Oder verstehen Sie es zumindest? Gesundheitskommunikation ist anders. Sie hat ihre eigenen Regeln, verlangt Fingerspitzengefühl und klare, verständliche Botschaften. Alexander Schauflinger, Geschäftsführer der Wiener Agentur Fine Facts Health Communication, über erfolgreiche Gesundheitskommunikation im digitalen Zeitalter.
„Es hat mich nicht mehr losgelassen“, sagt Alexander Schauflinger. Über mehrere Stationen hat er zum Gesundheitswesen gefunden und sich darin selbstständig gemacht. „Ich habe eigentlich Wissensmanagement und Lateinamerikanistik studiert.“ Doch der Drang nach Gestaltung, nach Freiheit und die Überzeugung, dass Veränderung etwas Positives ist, waren ausschlaggebend.
Auch die soziale Verantwortung, die das Thema Gesundheit mit sich bringt, sowie eine Reihe von Zufällen führten dazu, dass er 2014 mit Unternehmenspartnerin Uta Müller-Carstanjen die Kommunikationsagentur für Gesundheitsthemen gründete. „Uta und ich haben uns gut ergänzt. Meine Kollegin ist Ernährungswissenschafterin und war im Bereich Food & Beverages und in der Beratung tätig. Und ich sammelte wertvolle Erfahrung im politischen Stakeholder-Management und Market-Access. Wir haben diese Bereiche zu einem einzigartigen Portfolio zusammengeführt“, so Schauflinger.
Kommunikationsboutique
Mit der Gründung wollte man am Markt etwas Neues etablieren. Schauflinger: „Neu im Sinne von: spezialisiert und individuell. Wir hatten nie vor, Agenturarbeit von der Stange anzubieten, weil wir gesehen haben, dass das Gesundheitsthema etwas Besonderes ist. Unser Fokus liegt ausschließlich auf diesem Themenbereich.“ Es gebe nur wenig Konkurrenz, bei den großen Public-Relations-Agenturen sei „Gesundheit meist nur eine von mehreren Säulen, die bedient wird“.
Durch den hohen Spezialisierungsgrad auf Healthcare und Pharma sieht man sich als Kommunikationsboutique. „Wir kennen den Markt sehr gut und wissen, wo sich die Dreh- und Angelpunkte und Entscheidungsträger befinden“, erklärt Schauflinger. Bei allen Projekten ist die Geschäftsführung immer selbst mit dem sechsköpfigen Team involviert, neben Strategie- und Stakeholder-Management bietet Fine Facts ein breites Portfolio bei Public-Relations und Kommunikationsanliegen an.
Gesundheit kommunizieren
Die Bandbreite an Themen ist groß: „Das reicht von Lifestylethemen, Medizinprodukten oder neuen Medikamenten bis zu sensiblen Themen wie Krebs oder chronischen Erkrankungen.“ Beraten werde bei fach- und themenbezogenen Settings oder etwa Produktmanagement, Disease Awareness, Patient oder Medical Communication. Jedes Thema müsse anders kommuniziert werden, Sensibilität gelte als Grundvoraussetzung. „Es gibt kein Gießkannenprinzip für die Kommunikation aller Gesundheitsthemen. Es hängt von der Zielgruppe ab, ob etwa wissenschaftlich-medizinisch oder bewusstseinsbildend kommuniziert werden muss“, so der Geschäftsführer. Dazu kämen entsprechende Gesetze und Regularien, die gerade in der Pharmakommunikation streng eingehalten werden müssen. Doch was macht eine gute Gesundheitskommunikation überhaupt aus? „Bedürfnisse der Zielgruppe und thematische Komplexität müssen gut aufeinander abgestimmt werden. Bei medizinisch-wissenschaftlichen Botschaften bedeutet das: Der Patient muss die Botschaft verstehen, der Mediziner möchte verstanden, aber nicht etwa verkürzt dargestellt werden.“
Vernetzung und Stakeholder
„70 Prozent unserer Kunden sind Pharmaunternehmen, die restlichen 30 Prozent kommen aus den Bereichen Nahrungsmittel, Medizinprodukte und Medizintechnik. Wir vernetzen sie mit ärztlichen Fachgesellschaften, Krankenhausträgern, Forschungseinrichtungen oder der Sozialversicherung.“, erklärt Schauflinger. Die meisten Kunden sind Bestandskunden. „Wir begleiten unsere Kunden langfristig und kennen dadurch ihre Unternehmens-DNA. Das ermöglicht eine Vertrauensbasis, die auch Krisen standhält oder unbequeme Wahrheiten erlaubt.
