Eine harmonische Übergabe muss kein Fairy-Tale sein. Denn durch eine rechtzeitige Auseinandersetzung mit dem Thema können Konflikte und Enttäuschungen in Familien und ihrem Betrieb vermieden werden. Und damit die Nachfolgegeneration und das Unternehmen für die Zukunft stärken.
Blut und Wasser
Kennen Sie das Prinz-Charles-Syndrom? Nein? Familienforscher sprechen davon, wenn die ältere Generation das Zepter nicht loslassen möchte, bis die Nachfolgegeneration selbst schon alt und grau ist. Ein solches „Leben in der Warteschlange“ ist aber nur einer von zahlreichen Steinen, über die man auf dem Weg zum erfolgreichen Generationswechsel in Familienunternehmen stolpern könnte. Mangelndes Interesse, fehlende Qualifikation, soziale Inkompetenz der Nachfolgegenerationen oder gar ein familiäres Zerwürfnis der Eigentümerfamilie können den Traum vom Familienlebenswerk schnell zum Unternehmeralbtraum machen. „Blut ist dicker als Wasser“, meint Unternehmensberaterin und Wirtschaftsmediatorin Sandra Thaler dazu, „in vielen Familienunternehmen besteht der dringliche Wunsch, dass das Unternehmen von einem Familienmitglied weitergeführt wird.“ Was nicht immer gelingt. Wie findet man den geeigneten Nachfolger für ein Familienunternehmen und welche Punkte müssen im Nachfolgeprozess unbedingt mitbedacht werden?
Die Übergabe planen, klar. Aber wann?
„Es kann nie zu früh sein, sich diesem Thema zu widmen“, sagt Wirtschaftsanwalt Fritz Ecker und ergänzt: „Neben der klassischen, geplanten Unternehmensübergabe könnte ja auch jederzeit ein Todesfall oder anderer Schicksalsschlag eintreten.“ In Gesellschafterverträgen könne man etwa Regelungen über Stimmrechtsverschiebungen oder Aufgriffsrechte an Anteilen für ein unvorhergesehenes Ausscheiden vorsehen. Für den geplanten, meist altersbedingten Übergabeprozess sollte man laut Ecker drei bis fünf Jahre einrechnen. „Es soll ein Konsens unter allen Beteiligten und gleichzeitig die beste Lösung für das Unternehmen gefunden werden.“ Wirtschaftsprüfer Peter Humer meint dazu: „Erst wenn der Übergeber wirklich bereit ist loszulassen, kann man mit den ersten Schritten der Übergabe starten.“ Seiner Erfahrung nach sei dies beim Übergeber meist im Alter zwischen 55 bis 70 Jahren der Fall. Aber: „Je größer der Altersunterschied zwischen der älteren und der jüngeren Generation ist, desto schwieriger wird die Übergabe.“ Laut Thaler werden oft bereits zu Beginn grobe Fehler gemacht: „Wenn die Nachfolgefrage zu spät angepackt wird und zu wenig oder unehrlich mit allen Beteiligten kommuniziert wird, kann es zu gravierenden innerfamiliären Problemen und Konflikten kommen.“
„Bring the people to the table“
Alle Familienmitglieder und Beteiligten müssen laut Thaler „am Tisch sitzen und in den Prozess eingebunden werden“. Basis für alle weiterenSchritte im Nachfolgeprozess sei, den passenden Nachfolger zu finden: „Klar ist, dass der Übergeber entscheidet, wer in seine Fußstapfen treten wird. Die Nachfolger können sich dafür oder dagegen und für die Bedingungen einer Übernahme entscheiden“, sagt die Wirtschaftsmediatorin. Fingerspitzengefühl im Familienkreis sei hier besonders gefragt: „Fairness gegenüber weichenden Erben und weiteren Personen, die vielleicht enttäuscht sind oder deren Erwartungen unerfüllt bleiben werden, ist hier absolut wichtig. Und Fairness kann ausverhandelt werden.“ Als Parameter gelte hier: Alle Beteiligten müssen sich gerecht behandelt fühlen. Nur dann habe die Nachfolgegeneration im Unternehmen die Kraft für Innovation und die Bewältigung aktueller Herausforderungen wie Digitalisierung und Fachkräftemangel. Wenn Interessenskonflikte der Beteiligten in dieser Phase nicht erkannt und gelöst werden, können innerfamiliäre Beziehungen dauerhaft belastet werden.
