31 Grad, wolkenloser Himmel, einige Sonnenschirme schützen die Gäste am Bahnhof von Attnang-Puchheim zumindest etwas vor der Hitze. Im Hintergrund steht schon ein Bagger bereit, in Kürze soll eine Park & Ride – Anlage für etwa 8.000 Pendler entstehen, die hier täglich aus- und umsteigen. Trotz der hohen Temperaturen schüttelt Reinhold Entholzer in Hemd und Sakko noch vor seiner Eröffnungsrede zahlreiche Hände und führt in kleinen Gruppen Gespräche. Dieser Termin ist ein Heimspiel für den Verkehrsrecht-Landesrat - von 1985 bis 1990 arbeitete er hier im Hochbau. Einige der Anwesenden kennt er noch aus dieser Zeit, beim Spatenstich lässt er sich geduldig mit Initiatoren, Bauherren und anderen Gästen ablichten.
Für das Interview flüchten wir in den klimatisierten Warteraum im Bahnhofsgebäude. „Wir haben hier früher die skurilsten Dinge gesehen“, erinnert sich Entholzer. Nach dem zweiten Weltkrieg wurden alte Güterwaggons und Eisenteile kurzerhand in Bombentrichtern entsorgt.
„Wenn es Baustellen gegeben hat, musste man besonders vorsichtig graben, immer wieder sind Blindgänger aufgetaucht“, sagt Entholzer. Und Baustellen gab es in seiner Zeit hier viele. Ob die Fußgängerunterführung, das Parkdeck, den Umbau der Lehrwerkstätte auf der anderen Seite der Geleise – der 56-Jährige erinnert sich an jedes Projekt bis ins Detail. Das alte Bahnhofsgebäude, sein früherer Arbeitsplatz, ist mittlerweile einem modernen Bau aus Stahl und Glas gewichen. Hier musste Entholzer eine schwierige Entscheidung treffen: Gewerkschaft oder technische Arbeit? „Mit Baufirmen zusammenarbeiten, Lösungen suchen, Baustellen abwickeln, das hat mir schon immer viel Spaß gemacht“, sagt er. Trotzdem entschied sich Entholzer für die Gewerkschaftsarbeit.
Geprägt durch die Großväter
Sein politisches Interesse wurde aber schon viel früher geweckt. Der Großvater väterlicherseits war Bahnhofsvorstand in Peuerbach bei Stern & Hafferl, Sozialdemokrat und Gewerkschaftler und erzählte ihm über die Anfänge der Februarkämpfe 1934. Der Großvater mütterlicherseits hingegen gründete die Raiffeisenbank in Peuerbach mit, war Bauer, geriet nach dem 1. Weltkrieg in russische Gefangenschaft und lernte dabei perfekt Russisch. „Im Nachhinein habe ich mich durch ihre Erzählungen für Politik, Geschichte und gesellschaftliche Strukturen zu interessieren begonnen“, sagt Entholzer. In der Schule wurde er bald Klassensprecher. Entholzer: „Meine Mutter würde sagen, ich hab’ nie den Mund halten können.“ Dabei ist er heute als Politiker nicht dafür bekannt, die Konfrontation zu suchen. Sondern eher für Kompromisse und Gespräche über die Parteigrenzen hinaus. Wo Menschen zusammenarbeiten, brauche man eben auch eine persönliche Beziehung, sonst sei es schwierig, über ideologische Grenzen hinaus etwas zu bewegen. „Ich hoffe, dass die anderen das auch so sehen, ich selbst habe klare Ziele und bin trotzdem bereit, Kompromisse einzugehen“, sagt er. In der Familie könne ja auch nicht einer sagen wo es lang geht, man müsse versuchen, alle mitzunehmen. Für diese Kompromissbereitschaft wurde Entholzer aber auch schon kritisiert. So forderte er eine Mitgliederbefragung in der SPÖ über eine mögliche rot-blaue Zusammenarbeit – sehr zum Ärger einiger Parteikollegen und Jugendorganisationen. „Solange sich die FPÖ nicht vom rechten Rand distanziert, ist eine Zusammenarbeit auch für mich ein No-Go, wir dürfen uns aber auch nicht in eine Geiselhaft begeben, die uns dazu verdammt, außer mit der ÖVP mit niemanden zusammengehen zu können“, sagt Entholzer, „denn das nutzen die aus.“
