Vorbei sind die Zeiten der schwefelbelasteten Wälder und der schaumbedeckten Ager:
Der Faserspezialist Lenzing hat viel Geld investiert, um seinen ökologischen Fußabdruck zu verkleinern. Verbessert haben sich dadurch nicht nur die Beziehungen zu Mitarbeitern, Kunden, Lieferanten und Nachbarn, sondern auch die Markt- und Zukunftschancen, sagt Vorstandsvorsitzender Stefan Doboczky.
Sattgrüne Wälder zieren die Hügel ringsum, dahinter ragen schneegekrönte Alpengipfel auf. „Wir sind hier in einem Gebiet, das eigentlich touristisch ist“, deutet Stefan Doboczky auf die Idylle vor seinem Bürofenster. Dass der Ausblick nicht immer so erfreulich war, haben die ortsansässigen Mitarbeiter ihrem Chef, einem gebürtigen Kärntner, eindrücklich vermittelt: Schwefelwolken, belastete Wälder, die Ager „manchmal eher ein Schaumbad als ein Fluss, aus dem man gerne einen Waller rausangelt“, schildert Doboczky. Schon allein deshalb sei Nachhaltigkeit „für unsere Mitarbeiter ein emotionales Thema, da müssen wir heute niemanden mehr dazu antreiben“.
Vor bald vier Jahren hat Stefan Doboczky als Vorstandsvorsitzender das Ruder der Lenzing mit dem erklärten Ziel übernommen, „als Konzern möglichst wenig Schaden anzurichten“. Gemessen an diesem Anspruch stehe das Unternehmen heute „hervorragend“ da: „Lenzing hat heute Nachhaltigkeit als den wichtigsten Businesstreiber etabliert.“ Und ist bei dieser Entwicklung noch lange nicht am Ende angekommen, wie Doboczky offen eingesteht: Wasser- und Energieverbrauch, Treibhausgasausstoß und Wiederaufforstung, nachhaltige Innovationen und Frauenanteil sind nur einige der großen Zukunftsthemen, „und wenn wir diese Ziele erreichen, werden wir uns neue setzen“.
Aus der Not eine Tugend
Begonnen wurde die Reise vor 30, 40 Jahren aus der Not heraus, „nämlich wie schaffen wir es, unsere Produktion in der Region zu erhalten“, rekapituliert Doboczky. „Damals sind riesige Investitionen in Abwasserbehandlung, Luftreinigung und Kreislaufwirtschaft getätigt worden. Was in der Vergangenheit eine Last war, ist heute ein wesentliches Alleinstellungsmerkmal.“ Als gelernter Chemiker „hat mir das faszinierende Konzept schon getaugt, als ich das erste Mal da war“, erinnert sich Doboczky: Natürlich brauche man für die Umwandlung von Holz in Zellstoff und die Weiterverarbeitung zu Viskose-, Modal- und Lyocellfasern potentiell giftige Chemikalien, „aber wenn man es gut macht, befinden sie sich in geschlossenen Kreisläufen und werden immer wiederverwendet“. Als Beispiel nennt er das Lösungsmittel für das Lyocellverfahren, das mit einer Rückgewinnungsrate von mehr als 99 Prozent aus dem Prozesswasser recycelt wird.
Auf Holz gebaut
Auch beim wichtigsten Rohstoff, dem Holz, achtet Lenzing streng auf die Herkunft und eine nachhaltige Waldwirtschaft: „Bei der Ankunft im Werk können wir bei jedem Baumstamm sagen, von wo er gekommen ist“, verweist Doboczky auf die Einkaufsrichtlinien, die sowohl intern als auch extern überprüft werden. Die Holzlieferanten müssen mit dem FSC- oder dem PEFC-Gütesiegel nachweisen, dass sie sozial- und umweltverträglich arbeiten.
Draußen auf dem Lagerplatz stapeln sich turmhoch die Buchen aus Österreich, Bayern, der Slowakei: Allein am Standort Lenzing werden jährlich 300.000 Tonnen Faserzellstoff produziert, wofür man grob gerechnet die zweieinhalbfache Menge an trockenem Holz benötigt. „Für uns ist Holz der nachhaltigste und ökonomischste Werkstoff.“ Deshalb engagiert sich das Unternehmen für den Erhalt der Wälder: In Albanien hat man zum Beispiel ein zehn Hektar großes Aufforstungsprojekt gestartet. Dabei werden nicht nur Bäume gepflanzt, sondern die lokale Bevölkerung auch in der nachhaltigen Bewirtschaftung des Holzes unterrichtet.
Theoretisch könnte man den Zellstoff auch aus anderen Pflanzen oder sogar Abfällen gewinnen, räumt Doboczky ein. „Allerdings ist der Umweltaufwand für den Aufschluss etwa von Elefantengras oder Maisstängeln wesentlich höher.“ Dasselbe gelte für die Wiederaufbereitung von Altkleidung, an der man derzeit forsche: Mischfasern, Nähte aus Polyester oder Aufdrucke aus Harz ökonomisch und ökologisch sinnvoll zu trennen, sei derzeit noch nicht möglich. Was allerdings dank intensiver Forschung bereits gelungen ist, ist das Recycling von Verschnittresten aus Baumwolle: Bei der Refibra-Technologie verwendet Lenzing die Stoffabfälle großer Textilhersteller und gewinnt daraus eine neue, hochwertige Lyocellfaser.
Bei der Ankunft im Werk können wir bei jedem Baumstamm sagen, von wo er gekommen ist.
Stefan Doboczky
Vorstandsvorsitzender, Lenzing