Markus Oirer lacht ins Telefon. Man könnte meinen, er unterhält sich locker und lustig mit einem guten Bekannten. Dass er gerade ein Verkaufsgespräch mit einem potentiellen Kunden führt, darauf würde man hingegen nicht gleich kommen. Doch genau das ist es, worauf es ankommt: Telefonische Terminak- quise zur Neukundengewinnung muss Spaß machen. „In Wahrheit haben alle Berührungsangst davor – ich glaube, etwa 80 Prozent der Verkäufer greifen nicht gern zum Hörer, darum wird das oft auf ein Callcenter abgeschoben“, sagt Markus Oirer, der bereits mehr als zwanzig Jahre Erfahrung im Vertrieb ge- sammelt hat und diese Erfahrung nun auch in Trainings weitergibt. Natürlich könne man die telefonische Termin- vereinbarung auslagern, doch wer ge- schickt plant, kann diese auch intern gut bewerkstelligen: „Ich muss mir dazu bewusst Telefoneinheiten einplanen und wenn ich gut vorbereitet bin, dann kann das richtig Spaß machen“, erklärt Oirer. Denn, so der gebürtige Mühlviertler weiter, die Menschen ticken alle ähnlich: Es gibt drei pauschale Gegenargumente, die jemand bei der Frage nach einem Termin anbringt – kein Interesse, keine Zeit, kein Geld. „Darauf muss man sich einstellen und wissen, wie man darauf reagieren kann.“ Das sei wie beim Tennis: Wenn sein Gegenüber den Aufschlag macht, muss man schon ansetzen und wissen, wo der Ball landet. Eine Reaktion zu überlegen, wenn der Ball bereits durch die Luft fliegt, wäre zu spät. Wer also am Telefon nachdenken und überlegen muss, wie er reagieren soll, hat bereits verloren. „Wenn ich weiß, was ich sagen kann, dann warte ich regelrecht darauf und fühle mich sicher “, so Oirer.
Chancen und Risiken
Solche selbstsicheren, motivierten Verkäufer in seinem Vertriebsteam zu haben, das wünscht sich natürlich jedes Unternehmen. Sie zu finden, ist aber meist ein schwieriges Unterfangen. „Gute Verkäufer sind rar“, ist Hubert Preisinger, Unternehmensberater für Marketing, Vertrieb und Innovation, überzeugt. Und deshalb sei es wichtig, dass der Recruitingprozess im Betrieb permanent betrieben wird - auch dann, wenn man gerade keinen Bedarf an einem weiteren Vertriebsmitarbeiter hat: „Die Chance, spontan den Richtigen zu finden, ist gering.“ Groß hingegen ist die Gefahr für ein Unternehmen, wenn das Vertriebssystem nicht rund läuft. Eine Tatsache, deren sich viele Unternehmen nicht bewusst sind. Denn, so Preisinger weiter, vor allem in Klein- und Mittelunterneh- men mit technischer Orientierung ist Vertrieb nicht in der professionalisierten Form vorhanden, wie es der Bedeutung entsprechen würde. „Der Vertrieb erfüllt ja nicht nur die Aufgabe, Produkte und Dienstleistungen zu verkaufen. Ein sehr guter und effizienter Vertrieb schafft mit wenig Ressourceneinsatz extrem viel“, sagt Preisinger. Und zwar nicht nur auf der Umsatz- oder Absatzebene, sondern bis zur Gewinnebene.
"Ein sehr guter und effizienter Vertrieb schafft mit wenig Ressourceneinsatz extrem viel."
Hubert PreisingerUnternehmensberater
Gleichzeitig können Fehler im Vertrieb sowohl dem Unternehmen als auch dem Kunden sehr stark schaden. „Vielen Geschäftsführern, Vertriebsleitern und Vertriebsmitarbeitern ist gar nicht bewusst, was eine Rabattierung auf der Gewinnebene auslösen kann – etwa welche Kosten durch die Preisverringerung tatsächlich noch gedeckt sind. Wenn ich rabattiere, habe ich den größten Hebel bei der Gewinnvernichtung“, erklärt der Vertriebscoach. Außerdem sei der Vertrieb verantwortlich für die Auftragsvorschau – danach richtet sich schließlich die gesamte Planung des Unternehmens. Ist diese Vorhersage etwa völlig falsch prognostiziert, kann das fatale Auswirkungen haben, indem zum Beispiel große Aufträge nicht ausgeführt werden können. „Für ein Start-up kann das bedeuten, dass es von heute auf morgen vom Markt verschwindet“, weiß Preisinger, der viele Start-ups betreut. Deshalb empfiehlt er, auf zwei Hauptschienen im Vertrieb zu arbeiten: „Einerseits muss ich Mechanismen im Entlohnungssystem einbauen, die das Risiko reduzieren, dass der Mitarbeiter über Rabattierung verkauft – zum Beispiel, indem sich die Provision nicht am Umsatz, sondern am Deckungsbeitrag und an der qua- litativen Aufteilung des Gesamtzieles orientiert.“ Andererseits müsse man den Vertriebsprozess so gestalten, dass dieser effizientes Arbeiten ermöglicht. Genau da setzt Preisinger bei seinen Vertriebstrainings an: Vertriebsprozesse werden – individuell auf das Unternehmen abgestimmt – definiert und übersichtlich dargestellt. Außerdem gehe es ihm darum, Vertriebsmitarbeiter in ihrer Performance zu verbessern.