Für die SPÖ und Entholzer ist es ein schwieriger Wahlkampf, sämtliche Umfragen sehen die SPÖ momentan nur noch auf Platz 3. „Die Stimmung ist sicherlich angespannt, das Flüchtlingsthema ist momentan sehr bestimmend, noch dazu wo es eine Partei gibt, die aus meiner Sicht keine Lösungen anbietet und nur Ängste schürt“, sagt Entholzer. Es sei klar, dass Oberösterreich und auch Österreich die Probleme nicht alleine lösen könne, gemeinsam müsse man aber mehr für die Menschen tun. „Ich sage das ganz klar: Am Sonntag in die Kirche gehen, am Mon- tag wieder gegen Asylwerber schreien, aber dann im Dezember, weil es zur Tradition gehört, auf Herbergssuche gehen – das ist für mich nicht in Ordnung.“
Seine Energie für die intensiven Monate vor der Wahl holt sich Entholzer bei sei- ner Familie und im Sport. „Seit einem Jahr habe ich aber nicht mehr viel Zeit für Bewegung“, sagt er, „ich versuche zu- mindest eine Stunde pro Woche mit meiner Frau Tennis zu spielen.“ Auch Fußball wäre eine seiner Leidenschaften, die ginge sich aber kaum noch aus, dazu fehlt das Training. „Früher bin ich zweimal pro Woche Laufen gegangen, da hat man sich beim Fußball spielen auch leichter getan“, erzählt Entholzer. Irgendwann jenseits der 50 müsse man aber einsehen, dass man ohnehin nur noch als Stehfußballer kicken könne. „Am Platz stehen ist zwar noch lustig, die Chance, sich wehzutun, ist halt schon groß“. Als Beobachter und für Ehrenanstöße geht er aber nach wie vor gerne auf den Fußballplatz. Entholzer: „Da kommen die Emotionen hoch, da kann man sich mal austoben, da kann man auch mal reinschreien und sich Luft verschaffen, der Kopf wird frei.“ Reinschreien und austoben – in der Politik wird man das vom Landeshauptmann-Stellvertreter vermutlich nicht sehen.
Kein Traumjob, sondern Verpflichtung
Reinhold Entholzer hat schon bei seinem Amtsantritt keinen Hehl daraus gemacht, dass sein Posten für ihn kein Traumjob ist, viel mehr eine Aufgabe und Verpflichtung. „Das würde ich heute nach wie vor genauso sagen“, erzählt Entholzer, „es ist genau dieser zeitintensive Job, den ich befürchtet habe." Dafür gefällt es ihm, dass man „das ein oder andere mitbewegen und mitbeeinflussen“ könne. Zufrieden sei er, wenn es gelinge, Menschen zusammenzubringen, die davor nicht miteinander reden wollten, damit gemeinsame Konzepte möglich werden. „Das sind die Dinge, die meinen Job so interessant machen.“ Bei all der Aufmerksamkeit, dem Respekt und Lob, die man als Landeshauptmann- Stellvertreter und Landesrat bekomme, dürfe man aber nicht vergessen, dass diese Aufmerksamkeit vorwiegend dem Amt selbst gelte, und weniger der Person. „Mir ist schon bewusst, dass es sehr schnell gehen wird, wenn ich einmal nicht mehr Landeshauptmann-Stellvertreter bin, dass mich dann hoffentlich niemand mehr kennt“, sagt Entholzer, „und ich wieder in der Anonymität verschwinden kann.“ Die Tennis- und Fußballplätze des Landes werden ihn dann garantiert wieder öfter sehen.