Hätten Sie als Mann eine andere Karriere gemacht?
NorzIch glaube, als Frau hat man diese Zukunftsangst etwas mehr. Man will in allem perfekt sein, trägt die Klischees noch in sich. Wahrscheinlich hätte ich als Mann nicht den Drang gehabt, alles so schnell wie möglich zu machen – weil man als Frau natürlich auch daran denkt, dass man irgendwann das Kinderthema unterbringen möchte. Vielleicht wäre ich in der Architektur geblieben. Und vielleicht ist es typisch weiblich, dass ich jetzt die Innenarchitektur mehr liebe. Weil es hier mehr um Menschen geht, darum, Lebensraum zu schaffen. Es ist ein wahnsinnig schöner Beruf, bei dem man viel Gefühl braucht.
Zukunftsforscher sind sich einig: Diese Emotionale Intelligenz wird immer mehr Bedeutung bekommen. Gehört die Zukunft demnach den Frauen?
NorzFrauen rücken immer mehr in den Vordergrund. Wie wichtig das ist, sieht man auch am Weltgeschehen, wo rein männliches Machtgehabe selten gut geht. Es ist daher unerlässlich, dass mehr Frauen in verantwortungsvolle Positionen kommen.
Dieser Wandel ist – wenn auch langsam – im Gange. Ein kleines bisschen häufiger werden Meldungen wie „Sie ist die erste Frau in diesem Amt“. Aber wie das so ist mit Veränderungen, nicht jeder findet sie gut. Erleben Sie auch einen Gegenwind zur Emanzipation der Frau?
NorzManche tun sich schon schwer mit der Emanzipation. Aber es geht ja gar nicht darum, gleich zu werden, sondern gleichberechtigt. Jeder hat seine Vorzüge. Es würde keinen Sinn machen, wenn wir alle gleich werden wollen. Denn wenn man eh alles selbst machen kann, wozu braucht man dann noch eine zweite Hälfte?
Für eine Frauengeneration vor Ihnen war es noch nicht selbstverständlich, eine Matura abzulegen, geschweige denn zu studieren. Heute stehen zumindest in der Ausbildung Frauen alle Türen offen. Nur welche ist die richtige?
NorzWenn man alle Möglichkeiten hat, ist die Entscheidungsfindung keine einfache. Nach dem Studium dachte ich mir: Eigentlich kann ich alles machen. Und jetzt bin ich genau da, wo ich großgeworden bin, wieder komplett am Ursprung, obwohl ich alle Möglichkeiten gehabt hätte und immer ins Ausland gehen wollte. Diese ganz große Bandbreite an Möglichkeiten macht auch unsicher, weil man gar nicht mehr weiß, was das Richtige für einen ist. Welche Tür ich dann schließlich genommen habe, war eine Gefühlsgeschichte, eine Herzensentscheidung. Und bis jetzt denke ich mir: Es war die richtige Entscheidung. Ich stehe jeden Tag um sechs auf und wenn ich einen DreizehnStunden-Tag habe, ist das okay, weil ich’s mit Freude mache. Aber trotzdem: Man muss immer offen für Veränderung sein. Und sich nicht den Druck machen, alles genau so bis zum Lebensende machen zu müssen.
Gedanken von Anna Norz
Wenn ich ein Mann wäre _würde ich wahrscheinlich weniger nachdenken und besser schlafen können.
Sorgen macht mir _die Schnelllebigkeit und der Stress der Gesellschaft.
Künstliche Intelligenz _hat keine Seele.
Geprägt hat mich _natürlich meine Herkunft, meine Familie und meine Freunde. Eine Schlüsselrolle auf meinem Lebensweg war sicher auch die Schulzeit, in der damals Mädchen in technischen Berufen noch sehr selten waren.
In 30 Jahren werden Frauen _es hoffentlich geschafft haben, weltweit die gleichen Rechte wie Männer zu haben.
Der größte Irrtum der Menschheit _ist, zu glauben, wir stünden über der Natur, und uns nicht als Teil des Ganzen zu begreifen.
Was Männer über Frauen wissen sollten _dass das, was sie sagen, lange im Gedächtnis einer Frau bleibt.
Die besten Entscheidungen meines Lebens _entstanden jedes Mal, wenn ich meine Komfortzone durchbrochen habe.
Was ich der weiblichen Generation nach mir gerne sagen möchte _Strebe nach Selbstfindung und Selbstentfaltung - sei keine Generation, sondern ein Individuum.