Erfolgsfaktor Persönlichkeit
Doch was versteht man nun unter einem guten Verkäufer? Die Antwort darauf gibt der Markt. War es früher eine gewisse Vehemenz, die zum Erfolg geführt hat, braucht es heute eine wesentlich gefühlvollere Art. „Die Märkte waren früher stark am Wachsen und relativ offen – da waren die sogenannten Hardseller genau richtig“, so Preisinger. Eine weitere Entwicklungsstufe war der beratende Verkauf: „Beim Kunden war wenig Know-how vorhanden – der Verkäufer fragte also, was der Kunde denn brauche, welche Anforderungen er habe und entwickelte schließlich gemeinsam mit ihm die Lösung. Da war es bereits wichtig, dass der Verkäufer gut zuhören konnte“, erklärt Hubert Preisinger. Mittlerweile sei das Know-how in den Unternehmen aber stark gewachsen und das bedeute, so der Vertriebsexperte weiter, dass der Kunde bereits eine fixe Lösung habe und man als Verkäufer punkten könne, indem man ihn durch einen anderen Blickwinkel von außen auf neue Dinge bringt. Das sei die große Chance der Verkäufer heute und in Zukunft, vor allem im technischen Vertrieb.
Auch Markus Oirer spricht von verschiedenen Phasen beim Imagewandel der Verkäufer. „Jetzt sind wir endlich so weit, dass Verkäufer und Kunde auf gleicher Ebene sind. Es gab Zeiten, da war der Kunde König und der Verkäufer ein kleiner Bittsteller.“ Dann wandelte sich diese Beziehung und der Kunde wurde – vor allem im Finanzdienstleistungssektor – klein gemacht. Heute gehe es darum, dass man als Verkäufer genau hinhört und herausfindet, welche Lösung der Kunde braucht und ihm dann ein geeignetes Angebot macht – dieses vertritt man aber nur dann, wenn man selbst überzeugt ist, dass es zum Kunden passt. „Bevor man etwas Falsches verkauft, verzichtet man lieber auf’s Geschäft.“ Deshalb brauche es heute Persönlichkeitsverkäufer, die ein Beziehungsfeld herstellen. Die menschliche Komponente spielt demnach eine große Rolle im Verkauf. „Natürlich ist es von Vorteil, wenn ein Vertriebsmitarbeiter gut reden kann. Das Wichtigste ist aber, dass er gut zuhören kann“, sagt Hubert Preisinger, der auch Lektor an der JKU Linz und FH Oberösterreich ist. Verkäufer sollten also gezielte Fragen stellen, um die Herausforderungen des Kunden zu erkennen, um zu wissen, wohin sich das Unternehmen entwickeln möchte und welche Lösung die Firma einen Schritt weiterbringt. Und dann geht es schließlich darum, aus einem oft umfangreichen Lösungsspekt- rum zwei bis drei intelligente Alternativen auszuwählen, die für den Kunden zu dem Zeitpunkt spannend sind.
Ohren auf
Empathie sei das Stichwort, so Oirer. Es geht um ehrliches Interesse am ande- ren. Emotionen im Verkauf gezielt ein- zusetzen, kann man trainieren: „Es sind zum Beispiel ganz einfache Dinge, wie immer wieder den Namen des Kunden zu nennen. Und ihm – natürlich nicht übertrieben – Anerkennung auszuspre- chen ebenso wie Verständnis entgegen- zubringen.“ Ein schönes Beziehungsfeld erreiche man auch mit offenen Fragen, indem man sich ehrlich dafür interes- siert, gezielt nachfragt und den Kunden erzählen lässt. Auch hier gilt wieder: Je besser man vorbereitet ist, desto mehr kann man das Gespräch genießen. Oirer vergleicht das Training für Empathie mit Fußball: „Standardsituationen zu trainieren, ist zwar mühsam, erhöht aber er- heblich die Torchancen. Persönlichkeitsentwicklung im Verkauf ist nachhaltiges Verkaufstraining.“
Die neue Generation an Verkäufern
Gerade weil Persönlichkeit heute eine so große Rolle im Verkauf spielt und der Mangel an Verkäufern groß ist, sei das Potential von Quereinsteigern nicht zu unterschätzen. „Aufbauendes Training und Coaching in der Praxis führen zum Erfolg – was man sich gehaltstechnisch beim Quereinsteiger im Vergleich zum erfahrenen Verkäufer erspart, kann man zum Schleifen des Rohdiamanten verwenden“, sagt Oirer. Hubert Preisinger setzt gerne auf „Tandems“ im Vertriebsteam: „Ich spanne oft einen unerfahrenen und einen erfahrenen Verkäufer zusammen. Der Ältere kann dem Jüngeren extrem viel Know-how vermitteln, die beiden können gegen- seitig voneinander profitieren.“ Große Erfolgschancen rechne er auch Vertriebsmitarbeiterinnen im technischen Bereich zu – diese seien eine absolute Seltenheit und genau deshalb herzlich willkommen. „Frauen haben meist eine andere Art und Weise, Gespräche zu führen, sie haben eine feinere Sensorik. Viele haben vermutlich Berührungsängste mit dem technischen Bereich, doch da kann ich nur sagen: Männer müssen sich das genauso erarbeiten – es geht einfach nur um’s Zutrauen.“
