Mittlerweile schon schwer zu glauben: Vor weniger als 20 Jahren gab es für Unternehmen nur einen einzigen Weg, eine breite Masse von Kunden und potentiellen Kunden zu erreichen. Per Post. Wie war das noch einmal? Dokument ausdrucken, ins Kuvert stecken, Absender und Empfänger ausfüllen und zur Poststelle des Vertrauens bringen, einige Tage warten. Erst durch den Siegeszug des Internets Mitte der 90er-Jahre brach ein neues Zeitalter an. E-Mails verdrängten Briefe zunehmend. Wie so oft hatte das Erscheinen eines neuen Mediums zur Folge, dass die Vorgänge des alten Mediums erst einmal auf ähnliche Weise ins neue übertragen wurden, bis man später die Möglichkeiten der neuen Technologie zu nutzen wusste.
73 Prozent der Internetnutzer als Reichweite
Welche Möglichkeiten das sind, erkannte man bei der Welser Twyn Group sehr früh. „Der nächste Schritt der Kommunikation von Unternehmen war es, mit Menschen zu kommunizieren, ohne ihre E-Mail-Adresse oder Postanschrift zu kennen“, sagt Peter Mayrhofer, CEO. „Wir haben uns eine Technologie patentieren lassen, mit der es möglich ist, aufgrund des Surfverhaltens des Benutzers und anderen externen Daten einen Rückschluss auf seine Interessen zu ziehen und ihn dann mit passenden Werbeeinschaltungen zu erreichen“, sagt CTO Christian Hartl. Die Vorteile für die werbenden Unternehmen liegen auf der Hand: Sie können problemlos ein viel größeres Publikum erreichen, das sich vermutlich auch noch für ihre Produkte interessiert. Was bedeutet das für den Benutzer, also für uns? Wer sich als Vegetarier öfters über dementsprechende Kochrezepte informiert, wird auf Facebook oder Nachrichtenportalen wohl seltener Leberkäse-Werbung angezeigt bekommen, als jemand, der gerne Fleisch isst dafür aber Werbeeinschaltungen von Bio-Unternehmen.
Wir spazieren mit dem CEO durch die Büroräume nahe des Welser Hauptbahnhofes. Auf einem Kasten am Gang steht ein Monitor, auf zahlreichen Grafiken zeigt er in Echtzeit, wie viele Menschen Twyn für seine Werber in diesem Moment erreicht. Österreichweit gehört man zu den Spitzenreitern: Die Twyn Group erreicht 4,5 Millionen „Unique User“ – das sind 73 Prozent der österreichischen Internetnutzer pro Monat. Mehr als 66 Medienunternehmen gehören zum Netzwerk, auf deren Plattformen wiederum – angepasst an Benutzer – Anzeigen veröffentlicht werden. Wie gelingt es, so viele Partner zu überzeugen? „Natürlich braucht man Produkte, die sich durch einen starken USP auszeichnen, dazu kommt der wirtschaftliche Mehrwert für jeden einzelnen Benutzer“, sagt Mayrhofer. Besonders wichtig sei groteskerweise in der fast grenzenlosen Industrie des Internets eine abgegrenzte Betreuung, und zwar im positiven Sinne. „Wir stehen in permanentem Dialog mit unseren Kunden, damit wir unser Angebot verbessern können, am Ende des Tages kommt es auf die Menschen an, die unsere Partner betreuen.“ Seit 2011 gibt es ein eigenes Team, das für nichts anderes zuständig ist.
Bewegte Geschichte
Der Weg dahin war nicht leicht. Das Unternehmen blickt auf eine bewegte Geschichte zurück. Im Nachhinein gesehen ist das Jahr 2000 vielleicht nicht das beste, um ein Online-Unternehmen zu gründen, weil viele Erwartungen von Investoren nicht erfüllt werden können, kommt es zur Dotcom-Blase, fast die gesamte Branche ist verunsichert. Allerdings nicht Twyn: „Der Unterschied zwischen uns und anderen Unternehmen war, dass wir gegründet wurden, um konkrete Kundenbedürfnisse zu stillen, zahlreiche andere Online-Unternehmen zu der Zeit hatten keine soliden Geschäftsmodelle“, sagt Mayrhofer. Allerdings muss er zugeben, dass eine ähnliche Mentalität wie jene der Unternehmen, die später oft nicht überlebt haben, auch in der Twyn Group eine Zeit lang Einzug hielt. „Damals war man der Meinung, man müsse so viele Kapazitäten wie möglich in die Entwicklung stecken, damit man den Takt angibt, schließlich ist das Internet und die Welt grenzenlos“, erinnert sich Mayrhofer. Damals hatte das Unternehmen 70 Mitarbeiter, die Zahl wurde dann wieder auf die heutigen etwa 30 reduziert, um sich auf die Kernthemen zu konzentrieren. Neben dem Welser Standort ist man auch in Wien zuhause. „In unserer Branche braucht man dort Präsenz“, sagt Mayrhofer, „die Entscheider der fast gesamten österreichischen Medienindustrie wie auch viele große Kunden sitzen in Wien.“ Für die Vernetzung innerhalb der Branche sei die Hauptstadt unabdingbar, weswegen dort zwölf Mitarbeiter tätig sind.