Den Gesundheitsmarkt selbst müsse man gewissenhaft und mit Feingefühl bearbeiten - keinesfalls dürfe man „mit der Brechstange in den Markt hineingehen und marktschreierisch agieren“. Meist würden strenge Regularien in puncto Kommunikation, die vor allem im verschreibungspflichtigen Segment gelten, dies ohnehin verhindern.
Vernetzung spielt im österreichischen Gesundheitswesen eine zentrale Rolle. Nach wachstumsreichen Jahren wechselte die Agentur im Februar den Standort daher in die Mariannengasse des Wiener Klinikviertels. Mit dem Med-Uni-Campus Mariannengasse entsteht dort in den nächsten Jahren ein neuer Cluster, der 750 Wissenschafter und 2.000 Studierende beherbergen wird. „In unserem neuen, größeren Büro in der sanierten Wiener Poliklinik befinden sich bereits heute mehrere medizinische Forschungsinstitute und Dienstleistungsunternehmen. Mit dem AKH Wien sowie dem alten AKH in direkter Nachbarschaft haben wir also kurze Wege, um uns mit allen relevanten Stakeholdern und Fachexpertinnen auszutauschen.“
Am digitalen Ball bleiben
„Die Coronakrise hat öffentliche Institutionen und Unternehmen im Gesundheitsbereich teilweise dazu gezwungen, sich rascher der Digitalisierung zu öffnen. Man denke an telemedizinische Dienste oder E-Health-Entwicklungen“, sagt Schauflinger. Corona habe vieles beschleunigt, jedoch sei die Digitalisierung des Gesundheitswesens bereits vor der Krise das Thema dieses neuen Jahrtausends gewesen: „Die ‚Big Five‘, also Google, Amazon, Facebook, Apple und Microsoft haben bereits die letzten Jahre gezeigt, dass in Digital Healthcare am meisten Investment Capital hineingejagt wird. Hier sind wir mitten in einer Dynamik im Gesundheitswesen, die zu massiven digitalen Veränderungen führen wird.“
Seit April letzten Jahres arbeitet Fine Facts Health Communication mit dem Start-up-Inkubator Inits zusammen. „Wir sind diese Partnerschaft eingegangen, damit wir das Ohr nahe an der kreativen und innovationsorientierten Community haben“, erklärt Schauflinger. Denn nur so könne man verstehen, wie Digital Natives die Welt der Gesundheit sehen, und sie dadurch besser erreichen. Umgekehrt können junge Start-ups von den Erfahrungen im digitalen Healthcare-Umfeld von Fine Facts profitieren: Für herausragende Start-ups und Unternehmen werden Beratungsleistungen pro bono angeboten, das vorhandene Netzwerk der Agentur kann für innovative Ideen genutzt werden.
Doch wie kommuniziert man 2050 im Gesundheitswesen? „Megatrends wie etwa Big Data, Künstliche Intelligenz, Robotik und Telemedizin werden Gesundheitskommunikation natürlich stark verändern“, erklärt Schauflinger und ergänzt: „Veränderung ist aber genau das, was uns aus der Reserve lockt - und zu „First Movern“ macht. Letztlich werden wir aber weiterhin gefordert sein, evidenzbasiert und präzise zu arbeiten um zielgruppenspezifische Inhalte verständlich zu vermitteln.“_
Digital Healthcare ist das Thema dieses jungen neuen Jahrtausends.
Alexander Schauflinger
Gründer und Geschäftsführer, Fine Facts Health Communication
Fine Facts Health Communication
Gründung2014
GeschäftsführerAlexander Schauflinger und Uta Müller-Carstanjen
ZielgruppeUnternehmen aus Pharma, Medizintechnik/-produkte, Food/Beverage, öffentliche Einrichtungen
Mitarbeitersechs
Umsatzerlöse1,5 Millionen Euro
Auf den Punkt.
Social Media und Gesundheitskommunikation
„Social-Media-Kommunikation ist spontan, schnelllebig und dynamisch, Gesundheitskommunikation ist das Gegenteil: Sie muss geplant, freigegeben und getaktet werden. Diese beiden Welten zusammenzubringen ist eine Herausforderung.“
Verschwörungstheorien und Gesundheitskommunikation
„In der Gesundheitskommunikation herrscht bei uns ein klares Credo: Evidenz hat oberste Priorität. Gerade in der Krise ist es wichtig, sich kompromisslos an die Fakten zu halten. Falsche oder unklare Botschaften - und das sehen wir in der aktuellen Coronakrise beinahe täglich – bilden Raum für allerlei Hypothesen und konstruierte Wahrheiten. Sowohl Medienpartner als auch Konsumenten dürfen hier keinen Interpretationsspielraum haben.“