Wenn man eines mit Sicherheit sagen kann, dann dass Stefan Pierer ein vielbeschäftigter und vielseitig engagierter Mann ist. Dennoch nimmt er sich Zeit, mit uns über Themen zu sprechen, die ihm persönlich rund um die Montanuniversität Leoben am Herzen liegen: die fehlende naturwissenschaftliche Bildung der Gesellschaft, die Wichtigkeit von Kommunikation der Aktivitäten der Universität und die Erfordernisse, die es braucht, um die Energietransformation gemeinsam bewältigen zu können.
Herr Pierer, Sie kehren mit Ihrer Funktion als Universitätsratsvorsitzender nun an Ihre Alma Mater zurück. Welche Erinnerungen verbinden Sie mit der Montanuniversität Leoben?
Stefan Pierer: Nur die besten! Der Besuch der Universität war im wahrsten Sinn des Wortes das Sprungbrett zu der Karriere, die ich in den letzten 40 Jahren gemacht habe.
Wieso haben Sie sich entschieden, sich gerade jetzt dort zu engagieren?
Stefan Pierer: Aus dem Grund, weil die MINT-Studien momentan unter Druck kommen, ganz egal ob in Wien, Graz oder Leoben. Immer weniger junge Menschen sind bereit, ein herausforderndes, technisches Studium zu beginnen. Umgekehrt ist es immens wichtig, dass wir eben solche gut ausgebildeten Personen bekommen, weil sie die Grundlage darstellen, um unsere Zukunft und unseren Planeten zu erhalten.
Was ist der USP der Montanuniversität und wodurch hebt sie sich von anderen Universitäten ab?
Stefan Pierer: Sie vereint alle Studienrichtungen, die es für die Energietransformation braucht, sei es das Wissen über Rohstoffe, Kreislaufwirtschaft, Metallurgie oder Recycling. All jene Thematiken, worüber wir gerade in der Gesellschaft diskutieren, wie Thematiken des Klimawandels und der CO2-Transformation, werden dort behandelt, erforscht und gelehrt. Darum kann ich nicht aufhören, für diesen Standort zu werben. Mein Beitrag ist in erster Linie sicherlich auch der, durch meine Bekanntheit das Marketing und die Kommunikation zu verbessern. Diese sind oft gerade bei Technischen Universitäten nicht besonders gut ausgeprägt. Ich möchte helfen, möglichst viele Studierende nach Leoben zu lotsen.
Welche Visionen haben Sie und der restliche Universitätsrat für die kommenden Jahre der Universität?
Stefan Pierer: Das ist relativ simpel. Wir möchten in unserer fünfjährigen Periode die Zahl der Studienanfänger:innen verdoppeln. Das ist natürlich eine entsprechende Herausforderung, aber wir haben uns, wie in einem Unternehmen, mit dem Rektorat neu aufgestellt. Neben den klassischen Divisionen des neuen Rektors wie Wissenschaft, Lehre, Finanz- und Rechnungswesen und Organisation haben wir ein eigenes Rektorat für Marketing und Öffentlichkeitsarbeit geschaffen, was für eine Technische Universität etwas eher Untypisches ist. Wir sind ein sehr gutes Team und sind wahnsinnig motiviert, loszustarten.
Welche Pläne gibt es noch für die Zukunft der Universität?
Stefan Pierer: Wir möchten die Vernetzung untereinander fördern und die Gesamtheit der Universität der Öffentlichkeit präsentieren. Wir haben hier viele Einzelrichtungen, aber die muss man natürlich in einer Synergie nach außen bringen. Das Thema digitale Transformation betrifft auch den tertiären Ausbildungssektor. Wir haben alle notwendigen Werkzeuge, sie zu bewältigen. Nun gilt es, diese in der richtigen Reihenfolge anzuwenden und unsere Kompetenzen zu kommunizieren.
Worin liegt die gesellschaftliche Verantwortung einer Universität?
Stefan Pierer: Die Universität ist die höchste Stufe der Ausbildung, die wir zu bieten haben, und die Absolvent:innen werden nicht nur in unserer Wirtschaft, sondern auch global gesehen ihren Fußabdruck hinterlassen. Ich bin ein gutes Beispiel dafür. Natürlich hat man als Unternehmer:in und letztlich als Absolvent:in eine immense Verantwortung der Gesellschaft gegenüber, aktiv die Herausforderungen anzupacken, die sich uns stellen.
Müssen wir das Konzept von Universität in Zukunft vielleicht neu denken, so wie wir auch Arbeit neu denken?
Stefan Pierer: Die Arbeitswelt neu denken – da muss man meiner Meinung nach aufpassen. Denn mit Minderleistung werden wir unseren Wohlstand nicht erhalten können. Bildung wird eine wichtige Voraussetzung, um aus europäischer Sicht gegen die neuen Regionen der Welt bestehen zu können. Das werden wir nicht mit Minderleistung und Work-Life-Balance schaffen, sondern durch hohe und exzellente Bildung, Innovation und Fleiß. Ein großes Anliegen von mir ist es auch, den naturwissenschaftlichen Hausverstand vermehrt in die Gesellschaft zu bringen, den brauchen wir alle mehr denn je._