17 Jahre Lebensgemeinschaft. Gemeinsam Haus gebaut. Geblieben ist der Frau nach der Trennung davon nur ein Blumenstock mit Übertopf. Dieser besonders krasse Fall ist Andrea Jobst-Hausleithner, Juristin des autonomen Frauenzentrums Linz, besonders in Erinnerung geblieben. In die Rechtsberatung von Jobst-Hausleithner kommen Frauen quer durch alle Alters- und Bildungsschichten. Die anfangs beschriebene Falle in der Lebensgemeinschaft, wo es im Gegensatz zur Ehe keine Unterhaltsansprüche und keinen Anspruch auf eine mit der Ehescheidung vergleichbare Vermögensaufteilung gibt, betreffe oft auch gut gebildete Menschen, da es auch in dieser Gruppe modern sei, nicht zu heiraten. Jobst-Hausleithner berät auch Frauen, die einen hohen Lebensstandard hatten, weil der Mann gut verdient und Vermögen vorhanden ist – doch plötzlich kommt es zur Trennung und die Frau hat keinen Zugang mehr zum Geld. Die Frau war Hausfrau, hat weder ein eigenes Konto noch eigene Ersparnisse.
Aufteilung der Ausgaben
„Häufig stehen Frauen im Trennungs- oder Scheidungsfall vor dem Nichts“, spricht Jobst-Hausleithner aus der Erfahrung ihrer Beratertätigkeit. Frauen sollten sich für die Finanzen interessieren und rechtzeitig um die eigene Absicherung kümmern. „Es gibt ganz typische Fallen - aber da lässt sich einiges machen“, weiß die Juristin und nennt als Klassiker die Aufteilung der Ausgaben für Wohnen, Haushalt und Kinder. Häufig sei es so, dass Frauen die Lebensmittel und alles für das Kind bezahlen und damit Ausgaben haben, wo jeden Monat ihr gesamtes Einkommen weg ist. Männer hingegen zahlen die Miete für die Wohnung oder die Kreditrate für das Haus und die langlebigen Investitionen. In der Lebensgemeinschaft führt das im Trennungsfall zu dem anfangs beschriebenen Fall, dass die Frau auch nach vielen Beziehungsjahren symbolisch mit dem Blumentopf rausgeht. Doch das lässt sich verhindern, indem von Anfang an alle Ausgaben, nach dem Verhältnis des Einkommens, geteilt werden: Die Wohnung wird gemeinsam eingerichtet, Miete und Betriebskosten werden geteilt und alle Haushaltsausgaben gemeinsam bezahlt. „So können Frauen auch in der Lebensgemeinschaft sicherstellen, dass sie vom Partner am Ende der Beziehung nicht aus der Wohnung geworfen werden können“, erklärt Jobst-Hausleithner den Unterschied.
Auf die Frage, für welches Konto sich die Partner entscheiden sollen, gibt es keine generelle Empfehlung. In vielen Fällen sei ein Gemeinschaftskonto, von dem die gemeinsamen Ausgaben bezahlt werden, und daneben noch zwei getrennte Konten eine gute Lösung. „Das muss man sich halt gebührentechnisch leisten“, verweist Jobst-Hausleithner auf die zusätzlichen Kosten. Gar kein Gemeinschaftskonto sei oft nicht möglich, weil die Frauen ein zu geringes Einkommen haben. Wenn die Frau nur einen Zugang zum Konto des Partners in Form einer Bankomatkarte hat, dann kann sie schnell einmal von der Kontoberechtigung ausgeschlossen werden.
Risiko der Teilzeitarbeit
Als eine weitere typische Falle, die in der Lebensgemeinschaft, aber auch in der Ehe vorkomme, nennt Jobst-Hausleithner den Umstand, dass Frauen noch immer überwiegend die Kinderbetreuung leisten und daher lange Zeit teilzeitbeschäftigt sind: „Wenn jemand bei einem Kind daheim bleibt und weniger arbeiten geht, dann ist das eine Lebensentscheidung, die weitreichende Folgen hat und dessen Risiko zwischen den beiden Partnern fair aufgeteilt und nicht von der Frau alleine getragen werden soll.“ Dass dies aber nicht die Regel ist, zeigt sich in der Statistik: Männer gehen viel seltener in Karenz und Frauen verdienen nach der Karenz häufig weniger als vorher, weil sie Teilzeit arbeiten und oft deshalb Jobs annehmen, für die sie überqualifiziert sind. Studien belegen einen Einkommensknick bei Frauen, der mit der Geburt des ersten Kindes zusammenfällt.
