SCHRITT 1
Die Vorbereitung
Ich definiere mich über drei Dinge. Besser gesagt, ich definiere mich nicht nur über sie, sie machen mich sogar insgesamt zu 100 Prozent aus: Wasser, Malz und Hopfen. Auf 100 Liter Bier kommen etwa 17 Kilogramm Malz, darum wird Malz auch als mein Körper bezeichnet. 90 Prozent von mir bestehen aus Wasser. Klingt ganz schön wässrig? Moment, nicht frech werden – auch Ihre eigene Gattung besteht zu fast 70 Prozent aus H20. Mein gewisses Etwas macht der Hopfen aus, der Rest aus dem ich bestehe – er ist sozusagen meine Würze. Eines noch zu den Zutaten: Theoretisch kann man natürlich jedes Malz und jeden Hopfen nehmen. Tut man aber nicht – hier kommt alles aus der Region. Meine Macher wissen: Die Rohstoffe sind maßgeblich für die Qualität des Endproduktes. Mit schlechten Rohstoffen lässt sich kein gutes Endprodukt herstellen. Während die Wintergerste eher als Futtergetreide galt, wurde das Sommergetreide für die Brauereien verwendet. Besonders seit dem zweiten Weltkrieg werden ohnehin spezielle Gerstensorten gezüchtet, die mit größeren Körnern und dünneren Schalen noch besser für mich geeignet sind. Mit Genmanipulation hat das aber nichts zu tun – dabei handelt es sich nur um Kreuzungen aus besonders guten Sorten.
SCHRITT 2
Das Maischen
Ich habe gelogen, eigentlich braucht es noch eine vierte Zutat: die Hefe. Ohne die kann der Malzzucker unmöglich vergärt werden, wodurch Alkohol und Kohlensäure entstehen. Beide waren ja lange Zeit unabdingbar für Bier, mittlerweile gibt es schon viele meiner Artgenossen ohne Alkohol. Bis die Kohlensäure und Alkohol entstehen, braucht es einen relativ langen Prozess. Zuerst muss im Sudhaus das Malz geschrotet und dann mit warmem Wasser vermischt werden. Danach habe ich – wenn man das, was da am Entstehen ist, schon als mich bezeichnen kann – mir erst einmal eine Pause verdient. Eiweiße und Kohlenhydrate lösen sich und Stärke wird in Zucker umgewandelt. Die Eiweiße brauche ich für den Schaum und eine gewisse Vollmundigkeit.
SCHRITT 3
Das Läutern
Nun wird es Zeit, Abschied zu nehmen. Ist manchmal nicht leicht, aber eben unvermeidlich, und darum geht ein Teil von mir verloren. Im sogenannten Läuterbottich findet ein natürlicher Klärungsprozess statt, der flüssige Teil wird von den so genannten Biertrebern getrennt, das sind Malz-Rückstände. Aber: Verschwendet wird hier sicher nichts. Bisher wurden die Treber als Tierfutter verwendet, seit kurzem als Energiequelle. Mehr dazu später.
SCHRITT 4
Das Kochen
Dann heizt mir Andreas Werner so richtig ein – ich werde gekocht, also zumindest das, was schon da ist von mir, die sogenannte Läuterwürze. Hier kommt erstmals der Hopfen ins Spiel und ich fühle mich schon fast vollständig. Durch das Kochen werden seine wasserunlöslichen Wirkstoffe umgewandelt und herausgelöst.
SCHRITT 5
Das Kühlen
Endlich etwas Abkühlung! Und zwar von 100 auf zehn Grad. Die Wärme geht dabei natürlich nicht verloren, sondern ist wiederverwertbar. Wenn es mir nicht mehr zu heiß ist, wird die Hefe hinzugefügt. Bei meinen Vorgängern wusste man noch nicht genau, wie viel Hefe es eigentlich braucht, damit sie perfekt werden. Das war ein Probier- und Ratespiel, zum Glück lebe ich nicht in so einer rückständigen Zeit. Andererseits ist ein bisschen die Romantik verloren gegangen. Früher war eine feine Nase und etwas Alchemie wichtig, heute ist alles bestens erforscht. Ja, ich gebe zu, ich bin schon ziemlich perfektionistisch veranlagt.
