Gleich mal vorweg: Nein, Frauen sind nicht die bessere Hälfte. Sie sind aber auch nicht die schlechtere. Darin sind sich all unsere sieben Interviewpartnerinnen einig. Sieben deshalb, weil ihre unterschiedlichen Geschichten zeigen: Weiblichkeit hat nicht die eine Rolle. Und auch nicht das eine Gesicht. Ob geschminkt oder ungeschminkt, im Rock oder in der Hose, Mutter oder Nichtmutter, stark oder schwach (oder beides), im Chefsessel oder hinterm Herd (oder beides) – Frauen sind auch nur Menschen. Ja, eben. Menschen. Wie Männer. Also warum reden wir eigentlich noch darüber? Reden wir darüber.
Im Tischlereibetrieb Norz mit Hauptsitz in St. Georgen im Attergau ist vieles noch so, wie’s früher war. Die Möbel werden von Hand gemacht, die fünfzehn Tischler sind allesamt männlich, im Büro sitzen drei Damen, im Verkauf arbeiten drei Männer. Nur Anna Norz, die als Innenarchitektin in den Betrieb ihres Vaters eingestiegen ist, passt irgendwie nicht ins Klischee. Aber das ist sie gewöhnt. Schon in der HTL für Möbelbau in Hallstatt waren Mädchen in der Minderzahl. Negativ habe sie das nie empfunden.
Sind Sie gerne eine Frau?
NorzJa! Ich bin stolz darauf, eine Frau zu sein. Es ist wahnsinnig spannend. Und ich finde, das Weibliche tut der Welt gut.
Was meinen Sie mit „das Weibliche“?
NorzIch glaube, ein großer Pluspunkt von Frauen ist ihr Einfühlungsvermögen. Frauen können straight sein, sie können sich aber auch sehr gut auf das Menschliche einlassen.
Haben Sie sich als Frau in einer männerdominierten Branche je benachteiligt gefühlt?
NorzWährend der Ausbildung überhaupt nicht. Auf Baustellen merkt man dann natürlich schon Klischees. Man muss sich als Frau mehr behaupten als ein Mann, weil man schnell als naiv oder nicht kompetent genug eingeschätzt wird. Ich bin halt auch kein Mensch, der überaus selbstbewusst auftritt. Ich bin eher ruhig und zeige dann erst in Details, dass ich mich sehr wohl auskenne. Und das habe ich wahrscheinlich mit einigen Frauen gemeinsam – wir sind zurückhaltender als viele Männer, wir drängen uns nicht schnell in den Vordergrund. Aber das ist auch gleichzeitig eine wertvolle Qualität. Kunden merken dann, dass ich gut auf sie eingehen kann, dass ich sie annehme und mich einfühlen kann.
Sie haben in Wien studiert und leben jetzt wieder am Land. Ist die Emanzipation in der Stadt weiter vorangeschritten?
NorzJa, da spürt man schon einen Unterschied. Das Rollenbild ist am Land noch viel klischeehafter. Hier fängt das Umdenken erst an. Man ist hier als Frau, die Karriere macht, ein bisschen allein.
Das könnte auch daran liegen, dass am Land weniger Kinderbetreuungseinrichtungen vorhanden sind. Glauben Sie, dass Sie eines Tages eine Entweder-Oder-Entscheidung treffen müssen? Also entweder Kinder oder Karriere?
NorzIch glaube, dass es eine wahnsinnige Herausforderung sein würde, aber kein Entweder-oder sein muss. Da spielt der Partner natürlich eine große Rolle. Mein Mann ist auch selbstständig, wir müssten beide für das Kind da sein. Ich könnte nicht zwei Jahre lang weg vom Betrieb sein.
Den Betrieb führen Sie gemeinsam mit Ihrem Vater. War das immer schon so geplant?
NorzNein gar nicht. Ich habe Architektur studiert, Innenarchitektur war mir zu wenig. Und eigentlich wollte ich ins Ausland. Aber dann ist alles ganz anders gekommen. Ich bin vorübergehend während meines Diploms heimgekommen –
daraus sind jetzt fünf Jahre geworden, mein Mann ist zu mir gezogen und dann haben wir gemerkt: Eigentlich ist’s gut da, wo wir sind. Mit einer jungen, kreativen Szene, es ist ein Aufbruch spürbar. Viele, die auch in Wien studiert haben, sind wieder zurück aufs Land gekommen. Außerdem hab ich das Handwerk wieder schätzen gelernt. Es wurde wichtiger für mich als die Architektur. In der Architektur ist man sehr oft eingeschränkt, in der Produktion gibt es fast keine Grenzen. Mein Vater hat mich aber nie darum gebeten, in die Firma einzusteigen, da waren meine Eltern immer vorsichtig, mich oder meine Schwester nicht zu drängen.