Acht Uhr. Die Tagung im Seminarraum in einem großen Hotel beginnt mit der Begrüßungsrede des Vorstandes. Es folgen Ansprachen von fünf Geschäftsführern und Abteilungsleitern. Die Tagungsteilnehmer sehnen bereits vor neun Uhr die erste Kaffeepause herbei. Doch die Redner wollen einfach zu keinem Ende kommen. Kommt Ihnen diese Tagungssituation bekannt vor? In Linz möchte man diese zukünftig vermeiden und hat dafür ein neues Konzept entwickelt. Unter der geschützten Marke
„Blue Meeting“ soll die Tagungsindustrie „ein bisschen mehr Pepp“ bekommen, erklärt Tourismusdirektor Georg Steiner.
Tagungen sollen menschlicher werden. „Es gibt eine Tendenz, immer mehr Power- Point-Folien in immer kürzerer Zeit zu zeigen“, sagt Steiner. Gleichzeitig gebe es aber eine Reihe von Gestaltungsmöglichkeiten, damit sich die Teilnehmer wohler fühlen und auch stärker von den Tagungen profitieren – darunter etwa eine Änderung der Sitzordnung, Pausengestaltung oder dem Essen. Passend zum Motto „Linz verändert“ sollen Firmen bei Meetings in der Landeshauptstadt ihr Protokoll über den Haufen werden. „Wir wollen Anreize dafür geben, das Programm origineller zu gestalten“, erklärt Steiner. Denn die Infrastruktur sei im Tagungsbereich überall gleich. Aber mit dem Konzept „Blue Meeting“ will sich die Landeshauptstadt an der Donau ein Alleinstellungsmerkmal schaffen.
Name aus der Architektur
Die Farbe Blau verbindet man in Linz mit der Donau – die Gemeinsamkeit ist aber zufällig, denn der Name kommt von der Architektur. Dort hat sich nach dem Begriff „green architecture“ für nachhaltiges, ökologisches Bauen der Begriff „blue architecture“ für Wohlfühlarchitektur gebildet, wo es unter anderem um Farben, Lichteinfall und Aussichten geht. Die Architekten haben wiederum den Begriff von
„Blue Planet“ von Al Gore, wo es darum geht, dass die Erde in Balance ist, erklärt Steiner den Ausgangspunkt der Initiative.
Neben den bereits beschriebenen Punkten für mehr Menschlichkeit und der Veränderung bei den Protokollen wird bei einem „Blue Meeting“ als dritter Punkt die Stadt Linz mehr in die Tagung integriert. „Wir haben beobachtet, dass durch Com- pliance die früher opulenten Einladungen in Verruf gekommen sind und das hat dazu geführt, dass die Teilnehmer nichts mehr von Linz mitbekommen“, sagt Steiner. Ein Besuch des Höhenrausches wird so zu einer Motivationssache: „Man zieht sich gemeinsam hoch durch die Metapher ‚Höhenrausch’.“ Oder es wird passend zum Tagungsthema ein Museum ausge- sucht. Dann könnten etwa die Teilnehmer einer Automobiltagung die Technikaus- stellung im Schlossmuseum besuchen und sich dort über die Entwicklung der Automobilgeschichte informieren.
Neben der Einbeziehung von Kunst, Kultur und Natur durch die verschiedensten Aktivitäten, können auch verschiedene Keynote-Speaker - darunter Uniprofessoren, Philosophen oder Journalisten – ausgewählt werden. „Es handelt sich um interessante Leute, die der Tagung aus ihrem Blickwinkel einen anderen Touch geben“, so Steiner.
Stockerlplatz für Linz
Im Landeshauptstädteranking der Tagungsindustrie 2013 belegt Linz den dritten Platz nach Wien und Salzburg. Während in Wien rund 68 Prozent aller österreichweiten Kongresse, Firmentagungen und Seminare abgehalten wurden, waren es in Salzburg knapp neun Prozent und in Linz rund sieben Prozent. Insgesamt gab es in allen Landeshauptstädten mehr als 10.000 Tagungen mit über einer Million Teilnehmer und circa zwei Millionen Nächtigungen. Davon fangen 754 Meetings mit rund 77.000 Teilnehmern und 82.000 Nächtigungen in Linz statt. In ganz Oberösterreich waren es 1.050 Kongresse, Firmentagungen und Seminare mit mehr als 100.000 Teilnehmern und etwa 120.000 Nächtigungen.
Enrico Richter, Hoteldirektor im ARCOTEL Nike Linz. Die Unternehmen halten Seminare oft im eigenen Haus ab. „Alle Firmen, die neu bauen, machen gleich einen Seminarbereich dazu“, weiß Richter. Um die Ansprüche einer Tagung zu erfüllen, hat das ARCOTEL Nike daher seinen Tagungsbereich komplett neu gestaltet und auch die Hotelterrasse ausgebaut. Wer sich davon ein eigenes Bild machen möchte, findet dazu beim „Open House Day“ am 21. Ap- ril die Gelegenheit dazu. Die Investitionsmaßnahmen betrugen 300.000 Euro. Das Blue Meeting Konzept von Linz Tourismus biete eine gute Ergänzung zum neuen Seminarbereich im ARCOTEL Nike – es werden zukünftig bei Tagungen zusätzliche Leistungen im Package mit angeboten. Beim ARCOTEL Nike Linz an der Donaulände biete sich wegen seiner Lage etwa ein Picknick im Donaupark an. Damit die Teilnehmer die Gemeinsamkeit der Donau und des Meetings im Bezug auf die Farbe selbst erleben und betrachten können.
Tipps zur Leistungssteigerung
Menschen können nicht nach Belieben Informationen aufnehmen. Zwischen 7 und 11 Uhr ist das System Mensch am aufnahme- und leistungsfähigsten. Nach einem Tief in der Zeit von 12 bis 15 Uhr schwingt es sich von 16 bis 20 Uhr noch einmal zu voller Leistungsfähigkeit auf.
Regeln gehören gebrochen: Das gelingt etwa durch kürzere Begrüßungsrituale oder einer Gute-Nacht-Geschichte am Tagesende.
Mit ungewöhnlichen Impulsen oder humorvollen Einlagen weckt man Neugierde.
Zusammenhänge von Ort und Thema schaffen.
Interdisziplinäre Anreize bringt etwa ein Vortrag eines fachfremden Kopfes über das Tagungsthema.
Teilnehmer freuen sich über Entspannungstipps zum Ausklang eines langen Tages.
Die Begleitung der Gäste sollen eingebunden werden und ein Programm für alle gestaltet werden. Die Teilnehmer brauchen Freiräume, um die Stadt individuell erkunden zu können.