SCHRITT 6
Die Gärung und Reifung
Nun heißt es warten. Eine Pause habe ich mir definitiv verdient – und zwar eine mehrwöchige. Gut Ding braucht bekanntlich Weile. Durch die ausgelöste Gärung entstehen Alkohol und Kohlensäure. In dieser Zeit entwickelt sich meine Persönlichkeit erst so richtig. Was für Sie vielleicht das Studium, die Weltreise oder drei Monate im Kloster waren, ist für mich die Gärung. In der Reifephase entwickelt sich langsam aber sicher mein Aromaprofil.
SCHRITT 7
Verpacken, Lagern und Trinken
Gab es früher Fassbinder, die den ganzen Tag Fässer für meine Lagerung herstellten und Bier händisch abgefüllt wurde, funktioniert mittlerweile fast alles automatisch. Eigentlich mag ich es aber ohnehin nicht, zu lange irgendwo herumzustehen. Denn meine Bestimmung ist ohnehin eine andere – getrunken zu werden. Aber da wird sich schon jemand finden... Freu mich auf ein Wiedersehen!
BIER DAMALS UND HEUTE
1860 pachtete Braumeister Max Kober Teile des Stifts Göss, um dort das erste Gösser-Bier zu produzieren. Was würde er wohl sagen, würde er dem heutigen Braumeister, Andreas Werner, bei der Arbeit zusehen? „Er wäre auf jeden Fall irritiert und würde lange brauchen, um sich zurechtzufinden“, sagt Werner. Die Grundsätze würde er aber schnell wieder haben, glaubt Werner. Denn die biochemischen Vorgänge basieren auf Naturgesetzen die sich bekanntlich nicht verändern. „Es ist immer nur um eine Arbeitserleichterung gegangen, und um Technologien, die den Geschmack und die Qualität verbessern.“ War Bier früher leicht verderblich und musste daher rasch getrunke werden, ist es heute sechs Monate haltbar. Bessere hygienische Bedingungen bei der Erzeugung und das Haltbarmachen waren ein Qualitätssprung. „Auch die Kronenkorken sind dichter als die alten Keramikkapseln, die irgendwann durchlässig werden”, sagt Werner. Mit der Zeit erkannte man auch, dass grüne und braune Flaschen einen unterschiedlichen Lichtschutz haben. „Wir haben gelernt, dass sich Licht und Bier nicht gut miteinander vertragen“, sagt Werner. Heute wurd auch Sauerstoff vom Bier ferngehalten, um Oxidation zu verhindern oder zu verzögern. „Der damalige Braumeister Max Kober würde viele neue Entwicklungen schnell verstehen“, sagt Werner. Anderes müsse er hingegen dazulernen. Dabei spricht der Braumeister allerdings nicht von den technischen Geräten und der elektronischen Überwachung der Prozesse, die dem damaligen Braumeister logischerweise komplett fremd wären.
GÖSSEUM
Die Geschichte des Biers und die Abfolge in der Produktion können Gäste im Gösseum erforschen und nachvollziehen. Der Besuch im Museum gleicht einer Zeitreise in die Vergangenheit. Zahlreiche bis zu 100 Jahre alte Maschinen aus den verschiedenen Epochen der Bierherstellung zeigen, wie sich das Handwerk verändert hat. So alt viele Ausstellungsstücke auch sein mögen, veraltet ist das Konzept des Museums keineswegs: Durch eine Zusammenarbeit mit dem Linzer Ars Electronica Center werden die Attraktionen interaktiv aufbereitet.
Das Museum geht besonders auf die traditionsreiche Vergangenheit des Stifts ein. Um das Jahr 1000 stiftete die Gräfin Adula auf einem Ackerland beiderseits der Mur ein Kloster, in dem von den Nonnen Bier gebraut wurde. Bis zur Auflösung 1782 war das Nonnenstift Göss ein wirtschaftlicher Mittelpunkt der Gegend. Ab 1860 wurde es das wieder – damals erwarb der Braumeister und Unternehmer Max Kober Teile des Klosters und reaktivierte die Klosterbrauerei.
Gösser Braumuseum, Brauhausgasse 1
8700 Leoben/Göss
April-Oktober: Sa/So/Feiertage: 11 Uhr und 15 Uhr, ganzjährig nach Vereinbarung www.goesser.at/braumuseum