Ein Interview dauert für gewöhnlich eine Stunde, mit An- und Abreise oft um ein Vielfaches länger. Ein zeitlicher Aufwand, der sich fast immer lohnt. Weil im persönlichen Gespräch eben mehr entstehen kann als beim Kommunizieren auf Distanz. Aber manchmal ist die Zeit knapp oder es herrscht gerade eine Pandemie, persönliche Treffen sollen auf ein Minimum reduziert werden. Dann lässt sich ein Interview auch in den digitalen Raum verlagern. Und das passt doch eigentlich ganz gut, wenn die Kernfrage ohnehin die Digitalisierung ist.
Vor Corona wären wir wohl nicht auf die Idee gekommen, dieses Interview per Videokonferenz zu führen. Heute ist das ganz normal. Wie viel Ihrer Arbeit hat sich vom Analogen ins Digitale verlagert?
ACHLEITNERCorona hat einen Digitalisierungsschub im Bewusstsein der Menschen gebracht – auf allen Ebenen. Wer hätte gedacht, dass wir plötzlich Distance Learning machen? Videokonferenzen waren die absolute Ausnahme. Früher bin ich für einen halbstündigen Termin nach Wien gefahren oder der Minister zu mir. Das macht man heute alles digital.
Wie viel davon wird digital bleiben, wenn die Pandemie überstanden ist?
ACHLEITNERIch glaube, zwei bis drei Termine von meinen fünfzehn pro Tag sind künftig sicher digital, weil es einen riesigen Vorteil hat: Man kann Abstimmungstermine sehr effizient abhalten. Die Länder waren mit dem Bund noch nie so abgestimmt wie im letzten Jahr. Normalerweise haben wir einmal im Jahr eine Wirtschaftslandesrätekonferenz, einmal im Jahr ist man in Wien, einmal im Halbjahr kommt der Minister ins Land. Das war bis dato der Austausch. Jetzt tauschen wir oft wöchentlich Meinungen aus – neun Länder und der Bund, vor Corona waren es meist ein Land und der Bund. Zehn Leute, die Meinungen austauschen, das finde ich als Interessenvertreter sehr positiv.
Die Coronakrise wurde zur Schnellstraße der Digitalisierung – in fast allen Branchen. Vor allem wohl deshalb, weil’s gar nicht anders möglich war. Was aber, wenn die Notwendigkeit nicht mehr so groß ist – fallen einige dann wieder zurück auf die Dorfstraße?
ACHLEITNERDas glaube ich deshalb nicht, weil viele die Vorteile der Digitalisierung jetzt erlebt haben. Der digitale Vertriebsweg war meist der einzige, um überhaupt Geschäfte zu machen. Natürlich gab es Unternehmen, die bereits gut aufgestellt waren und unheimlich profitiert haben. Es gab aber auch ganz viele, die komplett analog aufgestellt waren und nun einen neuen Kundenkreis und Markt erreichten, den sie sonst nicht angesprochen hätten. Digitale Vertriebswege werden daher als Ergänzung zum Analogen bleiben.
Auf einer Skala von eins bis zehn, wo steht der Standort Oberösterreich im Bereich der Digitalisierung? Was sind die Herausforderungen am Weg an die Spitze?
ACHLEITNERVerglichen mit Österreichs Bundesländern sind wir im obersten Drittel. Wir haben aber auf allen Ebenen noch ganz viel zu tun. Über 600 Millionen Euro werden bis 2023 in die digitale Infrastruktur investiert, so viel investiert kein zweites Bundesland. Eine wesentliche Rolle spielt hier der Bereich IT-Security, da gehört wahnsinnig viel investiert. Für die KMU-Szene haben wir voriges Jahr mit der Wirtschaftskammer die digitalen Förderungsrahmen neu aufgelegt, im Speziellen für die ersten Schritte in der Digitalisierung. Wir haben jetzt in zwei Monaten Fördermittel ausgeschüttet, die wir normalerweise in drei Jahren ausgeschüttet hätten. Es ist explodiert und wir haben schon mehrfach aufgestockt.
