sich Frauen wohl fühlen. Da geht es um Rahmenbedingungen, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zulassen, da geht es um Mentoringprogramme, die Frauen fördern. Und vor allem geht es darum, schon bei der Personalaufnahme darauf zu achten, genügend weibliche Kandidaten zu haben.