Ein Weckruf für viele Frauen war die Zusendung der Kontoerstgutschrift mit der Umstellung auf das Pensionskonto Neu ab 1. Jänner 2014 für alle ab 1. Jänner 1955 Geborenen. Eine große Änderung dabei ist, dass es keinen Durchrechnungszeitraum mehr gibt und nicht mehr nur eine bestimmte Anzahl von Jahren für die Pensionsberechnung verwendet werden. "Was ich einbezahle, bekomme ich raus – eine Teilzeit-Arbeit hat nunmehr die volle Auswirkung“, erklärt Peter Gerlinger von der Pensionsversicherungsanstalt. Es wurden aber die Beitragsgrundlagen für Kindererziehung massiv angehoben. Der Elternteil, der bis zum vierten Lebensjahr des Kindes und bei Mehrlingsgeburten bis zum fünften Lebensjahr der Kinder, die überwiegende Erziehungsarbeit leistet, bekommt monatlich am Pensionskonto 1.694,39 Euro (Wert 2015) gutgeschrieben. „Wird aber innerhalb der ersten vier Jahre ein zweites Kind geboren, werden die Zeiten nicht doppelt gerechnet“, so Gerlinger. Es ist eine Forderung der Politik, dass immer vier Jahre angerechnet werden.
Ein seit 2005 bestehendes Instrument, um den durch die Kindererziehung entstehenden finanziellen Verlust teilweise zu reduzieren, ist das Pensionssplitting. Dabei kann der Elternteil, der erwerbstätig ist, dem Partner, der überwiegend die Kindererziehung leistet, bis zur Hälfte seiner Pensionsteilgutschrift übertragen. Dies ist für die ersten vier Geburtsjahre und bei Mehrlingsgeburten für die ersten fünf Jahre möglich. Der Antrag kann bis zum siebten Lebensjahr des Kindes abgegeben werden. Die Übertragung ist nur mit Einverständnis des Partners möglich und kann später nicht mehr geändert werden. Eine genaue Statistik gibt es nicht, aber es wurde bisher nur von sehr wenigen Personen in Anspruch genommen. Ein Grund dafür sei laut Gerlinger auch die komplizierte Berechnung: Die Übertragung hat (bis 31. Dezember 2013) am anderen Pensionskonto nicht die gleiche Auswirkung - es ist daher auch eine Vorberechnung notwendig.
Private Vorsorge
Mit Einführung des Pensionskontos wurde die private Vorsorge massiv beworben. Konsumentenschützerin Ulrike Weiß mahnt zur Vorsicht: „Bevor Frauen eine private Vorsorge abschließen, sollen sie sich zuerst gut informieren, was sie vom Sozialsystem zu erwarten haben, denn da gibt es ja doch einiges an Leistung.“ Bei der Auswahl der Finanzprodukte gebe es keinen Unterschied zwischen Mann und Frau, es seien drei Punkte zu überlegen: Wie viel Geld kann ich veranlagen? Wie lange will und kann ich mich binden? Welches Risiko kann und will ich mir leisten? Grundsätzlich gelte die Regel, je geringer das Einkommen, desto weniger Risiko solle man eingehen und je mehr Geld man zu veranlagen hat, umso mehr solle man in verschiedene Produkte investieren und kann auch mehr Risiko eingehen. Wegen der Pensionserstgutschrift solle man nicht gleich in Panik verfallen. „Im Alter fallen viele Kosten weg“, rät Weiß erst einmal zu einer nüchternen Rechnung. Wenn dann tatsächlich eine Lücke besteht, dann sollte man nach dem kostengünstigsten Produkt suchen, denn es gebe große Preisunterschiede. Für die Juristin des autonomen Frauenzentrums ist es wichtig, dass der besserverdienende Partner für die Partnerin die Altersabsicherung bezahlt, wenn die Frau aufgrund der überwiegenden Haushaltsführung und Kinderbetreuung nicht Vollzeit arbeiten gehen kann.
Bei der gesetzlichen Pensionsversicherung gibt es die Möglichkeit der Höherversicherung. Außerdem können Schul- und Studienzeiten nachgekauft werden. Ein Monat ist aber mit über 1.000 Euro sehr teuer. „Manche kaufen einen Teil nach, weil sie sonst oft gar nicht die Anspruchsvoraussetzungen für die Pension zusammenbringen - aber das muss man sich gut überlegen“, so Gerlinger. Beide Möglichkeiten seien auf Grund der Abschreibmöglichkeiten vor allem für Besserverdiener geeignet.
Sonja Ausserer-Stockhamer, Vorstandsmitglied der Hypo Oberösterreich, rät für die private Vorsorge zu einem Investmentfonds: „Es ist die beste Form in Bezug auf Altersvorsorge und Wertzuwachs.“ Die Vorteile dabei seien die Flexibilität bei Zugriff und Ansparleistung. Man könnte bereits mit 50 Euro pro Monat zum Sparen anfangen und etwa, wenn die Kinder größer sind und die Frau wieder Vollzeit arbeiten geht, den Betrag erhöhen. Laut Konsumentenschützer Weiß sollen Sparer sich bei Fonds mit Kleinstbeträgen die Gebühren genau anschauen: „Möglicherweise fressen die Mindestkosten das Ersparte.“ Zu Geldanlagen in Immobilien hat Ausserer-Stockhamer einen „zweischneidigen Zugang“: „Man tut immer so, als wenn diese Form risikolos wäre, aber da kann vieles passieren. Die Preise sind aktuell auch sehr hoch.“ Außerdem setze diese Form immer ein bestimmtes Kapital voraus. Bei Lebensversicherungen wiederum sei es relativ schwierig, den Beitrag zu verändern und in einer Notsituation an das Geld zu kommen.
