Gelegentlich fühle sie sich wie eine Pionierin im Wilden Westen, gesteht Christine Weixelbaumer. „Ich spüre immer noch großen Widerstand in den Firmen, sich dem Thema Nachhaltigkeit zu widmen, weil man mehr Kosten fürchtet“, erzählt die Kommunikationsexpertin, die im Zentrum für Nachhaltigkeit Unternehmen berät. „Dabei bringt die Auseinandersetzung mit dem Thema Einsparungen und schafft Mehrwert.“
Und das in beträchtlichem Ausmaß: Nachhaltiges Denken und Handeln verändert die Wirtschaft rund um den Globus und bietet Geschäftschancen im Gesamtvolumen von mehr als zehn Billionen Euro pro Jahr. Errechnet hat diese imposante Zahl, die beinahe dem Bruttoinlandsprodukt der gesamten Eurozone (11,17 Billionen Euro) entspricht, der World Business Council for Sustainable Development: In diesem Weltgeschäftsrat für nachhaltige Entwicklung sind die CEOs von 200 multinationalen Konzernen wie Nestlé, Shell oder Banco Santander vertreten – kurzum Unternehmen, die nicht gerade im Verdacht stehen, ideologisch aufgeladene Öko-Träumereien zu spinnen. Was sie alle eint, ist der Glaube, dass man mit nachhaltigen Produkten und Dienstleistungen Arbeitsplätze schaffen, Geld verdienen und Wirtschaftswachstum generieren kann und man zugleich die unternehmerische Verantwortung für eine lebenswerte Zukunft wahrnimmt.
Der Rahmen ändert sich
Im Jahr 2015 haben die 193 Mitgliedsstaaten der UNO einstimmig die Sustainable Development Goals (SDGs – Nachhaltige Entwicklungsziele) beschlossen und darin festgelegt, wie die Welt bis 2030 zu einem besseren Ort für alle werden soll. Diese Agenda 2030 definiert sowohl Ökologie als auch Soziales und Ökonomie als tragende Säulen für eine nachhaltige Zukunft und nimmt – neben der Politik und der Gesellschaft – explizit die Privatwirtschaft in die Verantwortung: als Finanzquelle, als Innovationstreiber und als Schlüssel zu allgemeinem Wohlstand.
„Ich sehe mit Stolz, dass sich immer mehr Unternehmen mit Nachhaltigkeit beschäftigen“, sagt Daniela Knieling, Geschäftsführerin von Respact. Die Plattform unterstützt seit über 20 Jahren Firmen bei der Umsetzung sozialer und ökologischer Ziele und nun bei der Integration der SDGs. „Aber es gibt noch viel Potential, wie die Unternehmen zukunftsfit werden können.“ Weil Gesellschaft und Politik immer stärker auf Nachhaltigkeit achten, verändern sich Konsumgewohnheiten und politische Rahmenbedingungen in den nächsten Jahren und Jahrzehnten massiv. „Bei Babynahrung wird heute nur mehr Bio verkauft“, nennt Norbert Rainer vom Klimabündnis OÖ ein konkretes Beispiel. „Wer den Wandel verschlafen hat, wird nicht mehr gekauft.“ Zugleich werden die gesetzlichen Umwelt- und Sozialauflagen sukzessive verschärft, sodass schmutzige Produktionsmethoden langfristig zu einer massiven Kostenbelastung werden, glaubt Rainer. „Je früher man beginnt, sich damit auseinanderzusetzen, desto besser kann man die Chancen der Veränderung nutzen.“
Engagement zeigen
Große Unternehmen verlassen sich bei diesem Prozess auf ihre Nachhaltigkeitsabteilungen, in KMU fehlen aber meist die nötigen zeitlichen, fachlichen und finanziellen Ressourcen. Umso größer ist die Bedeutung von externer Beratung wie zum Beispiel durch die Betriebliche Umweltoffensive, die in Kooperation mit dem Klimabündnis jährlich etwa 200 Unternehmen in Oberösterreich betreut. „Der Klassiker ist ein Unternehmer, der im Energiebereich effizienter werden und damit Kosten sparen will“, schildert Rainer. „Andere Leute sehen ihre Firma in einer gesellschaftlichen Verantwortung, welche Welt wir unseren Enkeln hinterlassen. Und dann gibt es noch solche Unternehmen, wo die Kunden Wert auf Nachhaltigkeit legen, und die müssen zeigen können, dass sie engagiert sind.“
Wer zukunftsrelevante Technik und Lösungen anbieten kann, genießt auf lange Sicht mehr Handlungsspielraum und Vertrauen. „Umfragen zeigen, dass den Unternehmen eher zugemutet wird, etwas für die Umwelt zu tun, als der Politik“, sagt Kommunikationsberaterin Weixelbaumer. „Man muss als Unternehmer ständig schauen, ob die Produkte und die Ausrichtung der Firma zu den gesellschaftlichen Werten passen.“
Wirkung statt Status
Dieses Bewusstsein komme in den Köpfen der Führungskräfte an, schildert André Martinuzzi, der als Vorstand des Instituts für Nachhaltigkeitsmanagement an der WU Wien zum Thema Wirkungsverantwortung forscht. „Wir reden nicht mehr nur über das, was im Unternehmen passiert, sondern auch, was es im Außen bewirkt.“ Die nächste Generation an Führungskräften werde schon in der Ausbildung für das Thema sensibilisiert. „Zukunftsfähiges Wirtschaften ist heute eine Pflichtveranstaltung an der WU.“
Die Millennials und die Generation X seien es auch, die diesen gesellschaftlichen Wandel vorantreiben, ist Martinuzzi überzeugt: „Ihnen geht es weniger um Besitz und Status, sondern ums Erleben und Bewirken.“ Wer auf diese geänderten Bedürfnisse – zum Beispiel Sharing Economy – rechtzeitig die passenden Antworten finde, sichere langfristig seinen wirtschaftlichen Erfolg, glaubt Klimabündnis-Chef Rainer: „Wenn wir das Umdenken heute schaffen, sind wir morgen bei den Gewinnern dabei.“ Wie die erfolgreichen Pioniere auf den nächsten Seiten unter Beweis stellen.