Die Digitalisierung macht vor keiner Branche Halt. Auch nicht vor dem Sport. E-Sport gewinnt weltweit an Bedeutung, selbst der ÖSV steigt in das E-Sport-Geschäft ein. Als Digitalisierungs- und Sportlandesrat: Welches Potential sehen Sie da für Oberösterreich?
ACHLEITNEREs ist ein riesiger Markt, ganz klar. Ich halte es für schlau, dass wir mit dabei sind. Wie sehr sich auch im Sport die Digitalisierung breit macht, haben wir nicht zuletzt durch Corona gesehen – weil viele Trainingsprogramme ins Digitale verlagert wurden. Wobei ich ehrlicherweise sagen muss, dass mir der Sport im analogen Bereich immer noch lieber ist.
Zumindest die Alpine Ski-WM war auch dieses Jahr analog. Und dank Doppelweltmeister Vincent Kriechmayr für Oberösterreich ein großer Erfolg – was bedeutet so ein „Aushängeschild“ für den Standort?
ACHLEITNERDas ist eine unbezahlbare Werbung für den gesamten Standort Oberösterreich – für den Sportstandort, für das Tourismusland und für den Wirtschaftsstandort. Talente wie er machen Werbung für unser Land, sind Vorbild für die Jungen und zeigen, was möglich ist, wenn man vollen Einsatz gibt. Das ist ein positiver Kreislauf. Bei all den sportlichen Highlights hat man gesehen, wie wichtig das für die Stimmung im Land ist. Gerade jetzt brauchen wir Mutmacher und Perspektivengeber, damit wir insgesamt als Gesellschaft wieder in Schwung kommen. Schon in normalen Zeiten sagen wir: „Die Hälfte der Wirtschaft ist die Stimmung.“ Kauflaune, Konsumlaune, Investitionslaune – wir versuchen, ein investitionsfreundliches Umfeld mit den richtigen Rahmenbedingungen zu bieten. In Krisenzeiten macht die Stimmung mehr als die Hälfte aus.
Mit welchen Rahmenbedingungen möchten Sie jetzt daher Stimmung machen?
ACHLEITNERWir haben neben den Hilfsprogrammen auf Bundes- und Landesebene voriges Jahr schon mit Konjunkturanreizen begonnen. Stichwort: Investitionsprämie. In der ersten Phase mussten wir die Betriebe durch die Krise führen, damit sie Arbeit halten und schnell wieder Arbeit bringen. Im Jahr nach der Krise besteht die Gefahr, dass Unternehmen Investitionen verschieben oder absagen. Die öffentliche Hand hat Geld ohne Ende ausgegeben, verschuldet sich und würde normalerweise auf der Sparbremse stehen. Dann hätten wir die Hilfen zum Teil umsonst gegeben, weil das ein Negativsog für den Wirtschaftsstandort wäre. Damit das nicht passiert, haben wir uns die Fördermaßnahme der Investitionsprämie einfallen lassen. Mit sieben beziehungsweise vierzehn Prozent direktem Zuschuss des Bundes für Investitionen – eine goldene Idee. Das hat eingeschlagen wie eine Bombe. Von den ganz kleinen bis zu den ganz großen Betrieben sind in OÖ insgesamt zehn Milliarden Euro Investitionen angemeldet, die jetzt in den nächsten drei Jahren umgesetzt werden. Das schafft Arbeit, das schafft Konsumlaune, das schafft Konjunktur. Und dann auch wieder höhere Steuereinnahmen, die wir brauchen, um die Schulden zurückzahlen zu können.
Bei der Frage „Wer soll die Krise bezahlen?“ setzen Sie also auf Wirtschaftswachstum? Das muss aber ziemlich schnell und ziemlich hoch sein …
ACHLEITNEROberösterreich hat in den letzten drei Jahren vor Corona über 500 Millionen Euro von insgesamt drei Milliarden Euro Schulden zurückgezahlt. Es war Hochkonjunktur. Jetzt verschulden wir uns wieder, weil wir antizyklisch investieren. Mit dem Oberösterreich-Plan sind es 1,2 Milliarden Euro, aufgeteilt auf fünf Jahre. Das geschieht, weil wir Anreize setzen müssen, damit die Menschen Arbeit haben und die steigende Arbeitslosigkeit schnell wieder abgebaut wird. Wenn wir uns aus der Krise herausinvestieren – und das ist letztendlich das Ziel –, dann kommen wir stärker zurück als andere Regionen, da bin ich ganz sicher!
