Anschlag auf Kollegen
Daher gelte es, Rahmenbedingungen zu schaffen, um die Hemmschwelle vor radikalen Veränderungen zu überwinden. „Disruptive Innovationen kann man nicht in bestehenden Strukturen verwalten“, findet auch Axel Kühner, CEO des Kunststoffspezialisten Greiner. „Deshalb haben wir mit Greiner Technology & Innovation (GTI) eine eigene Gesellschaft gegründet, die ganz bewusst bestehende Geschäftsfelder disruptiert und quasi einen Anschlag auf die eigenen Kollegen plant: Wenn sich irgendwo neue Geschäftsfelder auftun, dann wollen wir sie nicht der Konkurrenz überlassen, sondern es selber machen.“
Während die inkrementellen Produktneuerungen in den bestehenden Sparten der Greiner Gruppe entwickelt werden, forscht man in der GTI zum Beispiel an eigenen Spritzgusswerkzeugen oder 3D-Druckanwendungen. „Hier entsteht etwas, das sonst im Alltagsgeschäft nicht viel Raum hat“, beschreibt Kühner. Ein eigenes Budget stellt sicher, dass Ideen nicht in den Grabenkämpfen zwischen verschiedenen Abteilungen verloren gehen. „Ich muss Innovationen nicht nur mit Worten, sondern auch mit Geld unterstützen.“ Gesteuert werden die Projekte „direkt über mich, sonst ist es nicht glaubwürdig“, betont Kühner.
Richtig abheben
Ein ähnliches Modell hat auch Palfinger, der Hersteller von „Lifting Solutions“, gewählt: „Unsere klassische F&E-Abteilung beschäftigt sich mit den Kunden, die wir schon kennen“, schildert CEO Andreas Klauser. „Palfinger 21st befasst sich mit Themen, die wir noch nicht einmal selbst genau kennen.“ Direkt der Geschäftsführung unterstellt, ist es die Aufgabe des Unternehmensbereichs, „out of the box zu denken, sich Geschäftsmodelle und Innovationen, die nicht unmittelbar mit Lifting Solutions zu tun haben, anzusehen und diese weiterzudenken“.
Ein zweistelliger Millionenbetrag wurde in die Schaffung von Palfinger 21st investiert, die 25 Mitarbeiter sind – auch geographisch von der Unternehmenszentrale in Bergheim bei Salzburg getrennt – im Start-up-Cluster weXelerate in Wien angedockt. „Bei vielen Unternehmen ist die Weiterentwicklung der Produkte und die Suche nach neuen Geschäftsfeldern organisatorisch sehr nahe beieinander. Das hat einen großen Nachteil: Wenn Not am Mann ist, werden die Ressourcen oft für die Entwicklung bestehender Produkte verwendet“, erklärt Klauser, warum Palfinger eine eigene Struktur für disruptive Innovationen geschaffen hat.
„Es geht nicht nur darum, neue Ideen hereinzubringen, sondern auch so aufzubereiten, dass sie ein Businessmodell ergeben und ab einem gewissen Zeitpunkt an die interne F&E-Abteilung übergeben und von dieser gemanagt werden können.“ Ein konkretes Beispiel sei das Joint Venture „StrucInspect“ für Brücken- und Gebäudeinspektion. „Wenn man nur darauf hofft, dass die Erleuchtung vom Himmel kommt, wird man lange warten. Man braucht Vertrauen und den Mut, nicht gleich erfolgreich zu sein oder auch mal zu scheitern“, betont Klauser. „Wir bei Palfinger haben hier den Vorteil, dass unser unternehmerischer Erfolg rein durch das Wachstum im klassischen Brot-und-Butter-Business abgesichert ist.“
Forschung fördern
Gerade kleinere Unternehmen haben diese finanzielle Sicherheit allerdings nicht. „Wenn das Risiko groß ist, dass ein Projekt nicht gelingt, dann überlegt man es sich als KMU dreimal, ob man in eine neue Idee investiert“, sagt Martin Bergsmann, CEO von Hueck Folien und Sprecher der Strategiegruppe „Technologie & Innovation“ der Sparte Industrie in der Wirtschaftskammer OÖ. „Deshalb gibt es Forschungsförderungen, damit nicht das ganze finanzielle Risiko im Betrieb bleibt.“
Als weiteren Hemmschuh für Innovation sieht er den Mangel an qualifizierten Hochschulabsolventen. „Deshalb haben wir uns die Stärkung der technischen und naturwissenschaftlichen Fächer an der JKU in Linz zum Ziel gesetzt, weil es nur dann gelingt, dass wir gute Professoren und Studenten nach Oberösterreich bringen und letztendlich gute Fachkräfte erhalten“, so Bergsmann. „Der Rohstoff, den wir haben, ist Wissen. Darauf müssen wir aufbauen und Kundennutzen bringen.“
Dieser fokussierte Blick auf die Bedürfnisse des Marktes sei etwas, was heimische Unternehmen durchaus noch verbessern könnten, glaubt Bergsmann. „Es geht weniger um die Technologie, sondern um den Nutzen, den ich stifte. Immer dann, wenn der Kunde denkt, cool, da habe ich was davon, dann bezeichne ich es als wahre Innovation.“ Aufholbedarf bestehe auch bei der Übersetzung einer Idee in einen industriellen Prozess: „Ein tolles Produkt allein ist nicht genug, sondern ich muss es auch wirtschaftlich und effizient herstellen können.“