Online versus stationärer Handel. Dieses Duell ist nicht neu. Die Umsätze des Online-Handels wachsen seit vielen Jahren und sollen bis zu 30 Prozent des gesamten Handelsumsatzes erreichen. Andere sehen bereits bei fünfzehn Prozent die höchstmögliche Grenze erreicht. Das sei auch realistischer, so Manfred Zöchbauer, Geschäftsführer der Sparte Handel in der Wirtschaftskammer Oberösterreich (WKOÖ). Doch auch bis dahin ist es noch ein weiter Weg, wir sind aktuell bei rund fünf Prozent. Ein entscheidender Faktor für das weitere Wachstum sei der Lebensmittelhandel, der über 30 Prozent des Umsatzes im Einzelhandel lukriert, aber nur für ein Prozent des Online-Umsatzes verantwortlich ist.
Von den 410 Millionen Euro, die im vergangenen Jahr in Oberösterreich im elektronischen Handel ausgegeben wurden, sind 53 Prozent ins Ausland gegangen und 47 Prozent im Inland geblieben. „Das ist eine Gefahr. Uns muss es gelingen, die Zahlen zu drehen, dass weit mehr als die Hälfte aus dem inländischen Online-Handel bestellt wird“, sagt Christian Kutsam, Spartenobmann des Handels in der WKOÖ (VP-Wirtschaftsbund) und Geschäftsführer des gleichnamigen Modehauses mit Sitz in Bad Hall. Denn die heimischen Unternehmen wären aufgrund von Steuernachteilen, strengeren Umwelt- oder auch Sozialauflagen benachteiligt. Es würden Wertschöpfung, Arbeitsplätze und Wohlstand in Österreich massiv verloren gehen. „Jeder der im Ausland Waren bestellt, bestellt seine eigene Lebensqualität weg“, fordert Kutsam ein Umdenken bei den Konsumenten. Import sei nicht generell schlecht, aber Konsumenten, die ausschließlich im Ausland einkaufen, würden mittel- bis langfristig ihren eigenen Arbeitsplatz ruinieren und ihre Sozialleistungen gefährden. Die Branche müsse dafür Bewusstsein schaffen.
Präsenz im Web
Das Bewusstsein, dass die österreichischen Firmen im Internet fit sein müssen, um den ausländischen Händlern die Stirn bieten zu können, scheint hingegen schon in einigen Köpfen verankert zu sein. In den vergangenen Jahren hat sich schon einiges getan: Während 2006 erst 70 Prozent der heimischen Händler überhaupt einen Internetzugang hatten und davon wiederum nur 40 Prozent eine Website, hatten 2013 mit 90 Prozent schon fast alle einen Web-Zugang und bereits 70 Prozent betrieben eine eigene Website. Davon verkauften wiederum knapp 20 Prozent auch online ihre Waren. Zöchbauer ist überzeugt, dass nicht jeder einen Online-Shop braucht, aber jeder Händler zumindest im Web präsent sein muss. Als eine Zukunftsstrategie nennt Zöchbauer Plattformen für regionale Händler, wo diese gemeinsam ihre Produkte verkaufen können. Diese könnten etwa für eine Region wie das Mühlviertel, zwei Bezirken oder eine Stadt ins Leben gerufen werden.
"Uns muss es gelingen, die Zahlen zu drehen, dass weit mehr als die Hälfte aus dem inländischen Online-Handel bestellt wird."
Christian KutsamSpartenobmann WKOÖ Handel
Barbara Schwetz-Penz, Geschäftsführerin vom traditionsreichen Modehaus Penz auf der Linzer Landstraße, bestätigt, dass es im Handel ohne Internetpräsenz nicht mehr geht: „Die Website ist eine wichtige Visitenkarte im Netz. Wir präsentieren unsere Ware und oft fragen Kunden weit über die Landesgrenze hinaus nach, ob wir ein bestimmtes Teil noch im Geschäft haben.“ Außerdem werde mit den Kunden per Newsletter, Facebook, Printaussendungen und SMS kommuniziert. Einen Online-Shop hat Penz nicht und das tut dem Erfolg auch keinen Abbruch. Gemeinsam mit den Eltern, Lygia und Franz Penz führen Barbara und ihr Ehegatte Marcus Schwetz-Penz das Modehaus bereits in dritter Generation und beschäftigen in drei Geschäften dreißig Mitarbeiter. Die Geschäftsführerin schließt nicht aus, irgendwann vielleicht auch Produkte online anzubieten, gibt aber zu bedenken:„Online ist nicht so einfach wie oft geglaubt wird, man vergisst die viele Arbeit, die durch den Versand und die hohe Retourquote entsteht.“ Online sei für ihre Kunden eineInformationsplattform und als diese werde sie auch immer weiter ausgebaut.