Die Karrierechancen im Vertrieb seien schließlich verlockend. „Viele Leute gehen in den Vertrieb, um dort gut verdienen zu können“, weiß Preisinger. Es sei keineswegs eine Seltenheit, dass Vertriebsmitarbeiter gleich oder auch mehr verdienen als Mitarbeiter in Führungsebenen. Grund dafür ist der variable Anteil der Provision – ein viel diskutiertes Thema im Vertrieb. „Wichtig ist, dass die Provision so berechnet ist, dass sie dem Unternehmen keinen Schaden zufügt und dass auch auf qualitative Komponenten Rücksicht genommen wird“, gibt Preisinger zu bedenken. Sinnvoll
und motivierend findet Preisinger auch eine Teamprämie. „Geld ist zwar prinzipiell kein Motivator, aber es ist schon eine Möglichkeit, um das Team stärker zusammenzuschweißen.“ Markus Oirer pflichtet ihm bei: „Grundsätzlich gilt, je niedriger der Fixanteil und je höher der Provisionsanteil beim Gehalt des einzelnen Verkäufers bemessen ist, desto höher ist der interne Konkurrenzkampf. Je mehr ein Team-Ziel mit Prämien honoriert wird, desto eher funktioniert das Gemeinsame und vor allem der Stärken-Schwächen-Ausgleich unter den Teammitgliedern.“ Fällt etwa ein Mitarbeiter krankheitsbedingt aus, ist ein Team mit viel mehr Eigendynamik daran, diesen zu vertreten, wenn ein ausgeprägter Teamgeist herrscht. Entscheidend für gute Arbeitsbedingungen im Vertrieb sind auch klare Strukturen – sowohl was die Aufteilung von (potentiellen) Kunden betrifft, als auch in Bezug auf Umsatzziele. Diese sollten gemeinsam mit den Mitarbeitern ausgelotet und nicht in unrealistischer Form vorgegeben werden. „Dabei spielen auch qualitative Komponenten eine große Rolle. Es geht nicht nur darum, wie viel man erreichen kann, sondern auch, wie man diese Ziele erreichen kann“, erklärt Preisinger.
"Persönlichkeitsentwicklung im Verkauf ist nachhaltiges Verkaufstraining."
Markus Oirer
Markus Oirer beendet das Telefongespräch, trägt sich den vereinbarten Termin im Kalender ein und notiert sich einige Stichpunkte, die vom Kunden erwähnt wurden. Bis zu einem möglichen Abschluss ist es vielleicht noch ein weiter Weg. „Der Kunde braucht einfach ein bisschen Zeit. Natürlich ist oft eine gewisse Hartnäckigkeit im Verkauf angebracht, aber mit zu viel Druck erreicht man selten etwas. Es ist einfach toll, wenn man merkt, was man mit Empathie erreichen kann, obwohl jemand vielleicht zuerst abgeblockt hat. Das ist das Hochspannende im Vertrieb“, sagt er und freut sich auf seinen nächsten Coachingtermin, wo er eben diese Lust am Verkaufen auch weitergeben kann.
Markus Oirer
startete seine Vertriebskarriere mit 22 Jahren im Versicherungsbereich im Außendienst. „Damals trug man wirklich noch Krawatten“, erzählt er und lacht. Danach sammelte er sowohl im b2b als auch im b2c Bereich Erfahrungen im Verkauf – sein Produktportfolio reichte von angreifbaren Maschinen bis zu Dienstleistungen. Nebenbei absolvierte er zahlreiche Trainingsausbildungen und arbeitet heute mit dem Trainings- und Coachingkonzept „Neways – performance by balance“.
Kontakt www.neways-group.at
M oirer@neways-group.com
Hubert Preisinger
ist Unternehmensberater für Marketing, Vertrieb und Innovation sowie Lektor an der Uni Linz und FH Oberösterreich. Als Berater betreut er vor allem auch viele Start-up- Unternehmen mit innovativen Projekten. Er besetzte in seiner beruflichen Laufbahn Vertriebs- und Marketingpositionen und war unter anderem drei Jahre Marketing- und Vertriebsleiter bei Profactor. Seit 2004 ist er Partner bei Voithofer + Partner.
Kontakt www.voithofer.com
M hp@voithofer.com