Für Wirtschaftswachstum und Spitzenleistung am Standort braucht es genügend Fachkräfte. Wie holen Sie die nach Oberösterreich?
ACHLEITNERDas Credo „Willst du weiterkommen, musst du nach Oberösterreich kommen“ haben wir der gesamten Standortpolitik zugrunde gelegt. Die größten Möglichkeiten, sich zu entfalten, gibt es natürlich nicht ausschließlich in Oberösterreich, aber eben auch ganz besonders hier. Weil wir als Wirtschafts- und Industrielokomotive der Republik eine führende Rolle einnehmen. Weil wir Unternehmen haben, die auch in schwierigen Zeiten Innovationsvorreiter sind und damit Zukunft generieren. Ein ganz großes Projekt, das wir gerade in Konzeption haben, ist die digitale Technische Universität. Dort wird eine Jahrhundertchance geboren! Hier geht es darum, dass wir Menschen aus aller Welt nach Oberösterreich holen, die daran interessiert sind, aus der digitalen Transformation Nutzen zu ziehen. Und zwar aus verschiedenen Motivationslagen: Die einen, weil sie Medizintechnik entwickeln wollen, die anderen, weil sie im Umweltbereich etwas bewegen wollen, wieder andere, weil sie digitale Geschäftsmodelle neu entwickeln möchten.
Aber warum sollte jemand, der an einer Technischen Universität lernen, lehren, forschen oder arbeiten möchte, nach Oberösterreich kommen? Wie unterscheidet sich diese Uni von den anderen?
ACHLEITNERWir denken hier an eine Universität des 21. Jahrhunderts, die von Beginn an auf den Säulen Forschung, Lehre und Unternehmertum fußt. Das ist ein revolutionärer Ansatz. Einer, der auch Menschen in digitale Studien bringen soll, die sonst nicht daran denken würden. Denn Digitalisierung ist kein Selbstzweck, sondern ein Mittel zum Zweck. Es geht darum, die digitale Transformation der bestehenden Wirtschaft und den Nutzen der Digitalisierung in Wertschöpfung zu verwandeln. Das ist die Aufgabe. Damit bekommen wir einen regelrechten Turbo nach Österreich. Das ist ein unglaublich spannendes und zukunftsgerichtetes Projekt, bei dem wir uns vierzehntätig mit Wien absprechen.
Wie kommt der oberösterreichische Plan in Wien an?
ACHLEITNERBis jetzt spielt die Wiener Ebene mit, hoffen wir, dass das so bleibt. Wichtig bei der Planung ist: Man darf nicht mehr so denken, wie Universitäten vor hundert Jahren gedacht haben, weil da sehr schnell die Frage kommt: „Ist das die Aufgabe einer Universität?“ Genau diese Frage wurde beim Startworkshop der Vorbereitungsgruppe gestellt, als wir unsere Vorstellung erklärt haben. Meine Antwort: Einer Universität des 20. Jahrhunderts nicht, einer Universität des 21. Jahrhunderts zu 100 Prozent. Wenn das nicht gelingt, brauchen wir keine neue Uni in Oberösterreich zu machen. Da können wir die TU in Wien ausbauen. Es geht darum, die Stärke, die wir haben, zu nutzen. Zwischen Universitäten und Unternehmen darf es keine gläserne Wand geben. Aus den großen bestehenden Industrien müssen Entwicklungsmannschaften, die für die digitale Transformation zuständig sind, mit den Lehrenden und Forschenden der digitalen Universität zusammenarbeiten. Das ist der Gründungsauftrag.
Also ein Erstversuch in Österreich?
ACHLEITNERDas ist wirklich etwas völlig Neues und das muss es auch sein, sonst würde man bestehenden Unis Konkurrenz machen. Und das wäre ein Fehler. Man braucht keine weitere Technische Universität, die Studenten aus Wien, Graz oder Innsbruck nach Linz holt. Das ist das absolute Nicht-Ziel. Hier soll digitale Transformation passieren wie nirgendwo sonst.
Wann geht’s los?
ACHLEITNERZiel ist, dass die ersten Studenten 2023 inskribieren._