Richtiges Feeling
Das traditionsreiche Linzer Modeunternehmen ist in guter Gesellschaft. Die Fussl Modestraße, der aufgrund der Filialanzahl größte und umsatzmäßig erfolgreichste österreichische Modehändler mit Sitz in Ried im Innkreis, hat in den letzten Jahren unbeeindruckt vom Wachstum des Online-Handels stark expandiert. In den vergangenen 40 Jahren habe sich der Fussl-Umsatz alle fünf Jahre verdoppelt, aktuell sind über 1.000 Mitarbeiter in mehr als 150 Filialen beschäftigt. Und das ganz ohne einen Online-Shop. Geschäftsführer Ernst Mayr erzählt, warum derzeit kein Online-Shop notwendig sei: „Der durchschnittliche Österreicher erreicht innerhalb von zehn Minuten eine Fussl-Filiale.“ Da es „der Trend der Zeit“ sei, werde auch Fussl irgendwann einmal einen Online-Shop anbieten. Wann dies „sinnvoll ist, entscheidet der Konsument“, zuvor werde aber auf alle Fälle noch der Schritt ins Ausland gemacht.„In den nächsten zwei bis drei Jahren haben wir mit bis zu 190 Filialen in Österreich den Plafond erreicht. Bevor wir an diese Grenze stoßen, werden wir in ein Land gehen, wo Deutsch gesprochen wird“, sagt Mayr. Unabhängig von einem Online-Shop, setze Fussl die elektronischen Medien aber zukünftig verstärkt ein, um den stationären Handel zu unterstützen. Mayr nennt als Beispiel ein Online-Reservierungssystem und betont gleichzeitig: „Aber das entscheidende Einkaufserlebnis wird im Geschäft bleiben.“
Doch was gehört zum perfekten Einkaufserlebnis und macht somit den Erfolg des stationären Handels aus? Der Spartenobmann der WKOÖ bezeichnet den Handel als „Gesamtkunstwerk“. „Die Basis ist das Sortiment, weiters braucht es gut geschulte Mitarbeiter und das i-Tüpfelchen ist das Ambiente. Das perfekte Unternehmen braucht den richtigen Mix von all diesen Faktoren“, sagt Kutsam. Die Leute müssten sich im Geschäft wohlfühlen und genau dieser Wohlfühlfaktor könne Online nicht erreicht werden. Fussl-Geschäftsführer Mayr spricht vom „Feeling“ und zieht einen Vergleich: „Es ist ein anderes Erlebnis ein Fußballspiel live zu sehen statt im Fernsehen – das Gleiche ist auch der Einkauf im Geschäft statt online.“ Die Qualität von Fussl müsse man spüren: „Bei einem Baumwollhemd im Internet weiß man nicht, wie gut die Qualität ist.“
Online gebe es keine Beratung, die Kunden könnten die Ware nicht angreifen und probieren. „Die Kunden schätzen die ehrliche und kompetente Beratung im Geschäft“, sagt Schwetz-Penz und nennt als weiteres Plus im stationären Handel das Schneideratelier im Geschäft. Zum Ambiente gehören für Schwetz-Penz auch attraktive Auslagen. Dafür kommt alle drei Wochen ein Dekorateur und setzt die zusammengestellten Outfits richtig in Szene.
Individuelle Kunden
Die Experten sind sich einig, dass es zu einer immer größeren Herausforderung werde, das perfekte Einkaufserlebnis zu bieten. Der Markt werde härter, die Kunden anspruchsvoller. Dazu Schwetz-Penz: „Der stationäre Handel wird nie aufhören, aber die Herausforderungen werden größer und wir müssen uns immer mehr um unsere Kunden kümmern.“ Dabei seien auch Kooperationen mit allen Geschäften in der Innenstadt ein brauchbares Instrument, um die Innenstadt hervorzuheben und für Kunden attraktiv zu machen.
"Der stationäre Handel wird nie aufhören, aber die Herausforderungen werden mehr und wir müssen uns immer mehr um unsere Kunden kümmern."
Barbara Schwetz-PentzGeschäftsführerin, Penz Mode
Die Beraterfirma Regio Plan spricht aktuell von der „zweiten Revolution“ im Handel. Bei der ersten Revolution vor mehr als 50 Jahren wurde die Selbstbedienung in den Supermärkten eingeführt und damit der Grundstein für die Massenkonsumation gelegt. Die jetzigen Veränderungen werden durch technologische Entwicklungen bestimmt, es entstehen viele neue Möglichkeiten zum Einkaufen. Der Konsument wird individueller und bestimmt die Regeln des Handels selbst. „Der Handel muss wohl nun akzeptieren, dass diesmal er es ist, der sich an seine Konsumenten anpassen muss“, heißt es in einem Papier von Regio Plan. Formate müssen auf den Kundennutzen hinterfragt werden. Dazu Zöchbauer: „Die Branchenmitglieder müssen Querdenken und neue Wege gehen, um in der Anonymität der Masse aufzufallen.“ Handel ist Wandel. Dieser muss mitgemacht werden, damit die heimischen Händler nicht nur die zweite, sondern auch alle weiteren Revolutionen überstehen.