"Wir stehen in permanentem Dialog mit unseren Kunden, damit wir unser Angebot verbessern können, am Ende des Tages kommt es auf die Menschen an, die unsere Partner betreuen."
Peter Mayrhofer
Neue Anforderungen
Mittlerweile feiert die Twyn Group ihr fünfzehnjähriges Bestehen, das Geschäftsmodell ist in der Zeit zwar fast identisch geblieben, dennoch verändern sich die Anforderungen für das Unternehmen ständig. „Es geht weiterhin um Klicks und die Sichtkontakte der Zielgruppe, aber die Qualität hat sich stark verändert“, sagt Hartl. Der 45-Jährige ist seit mehr als vierzehn Jahren bei der Twyn Group und gehört damit nicht nur zu den Urgesteinen des Unternehmens, sondern auch des Online-Marketings. Davor war er als IT-Verantwortlicher im Logistik-Bereich tätig. „Ich dachte anfangs, dass Online- Marketing ein ganz anderes Milieu ist als die Logistik“, sagt Hartl, „aber in Wirklichkeit sind die Bereiche sehr ähnlich.“ Auch Mayrhofer hat ähnliche Wurzeln. Nach zehn Jahren beim global agierenden Elektronikkonzern Phillips, ebenfalls im Logistik-Bereich und Produkt-Vertrieb, wurde er vor zehn Jahren Partner einer Private Equity-Firma, die in technologische Unternehmen investiert. „Seit vier Jahren bin ich nun hier Eigentümer und gleichzeitig Geschäftsführer, wir wollten nicht nur investieren, sondern selbst auch Hand anlegen“, sagt er.
"Das Internet wird immer individualisierter, besonders im Bereich der Online-Werbung."
Christian HartlCTO
Für Hartl ist digitales Marketing eine Kombination aus Offline-Marketing und Logistik. Ähnlich wie in der Logistik sind die Prozesse immer stärker an den Verbraucher angepasst. „Das Internet wird immer individualisierter, besonders im Bereich der Online-Werbung“, sagt Hartl. Waren Anzeigen und Banner am Anfang für alle Nutzer nahezu identisch, ist die Werbung jetzt auf den Konsumenten zugeschnitten. Und: Durch eine immer höhere Leistung können die Daten ständig genauer berechnet und verarbeitet werden.
Ein Blick in die Zukunft
Wie gelingt es da, ständig nicht nur am aktuellen Stand, sondern der Konkurrenz auch noch einen Schritt voraus zu sein? „Es ist wichtig, eine Atmosphäre der Innovation zu schaffen“, sagt Mayrhofer, „gerade als Unternehmen, das in so einem Segment Marktführer ist, das Produkte internationalisieren will und nicht im Silicon Valley zuhause ist.“ Andererseits sei es wichtig, auf gut ausgebildete Mitarbeiter zurückgreifen zu können. „In Oberösterreich gibt es ausgezeichnete Ausbildungsmöglichkeiten mit technischen Zentren wie Hagenberg, der JKU oder den HTLs“, sagt der CEO.
Was wird sich in Zukunft in dieser schnelllebigen Branche tun? Hartl: Daten wurden schon immer gesammelt und analysiert. „Derzeit gehen die Analysemöglichkeiten in Richtung Echtzeit“, sagt Hartl. Durch steigende Rechnerleistungen werde es zukünftig möglich sein, noch genauer zu simulieren, welche Auswirkungen bestimmte Aktionen hätten. „Wir können also noch genauer in die Zukunft blicken“, sagt Hartl.