14. Dezember 2022, 12:35 Uhr. Frau Gruber trommelt unruhig mit den Fingern auf ihren Schreibtisch. Nach zwei Videotelefonaten auf der neuesten Datenbrille und einer Nachricht vom Chef ist ihre Laune auf dem Tiefpunkt. Der Grund: die längst überfälligen Weihnachtsferien verschieben sich um zwei Tage, ein Kollege hat sich krank gemeldet. Gruber schüttelt die negativen Gedanken ab. Zeit für die Mittagspause. „Speiseplan anzeigen“, befiehlt die junge Frau der Brille, das Gerät blendet die Menüs ein. Mit einem leichten Kopfnicken scrollt sie sich durch die Liste, findet aber nichts. Kein Problem – auf ihrem 3D-Drucker hat sie schon in der Früh eine Steak-Kopie ausgedruckt und in einem Bioreaktor in der firmeninternen Küche reifen lassen. Während sich die frühere Vegetarierin das Fleisch schmecken lässt, analysiert sie auf ihrem Tisch ein dreidimensionales Hologramm mit dem Plan für das neueste Projekt.
Dieses Szenario könnte tatsächlich Realität werden. Google arbeitet derzeit an einer Datenbrille und hofft, ein erstes Modell bereits 2014 auf den Markt zu bringen. Das US-Unternehmen Modern Meadow entwickelt eine Technik, um per 3D-Drucker mit Biotinte künstliches Fleisch herzustellen. Welche neuen Technologien sich tatsächlich durchsetzten werden, lässt sich natürlich nicht mit Sicherheit sagen. In den 1970er-Jahren prognostizierten Wissenschaftler, die Büroanstellten der Gegenwart würden in Kolonien am Mond arbeiten. Eines lässt sich aber mit großer Wahrscheinlichkeit sagen: Vieles ändert sich, doch auch 2022 werden die Mitarbeiter noch morgens aufstehen und ins Firmengebäude fahren. Allerdings nicht mehr so oft wie heute.
Für den deutschen Zukunftsforscher Matthias Horx ist es auch gar nicht so entscheidend, welche Technologien im Büro der Zukunft zu finden sein werden. „Ich glaube, dass es gar nicht so sehr auf die Technik ankommt, sondern auf die Sozio-Technik“, sagt der Publizist im Kurzinterview. Die meisten Angestellten würden in einigen Jahren mobiler arbeiten als jetzt.
Einheitsbüro ist Vergangenheit
Das sieht auch Franz Gurtner so. „Der Trend geht eindeutig in die Richtung, dass statische Arbeitsplätze weniger werden“, sagt der Marketingchef vom oberösterreichischen Büromöbeleinrichter Wiesner-Hager. Bereits jetzt arbeiten immer mehr Mitarbeiter zeitweise daheim. Gurtner geht davon aus, dass sich diese Tendenz in den kommenden Jahren verstärken wird. „Es wird aber weiterhin im Büro gearbeitet, wenn auch dezentraler“. Auch bei der Einrichtung zeichnen sich deutliche Veränderungen ab. Die typischen grauen Einheitsbüros aus den 80er und 90ern würden endgültig abgelöst. Innenarchitektur spielt eine immer größere Rolle, Rückzugs- und Kommunikationszonen, in denen Mitarbeiter ihre Kreativität ausleben können, werden wichtiger. Google nimmt jetzt schon eine Vorreiterrolle ein: in den Züricher Büros stehen nachgebaute Gondeln bereit, in denen gearbeitet werden kann. „Das gibt es aber nicht nur bei Hightech-Firmen, sondern auch bei normalen Unternehmen wird diese Art der Büro-Planung immer wichtiger“, sagt Gurtner.