Generell würden Männer im Vergleich zu Frauen eher eine private Vorsorge abschließen: „Sie sind da vielleicht ein bisschen egoistischer. Frauen schauen zuerst, dass die Familie versorgt ist“, sagt Ausserer-Stockhamer. Alleinerziehende tragen als alleiniger Verdiener ein anderes Risiko und sollten sich daher in Hinblick auf Arbeitsunfähigkeit und Ableben besser versichern. Jobst-Hausleithner stimmt der Bänkerin in diesem Punkt zu und bezeichnet die mangelnde Absicherung für den Todesfall des Partners bei der Lebensgemeinschaft als weitere Falle. Sie erinnert sich an den Fall einer jungen Mutter mit zwei kleinen Kindern, deren Partner tödlich verunglückte. Die Familie wohnte im umgebauten Elternhaus des Mannes. Die Frau war nicht im Grundbuch eingetragen und hatte keinen Anspruch auf ein Erbe und eine Witwenpension. „Dazu kommt, dass die gemeinsam genutzten Autos oft auf die Männer zugelassen sind“, erklärt Jobst-Hausleithner. In dem geschilderten Fall durfte die Frau das Auto, das sie für die Berufsausübung brauchte, vorerst nicht benutzen, da es im Rahmen der Verlassenschaft gesperrt war.
Abhängigkeit der Frau
Frauen sei oftmals nicht klar, dass sie bei einer Trennung von ihrem Lebensgefährten keinen Unterhaltsanspruch haben und damit keinerlei Ausgleich für den Einkommensverlust für die Zeit der Kindererziehung bekommen. Deswegen zu heiraten rät Jobst-Hausleithner aber nicht: „Wir möchten nur, dass sich Frauen im Bewusstsein der Konsequenzen entscheiden, nicht zu heiraten und sich gegebenenfalls anders absichern.“ Die Juristin rät, ein Testament zu machen und in einem Partnerschaftsvertrag zu regeln, wer im Falle einer Trennung im Haus oder in der Wohnung bleibt und den anderen Partner in welcher Höhe ausbezahlen muss. Die vertragliche Absicherung eines Unterhalts ist oft schwierig: „Dazu haben mir Frauen gesagt, dann könnten sie die ganze Beziehung vergessen.“ Aber ohne gleich einen Konflikt hervorrufen zu müssen, helfe darauf zu schauen, wozu Frau ihr Geld verwendet und wie die Kosten geteilt werden.
Anders als in der Lebensgemeinschaft besteht in der Ehe ein gesetzlicher Unterhaltsanspruch der Ehefrau, die den Haushalt führt. Als kritischen Punkt spricht Jobst-Hausleithner aber an, dass eine Frau, die nach der Scheidung einen Unterhaltsanspruch hat, diesen für die Dauer einer neuen Lebensgemeinschaft verliert, obwohl der neue Partner sie finanziell nicht unterstützen muss. „Schuld an der oft fehlenden Selbsterhaltungsfähigkeit und dem Unterhaltsbedarf ist die Gestaltung der geschiedenen Ehe“, erklärt Jobst- Hausleithner die Ungerechtigkeit und die damit zusammenhängende Abhängigkeit der Frau. „Das sind sehr unbefriedigende Fälle“, sagt die Juristin und hat daher neben dem Appell an die Frauen, sich rechtzeitig um die Finanzen zu kümmern, auch Wünsche an die Politik. Sie spricht sich für ein verpflichtendes Pensionssplitting und einen befristeten Betreuungsunterhalt bei nicht verheirateten Eltern aus. Außerdem solle man, ähnlich wie in Deutschland, einen Versorgungsausgleich im Scheidungsfall überlegen. Das könnte in einigen Fällen die Nachteile für Frauen in der Pension, die durch die Verlängerung des Durchrechnungszeitraums entstanden sind, abschwächen. Insgesamt solle es nicht mehr nur um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Frauen gehen, sondern das müsse etwas Gemeinsames werden und von den Eltern zu gleichen Teilen getragen werden.
Wussten Sie eigentlich, dass..
... in 44% der Familien mit Kindern von 0 bis 14 Jahren ein Partner Vollzeit und der andere Teilzeit arbeitet und Österreich hier nach den Niederlanden die zweithöchste Quote innerhalb der OECD hat?
... in 21% der Familien mit Kindern von 0 bis 14 Jahren beide Elternteile Vollzeit arbeiten und Österreich dabei auf dem siebten Platz innerhalb der OECD liegt? Platz 1: Portugal: 66% Platz 2: Slowakei: 54,8%, Platz 3: Frankreich: 41,4%.
... mit durchschnittlich 52,1 h Wochenarbeitszeit der Mann in Österreich viel mehr als der EU-28-Durchschnitt mit 47,2 Stunden arbeitet?
... der Stundenlohn von Frauen 23% unter jenem der Männer liegt und das der höchste Wert aller OECD-Länder ist?