Externe Berater und Mediatoren sollen deshalb früh in den Prozess einbezogen werden. „Es müssen neben der Qualifikation des potentiellen Nachfolgers auch alle finanziellen, steuerlichen und rechtlichen Fragen besprochen und geklärt werden. Der Prozess unterliegt insbesondere auch pflichtteilsrechtlichen Restriktionen“, erklärt Ecker. Wenn mehrere Erben vorhanden sind, könne es laut Ecker zwar naheliegend sein, alle am Unternehmen zu beteiligen, „für das Unternehmen ist das aber nicht immer die beste Lösung“. Eine faire finanzielle Lösung könne etwa über restliche Vermögenswerte vom Übergeber oder über einen Dividendenfruchtgenuss geschaffen werden. Humer meint zum Thema Fairness: „Es gibt viele positive Beispiele, bei denen Geschwister oder Cousins das Unternehmen gemeinsam gut übernehmen. Hier braucht man eine ganz klare Abgrenzung der Zuständigkeiten. Wenn das Unternehmen etwa in der dritten Generation ist, dann haben wir die Erfahrung gemacht, dass man den Kreis jener, die operative Geschäfte führen, klein lässt.“
Der passende Thronfolger
Doch welche Voraussetzungen sollte der Nachfolger mit sich bringen? „Das hängt natürlich auch vom Unternehmen ab, das übernommen übernommen wird. Denn es macht einen Unterschied, ob das Unternehmen ein Handwerksbetrieb ist oder ein international agierender Industriebetrieb. Grundsätzlich gilt aber, dass er fachliche Kompetenz und unternehmerisches Denken besitzen soll und strukturierte, strategische Entscheidungen treffen kann. Gesammelte Erfahrungen bei Mitbewerbern und im Ausland sind für die Unternehmensübernahme auf jeden Fall sehr wertvoll“, sagt Herbert Auer, der als Leiter Corporate Banking der Sparkasse Oberösterreich Unternehmensübergaben bei Finanzierungsthemen begleitet. Und Humer meint dazu: „Manche Unternehmer binden ihre Kinder schon sehr früh und ohne Druck in das Unternehmen ein, sodass diese eine große Leidenschaft für den Betrieb entwickeln und früh den Wunsch verspüren, einmal in das Unternehmen einzusteigen.“ Wesentlich für den Übernehmer sei, dass er die Unternehmer-DNA besitze: „Die Nachfolger müssen genauso für die Vision des Unternehmens brennen wie die Gründer und die Vorgängergeneration“, sagt Humer.
Der Übernehmer soll fachliche Kompetenz und unternehmerisches Denken besitzen und strukturierte, strategische Entscheidungen treffen können.
Herbert Auer
Leiter Corporate Banking, Sparkasse Oberösterreich
Die junge Generation wird sicher vieles anders machen, aber vielleicht ist sie ja gerade deshalb erfolgreich.
Peter Humer
Wirtschaftsprüfer, KPMG
Wussten Sie schon, dass ...
... 30 bis 50 Prozent der Familienbetriebe den Übergang in die zweite, 10 bis 12 Prozent jenen in die dritte Generation schaffen? Nur etwa fünf Prozent an Mehrgenerationen-Familienunternehmen bestehen erfolgreich über die vierte Generation hinaus.
... rund die Hälfte der Unternehmen familienintern übergeben wird. Familienexterne Übergaben haben jedoch in den letzten 20 Jahren stark an Bedeutung gewonnen.
Quelle_Dreyer 2008, KMU Forschung Austria