Immer wichtiger wird auch eine effiziente und klimaschonende Energieversorgung. „In diesem Bereich tut sich extrem viel“, sagt Gerald Wirtl von Enerxia. Das Unternehmen in Wartberg installiert Photovoltaikanlagen. Bei derzeitigen Solarflächen kann etwa 15 bis 17 Prozent der Sonnenstrahlung verwertet werden. „Theoretisch können wir einen Wirkungsgrad von 100 Prozent erreichen“, sagt Wirtl. Die Folge: Unternehmen könnten sich völlig autonom mit Strom selbstversorgen. Auch werden die Photovoltaikanlagen immer platzsparender. In Zukunft könnten dünne Folien die optisch kaum auffallen direkt in die Glasfassaden integriert werden. Nicht nur die Gewinnung von Energie, auch der sparende Umgang damit wird wichtiger. Anfang 2013 tritt die neue EU-Richtlinie ErP in Kraft, die bis 2016 jährlich verschärft wird. Darin ist festgelegt, dass Klimatechnik-Produkte eine bessere Energie-Effizienz aufweisen müssen. Die meisten heimischen Hersteller sind darauf aber bereits vorbereitet. „Für uns ist das kein großes Problem, weil wir den Standard jetzt schon zum Teil erfüllen“, sagt Markus Paschl von Wiesmayr Klimatechnik. Mit Panasonic habe das Unternehmen einen Partner, der schon länger intensiv an einer hohen Energie-Effizienz arbeitet. Billiganbieter könnten durch die Richtlinie aber vom Markt verschwinden.
Zurück in die Zukunft. Der 3D-Projektplan funktioniert nicht richtig. Gruber seufzt. Manchmal sehnt sie sich nach der guten alten Zeit, in der noch am Computer mit Tastatur und Maus händisch gearbeitet wurde. Doch dann schüttelt die junge Frau den Kopf, vertreibt diese absurden Gedanken, setzt ihre Datenbrille auf und befiehlt ihr, nach einen Update für das 3D-Hologramm zu suchen.
gefragt. MATTHIAS HORX
Herr Horx, Sie bewohnen mit ihrer Familie das Future-Evolution-Haus. Wie könnte ein Future-Evolution-Büro aussehen, welche Einflüsse könnten Faktoren wie eine steigende Individualisierung und Mobilität auf die Büroarchitektur haben?
Ein büro ist in Zukunft weitaus mehr als heute, ein Lebensort, in dem es auch um Atmosphäre, Stil, Design geht. Design prägt Menschen und Mentalitäten. Und ein büro wird nicht mehr „nine to five“ sein, also immer zu den gleichen Zeiten mit den selben Menschen besetzt. Generell: man sitzt nicht immer am selben Schreibtisch, man braucht mehr verschiedene „Sets“. Am Tag zieht man sich vielleicht zwei Stunden in eine „Denkkabine“ zurück, wo man völlig abgeschlossen ist, um dann wieder in sozialen Situationen, im Team zu diskutieren.
Mit welchen technologischen Möglichkeiten rechnet man heute für das Büro der Zukunft (etwa in zehn Jahren). Werden sich etwa die Mitarbeiter ihr Mittagsmenü nicht mehr in der Kantine holen, sondern per App bestellen oder gar ausdrucken?
Ja, gut, das wird vielleicht kommen - aber ist das so entscheidend? Apps können nicht alles lösen. Essen ist ja auch etwas Soziales, Sinnliches, und wir werden mit Sicherheit gesünder essen. Und vielleicht danach in einem „Sleep Pod“ ein Nickerchen machen. Oder Joggen gehen.
Auf jeden Fall werden wir nicht mehr so oft acht Stunden auf unserem Hintern hocken und dabei allmählich fett und träge werden - der Körper spielt eine wichtigere rolle, wenn Arbeit kreativer und komplexer wird. Ich glaube, dass es gar nicht so sehr auf die Technik ankommt, sondern auf die Sozio-Technik.
Ist das klassische Büro in der Firma ein Auslauf-Modell, werden die Menschen 2022 weniger Arbeit im Büro, dafür mehr von Daheim oder ausserhalb verrichten?
Es ist eben beides richtig: die meisten von uns werden weitaus mobiler arbeiten, aber gerade DESHALB wird das Büro, oder das „headquarter“, oder die „Work Lounge“ wichtiger. Denn Menschen sind soziale Tiere, und wie virtuell man auch unterwegs ist - man will sich immer wieder auch physisch treffen. Aber dann muss es dort, wo man sich trifft, auch anregend sein. Das muss noch nicht mal unbedingt luxuriös sein. Wenn man sich zum Beispiel anschaut, wie die COWORKING SPACES aussehen, die derzeit in allen größeren Städten entstehen, dann kann man da schon eine ganze Menge lernen, wie die Zukunft der Arbeit aussieht.