Wie im falschen Film. So fühlte es sich am Anfang der Coronakrise an. Und der Film läuft weiter; eine Mischung aus Science-Fiction, Horror und Drama. Wer führt hier eigentlich Regie? Ist es das unsichtbare Virus? Ist es die Politik? Oder sind es die Medien? Mediziner Günther Beck plädiert auf Eigenregie: „Es ist völliger Irrsinn, jetzt auf einen Impfstoff zu warten. Wir müssen das Steuer selbst in die Hand nehmen und eigenverantwortlich für unsere Gesundheit sorgen.“
Erinnern Sie sich an Ihren ersten Gedanken, als das Thema Coronavirus aufkam?
BeckMein erster Gedanke war: Hoffentlich wird das nicht so ein Desaster wie bei der Schweine- und Vogelgrippe. Hoffentlich werden die Regierungen nicht wieder Hunderte Millionen Euro für einen Impfstoff ausgeben, der in einem Jahr wieder weggeschmissen wird, weil man draufkommt, dass er nicht das ist, was wir erwartet haben.
Was würden Sie der Regierung raten, wenn Sie Teil des Beraterstabes wären?
BeckDie große prinzipielle Frage, die wir uns stellen müssen, ist: Wer sind diese Berater? Die werden nicht genannt. Beleuchten sie alle Blickwinkel? Es wird keine Diskussion zugelassen, sobald eine Meinung abweicht, wird man an den Pranger gestellt. Dabei wäre eine tägliche offene Diskussion so wichtig, weil wir jeden Tag dazulernen. Ich sage ja nicht, dass ich recht habe oder dass die Regierung nicht recht hat. Aber um Entscheidungen treffen zu können, braucht es viele verschiedene Blickwinkel. Im Moment werden bestimmte Meinungen als Dogma festgehalten. Und dürfen nicht hinterfragt werden. Jeder, der es wagt, etwas zu hinterfragen, ist ein Verschwörungstheoretiker. Das ist sehr gefährlich. Wie kann es sein, dass man sich, wenn man eine Meinung zu einem Thema hat, fürchten muss, diese kundzutun?
Was ist Ihre Meinung zur „neuen Normalität“? Ist sie der richtige Weg?
BeckAbsolut nicht. Mit dem, was wir jetzt wissen, wäre der richtige Weg der schnellste Weg zurück zur Normalität.
Sie haben keine Sorge um eine zweite Welle?
BeckNein, weil es bei uns auch keine dramatische erste gab. Das oberste Credo war stets, die Kapazitäten im Gesundheitssystem nicht zu überlasten – man nahm dazu immer die Reproduktionszahl R her, dieser Wert sollte unter eins sein. Der war in Deutschland schon eine Woche, bevor der Shutdown veranlasst wurde, unter eins – das sind aktuelle Zahlen vom Robert-Koch-Institut. In Österreich war zum Zeitpunkt des Shutdowns die Zahl zwar noch nicht unter eins, aber die Kurve ging schon drastisch nach unten. Das wäre indirekt ein Zeichen, dass die Maßnahmen, die zuvor gesetzt wurden – also Hände waschen, Abstand halten –, schon funktioniert haben oder dass es, ganz ähnlich einer saisonalen Grippe, ein selbstlimitierender Verlauf gewesen ist. Und dieser Verlauf hätte zur wichtigen Herdenimmunität geführt. Aber klar, im Nachhinein ist man immer gescheiter.
„Der Impfstoff wird keine Lösung sein.“
Günther Beck
Geschäftsführer, Gesundheitszentrum Revital Aspach und Villa Vitalis Medical Health Resort
Die Bilder aus Italien lassen aber nicht darauf schließen, dass es so harmlos gekommen wäre, oder?
BeckItalien mit Österreich zu vergleichen ist wie ein Vergleich von Äpfeln und Birnen. Länder wie Italien, Frankreich, Spanien, Großbritannien und natürlich die USA haben ihr Gesundheitssystem zu Tode gespart – hier stößt man schnell mit seinen Versorgungskapazitäten an seine Grenze. Und dann wurden uns Katastrophenbilder gezeigt, die sehr selektiv sind. Am Ende des Tages sieht man aber anhand von Statistiken, dass nicht mehr Menschen gestorben sind als vor vier Jahren während der letzten großen Grippewelle. Hinzu kommt, dass bei diesen Zahlen nicht unterschieden wird, ob jemand mit oder an dem Coronavirus gestorben ist. Aber da fällt eine ganze Welt in Schockstarre und fährt ein über Generationen aufgebautes soziales und ökonomisches Wohlstandssystem mit Anlauf gegen die Wand. Die Schäden kann man noch gar nicht abschätzen – da rede ich nicht nur von Konkursen und Existenzen, da geht es um noch viel mehr. Das wird die wirkliche zweite Welle sein: Arbeitslosigkeit, Angst, psychische Belastung, Unsicherheit. Wie viele Menschenleben haben wir kurzzeitig geschützt und wie viele gehen an den Folgen zugrunde, weil sie keine Existenz mehr haben? Hinzu kommen jene Opfer, die sich aus Angst vor dem Virus nicht getraut haben, ins Krankenhaus oder zum Arzt zu gehen. In Italien sind deshalb auch Kinder gestorben, darüber diskutiert aber kein Mensch.
Finden Sie den Weg, den Schweden gewählt hat – zumindest einen Regelbetrieb in der Gesellschaft aufrechtzuerhalten – besser?
BeckJa, und ich frage mich: Warum schauen wir nicht öfter nach Schweden? Sondern stattdessen nach Länder, wo es kein mit dem unsrigen vergleichbares Gesundheitssystem gibt? Man hat uns mit den Bildern von dort vermittelt: Wenn ihr nichts tut, blüht euch das Gleiche – das ist unfair und nicht richtig, weil die Voraussetzungen ganz andere sind. Diese Länder müssen wieder lernen, ihr Geld nicht für Banken auszugeben, sondern für die Gesundheit der Menschen. Auch in Schweden sterben Menschen, und auf den ersten Blick mehr als bei uns. Dort starben viele Menschen in Altenheimen. Dazu muss man aber wissen, dass in Schweden Altenheime schon eher Palliativstationen sind – diese Menschen sind also vermutlich ein paar Wochen früher gestorben. Aber wie vorhin schon gesagt, im Nachhinein ist man klüger. Jetzt würde ich sagen, dass zwei, drei Wochen dieser drastischen Maßnahmen richtig waren. Aber ich verstehe nicht, warum man - obwohl sich alles in die richtige Richtung entwickelt hat - nicht zur Normalität zurückkehren will.